Sebastian Coe: Transgender-Athleten bedrohen Frauensport
30. Januar 2025Transgender-Fragen, der Umgang mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und die Fortführung von Sanktionen gegen Russland - für den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Thomas Bach als Präsident oder Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wird es gleich von Anfang an viel zu regeln geben.
Sebastian Coe ist einer der sieben Kandidatinnen und Kandidaten, die sich um das mächtigste Amt im Weltsport bewerben. Am Tag vor der Vorstellung der Kandidaten am IOC-Sitz in Lausanne erklärte der Brite gegenüber der DW seine Sicht auf die drängenden Fragen.
Eine davon lautet, ob Transgender-Athleten eine Bedrohung für den Frauensport sind. "Auf Elite-Ebene sind sie das, ja", antwortet Coe. "Für mich ist das Element der Integrität des weiblichen Spitzensports wirklich entscheidend. Denn wenn man das aus dem Blick verliert, verliert man den Frauensport. Und ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren."
In seinem Wahlprogramm macht Coe deutlich, dass er die weibliche Kategorie "schützen und fördern" wolle. Inklusion dürfe nicht über Fairness gestellt werden.
Generelles Verbot für Transgender-Athleten?
Als Präsident des Welt-Leichtathletik-Verbands hatte Coe bereits entschieden, Transgender-Athleten, die die männliche Pubertät durchlaufen haben, von Frauen-Elitewettbewerben auszuschließen.
Der 68-Jährige wollte im DW-Interview jedoch nicht bestätigen, dass er ein generelles Verbot für Transgender-Athleten bei Olympischen Spielen aussprechen würde, sollte er am 20. März die Wahl zum IOC-Präsidenten gewinnen und im Juni das Amt antreten.
"Das ist natürlich eine Diskussion für die internationalen Sport-Verbände", sagte Coe. "Ich habe immer auf Zusammenarbeit gesetzt." Die internationalen Verbände und die Nationalen Olympischen Komitees müssten das Primat über die Politik behalten. Es sei jedoch sehr wichtig, dass das IOC in diesem Bereich eine Vorreiterrolle spiele und die Richtung vorgebe, so Coe. "Ich denke, die Regeln müssen klar sein, und sie sind nicht klar. Das hat viele internationale Verbände in eine Art Niemandsland geführt."
Wieder Geschlechtstests bei den Olympischen Spiele?
Bei den Spielen 2024 in Paris hatte es eine heftige Kontroverse über das Geschlecht der Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan gegeben. Das IOC hatte erklärt, beide seien als Frauen geboren und aufgewachsen. Kritiker der derzeitigen Politik forderten die Wiedereinführung obligatorischer Geschlechtstests - eine Praxis, die bei Olympia vor den Spielen in Sydney im Jahr 2000 eingestellt worden war.
Unter Bezugnahme auf die Ereignisse in Paris sagte Coe: "Die Beispiele, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, sind Beispiele, mit denen wir nicht hätten konfrontiert werden sollen." Er wollte sich jedoch nicht auf Einzelheiten von Geschlechtstests festlegen: "Es muss eine Bewertung und eine Überprüfung geben. Aber das muss natürlich im Rahmen globaler medizinischer Konformität und Methodik geschehen."
Allerdings gibt es Druck aus der Politik: Anfang dieses Monats unterzeichnete der neue US-Präsident Donald Trump eine Durchführungsverordnung, die besagt, dass die US-Regierung nur noch zwei Geschlechter anerkennt - männlich und weiblich - und dass diese "nicht veränderbar" seien.
Als Reaktion darauf sagte Coe der DW, es stehe ihm nicht zu, "über die Art und Weise, wie jemand sein Leben lebt, zu urteilen": "Wenn Sie moralisieren wollen, gehen Sie nicht in die Politik, sondern in die Kirche!", so der britische IOC-Präsidentschaftskandidat. "Ich habe weder die philosophische Veranlagung noch die Zuständigkeit, Transgender-Athleten davon abzuhalten, an Wettkämpfen teilzunehmen und die Körperlichkeit des Sports zu genießen. Noch möchte ich dies tun. Aber wenn es um weibliche Elite-Wettkämpfe geht, haben wir Nein gesagt, und das ist ein sehr klarer Schnitt."
"Vertrauen" in WADA - trotz chinesischen Dopingskandals
Coe, Goldmedaillengewinner in der Leichtathletik bei den Spielen 1980 und 1984, hat einen beeindruckenden Lebenslauf als Sportfunktionär vorzuweisen. Der ehemalige Mittelstreckenläufer leitete die erfolgreiche Olympiabewerbung Londons für 2012. Im Jahr 2015 wurde er Chef des Leichtathletik-Weltverbands IAAF, der heute World Athletics heißt.
Wenn er den Spitzenjob im IOC bekommt, wird er sich auch mit Themen wie der Beteiligung Russlands am internationalen Sport inmitten des anhaltenden Kriegs in der Ukraine, den Spannungen zwischen der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und der US-Regierung sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf den olympischen Kalender befassen müssen.
Auf die Frage, ob er garantieren könne, dass es unter seiner Leitung keine russischen Athleten bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo geben werde, wenn der Krieg weitergehe, antwortete Coe: "Ich denke, das ist ein fester Standpunkt."
In Bezug auf die WADA sagte Coe, er habe "Vertrauen" in die Organisation. Die US-Regierung hatte der WADA die Finanzierung verweigert. Der Grund: Die WADA hatte angeblich dazu beigetragen, vor den Spielen in Tokio im Jahr 2021 die positiven Dopingtests von 23 chinesischen Schwimmern zu vertuschen. Die Vorwürfe waren im vergangenen Jahr bekannt geworden und hatten einen erbitterten Streit zwischen den Vereinigten Staaten und der Welt-Anti-Doping-Agentur ausgelöst.
"Es ist wichtig, dass die Regierungen die Ambitionen der WADA unterstützen", sagte Coe. "Es geht um die Integrität des Sports. Wir haben Vertrauen in die Art und Weise, wie wir mit der WADA zusammenarbeiten. Und ich sehe keinen Grund, diese Beziehung in Frage zu stellen."
Klimawandel als Herausforderung für olympischen Kalender
Auch der Klimawandel beeinflusst die Olympischen Spiele. Absehbar wird es immer weniger Städte oder Regionen geben, die schneesichere Olympische Winterspiele austragen und garantieren können. Bei den Sommerspielen können große Hitze und Trockenheit zum Problem werden, für das man Lösungen finden muss.
Coe erklärte, er sei offen für die Suche nach alternativen Terminen für die Olympischen Sommerspiele. "Sport ist nicht hermetisch abgeriegelt", so Coe. "In meinem eigenen Sport gibt es Ausdauerwettkämpfe. Wenn wir wirklich zu unserem Wort stehen, dass es um das Wohlergehen der Athleten geht, können wir diese Wettkämpfe nicht weiterhin in die Sommermonate legen. Und dabei geht es nicht nur um die Sommermonate in der Golfregion, in Indien oder Südamerika. Wir stehen vor einer globalen Herausforderung."
Dieser Artikel wurde aus dem englischen DW-Original "Sebastian Coe: Transgender athletes threaten women's sport" adaptiert.