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Seehofer: "Die Wende muss kommen"

25. Januar 2016

Der CSU-Chef will den Druck auf die Kanzlerin beim Thema Umgang mit Flüchtlingen erhöhen. Gleichzeitig befeuert ein neues Konzept die Asyldebatte weiter. Berlin diskutiert über Obergrenzen, Kontingente und Transitzonen.

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Horst Seehofer bei einer PK in Kreuth (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

"Wir werden nicht locker lassen", bekräftigte CSU-Chef Horst Seehofer seine harte Linie in der Flüchtlingspolitik. Vor einer Parteivorstandssitzung in München plädierte der bayrische Ministerpräsident erneut für einen Kurswechsel: "Die Wende muss in den nächsten Wochen, Monaten kommen." Man dürfe nicht warten, bis die nächste Million Menschen in Deutschland angekommen sei.

In einem offiziellen Brief an die Bundesregierung will die bayerische Staatsregierung einen wirksamen Schutz der deutschen Grenzen verlangen. Alle Verfassungsjuristen seien sich einig, dass die Bundesregierung dazu verpflichtet sei, erklärte Seehofer. Den Vorschlag von CDU-Vizechefin Julia Klöckner für Grenzzentren und tagesaktuelle Kontingente begrüßte er ausdrücklich. "Dieser Plan beinhaltet ja sehr vieles, was wir seit vielen Monaten als Freistaat Bayern und als Christlich-Soziale Union vertreten."

Ein neuer Plan

Klöckner, Spitzenkandidatin der CDU bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, fordert in ihrem sogenannten "Plan A2" unter anderem, Flüchtlinge verstärkt bereits an der Grenze abzuweisen. Den Zuzug will sie durch pro Tag flexibel festgesetzte Höchstwerte beschränken. In dem Papier wird der unionsintern umstrittene Begriff "Obergrenzen" vermieden, das Konzept läuft de facto aber auf Grenzwerte hinaus. So soll sich laut Klöckner die Aufnahme von Flüchtlingen nicht mehr nach dem Andrang an den Grenzübergängen richten, sondern ausschließlich "nach den vorhandenen Kapazitäten der Länder und Kommunen".

Die Bleibeberechtigung von Flüchtlingen will die CDU-Politikerin direkt in Zentren an der deutsch-österreichischen Grenze prüfen lassen; bei negativem Ergebnis soll eine "schnelle Rückführung" erfolgen.

Angela Merkel mit Julia Klöckner beim CDU-Parteivorstand (Foto: picture-alliance/dpa)
Profiliert sich CDU-Vizechefin Julia Klöckner mit ihrem neuen Flüchtlingskonzept gegen Merkel?Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Anti-Merkel-Plan"

Beim Koalitionspartner stößt Klöckners Plan auf Ablehnung. Aus Sicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel handele es sich um eine "Wahlkampf-Aktion" und habe in der Koalition keine Chance auf Umsetzung. "Das, was sie da vorgeschlagen hat, wird nicht Gegenstand von Beratungen der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung werden", erklärte Gabriel.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner kritisierte das Flüchtlingskonzept der CDU-Politikerin als einen "Anti-Merkel-Plan". Im Deutschlandfunk erklärte er, es nütze nichts, täglich neue Vorschläge zu machen, solange "die Hausaufgaben" im Land nicht erledigt seien. Klöckner wolle mit ihrem Plan lediglich über fallende Umfragewerte in Rheinland-Pfalz hinwegtäuschen. "Der PR-Blödsinn der Frau Klöckner hilft niemandem", ergänzte Stegner in der "Passauer Neuen Presse". Wenn sie den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel für falsch halte, "dann soll sie auch den Mut haben, das offen zu sagen, statt feige den offenen Bruch mit Sprachregelungen zu bemänteln", betonte der SPD-Politiker.

Ergänzung oder Alternative?

Klöckner wiederum sieht ihren Plan nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zur Strategie der Kanzlerin. "Bis europäische Pläne beschlossen sind und wirken, dauert es mir zu lange. Deshalb müssen wir jetzt handeln, statt uns von den Entscheidungen anderer treiben oder blockieren zu lassen", begründete Klöckner ihren Vorstoß in der "Passauer Neuen Presse". Merkel lehnte Obergrenzen für Flüchtlinge bislang ab und setzt sich stattdessen für eine Lösung der Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene ein.

Auch die Grünen schlagen hinsichtlich Klöckners "Plan A2" kritische Töne an. "Das ist kein neuer Plan, sondern ähnelt sehr dem Transitzonenvorschlag, den wir vor ein paar Wochen diskutiert haben", sagte Grünen-Chefin Simone Peter dem Nachrichtensender n-tv. Es handele sich hier lediglich um "populistischen Aktionismus". Sie betonte: "Wenn wir sagen, dass das Grundrecht auf Asyl für die Menschen, die zu uns kommen, gilt, dann müssen die Menschen registriert und geprüft werden." Dies dürfe nicht "an solchen Grenzzentren irgendwo im Niemandsland passieren", sondern in einem ordentlichen Verfahren, erklärte Peter. Nötig sei es stattdessen, mehr Personal bereitzustellen, um die Asylverfahren zu beschleunigen.

Deutsch-österreichischer Grenzübergang bei Wegscheid (Foto: picture-alliance/dpa)
Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze - über die Zahl der Registrierungen herrscht UnklarheitBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

"Hanebüchener Quatsch"

Darüber, wie viele Flüchtlinge täglich an deutschen Grenzen registriert werden, herrscht allerdings Uneinigkeit. Die Gewerkschaft der Polizei (DPolG) hat den Angaben des Bundesinnenministeriums nachdrücklich widersprochen. Es sei "hanebüchener Quatsch", wenn das Ministerium behaupte, dass derzeit täglich bis zu 3500 Flüchtlinge an den Grenzen registriert würden, kritisierte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Wendt bezog sich auf Statistiken der Bundespolizei, denen zufolge momentan täglich rund 2000 Flüchtlinge ankommen, von denen 500 bis 700 erkennungsdienstlich behandelt werden könnten. Darunter fällt die Erfassung von personenbezogenen und biometrischen Daten.

Der Chef der Bundespolizeigewerkschaft innerhalb der DPolG, Ernst Walter, zeigte sich ebenfalls verärgert über die Angaben des Innenministeriums. "Wer auch immer dem Bundesinnenminister diese falschen Zahlen aufgeschrieben hat, der gehört eigentlich sofort entlassen", forderte Walter.

Nur die halbe Wahrheit?

Am Wochenende hatte die "Bild am Sonntag" das Bundesinnenministerium mit der Angabe zitiert, dass inzwischen bis zu 3500 Flüchtlinge pro Tag an der Grenze erkennungsdienstlich behandelt werden könnten. Weiterhin wurde Ressortchef Thomas de Maizière mit der Aussage wiedergegeben, derzeit würden "täglich zwischen 100 und 200 Personen von der Bundespolizei an der Grenze zurückgewiesen". Bei den Zahlen der Zurückgewiesenen handele es sich nur "um die halbe Wahrheit", erklärte Walters Stellvertreter Heiko Teggatz von der Bundespolizeigewerkschaft. Es sei davon auszugehen, dass die meisten Zurückgewiesenen "später erneut illegal über die grüne Grenze einreisen". Zum Teil würden sie bereits Stunden nach der Zurückweisung wieder aufgegriffen.

nin/sti (dpa, afp, rtr)