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Schwulsein im Gottesstaat

11. Dezember 2009

Als "Bodensatz" hat Irans Präsident Ahmadinedschad sie kürzlich bezeichnet. 2007 hatte er sogar bestritten, dass es in seinem Land überhaupt Homosexuelle gebe. Es gibt sie - aber sie führen ein Leben im Verborgenen.

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Zwei sich küssende Männer, Foto: ap
Küssen in der Öffentlichkeit - im Iran unmöglichBild: picture-alliance/dpa

"Schon als Kind wurde mir vermittelt, dass so etwas pervers ist" erinnert sich Schahroch Reisi nachdenklich. Und auch die im Iran kursierenden Wissenschaftsbücher hätten bei ihm nur ein homophobes Bild geschaffen: "Ich stellte also fest: OK, du hast diese perverse Seite in dir, dann musst du sie unterdrücken."

Schahroch Reisi, Foto: privat
Schahroch Reisi lebt seit sieben Jahren in DeutschlandBild: Schahroch Reisi

Schahroch Reisi wuchs in Isfahan, rund 400 Kilometer südlich von Teheran auf. Schon früh merkte er, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte – doch in einem streng islamischen Land wie dem Iran darf so etwas nicht sein: "Jeder weiß, dass homosexuelle Handlungen aus islamischer Sicht verboten sind und mit dem Tod bestraft werden können", erzählt er.

Leben im Verborgenen

Und so lebte Schahroch 25 Jahre lang im Iran, schämte sich dieser vermeintlich dunklen Seite und kaschierte sie mit betont männlichem Auftreten: "Ich hatte zum Beispiel einen ganz langen Schnurbart", erinnert er sich lächelnd und zeigt auf ein Foto in seinem Regal, das ihn mit seinen Eltern zeigt. Doch während er nach außen den stolzen Sohn spielte, kam sein Inneres nicht damit klar, dass er nicht so sein durfte, wie er war. Er bekam Depressionen und versuchte, sich das Leben zu nehmen. "Es war mir einfach unerträglich", sagt er und während er sich an die Zeit erinnert, steigen ihm fast die Tränen in die Augen.

Der iranische Präsident Machmud Ahmadinedschad (Archivfoto vom 08.12.2005), Quelle: ap
Hatte Homosexuelle noch kürzlich als 'Bodensatz' bezeichnet: AhmadinedschadBild: dpa

So wie Scharoch Reisi ergeht es vermutlich vielen in seiner Heimat, doch sie leben im Verborgenen, denn gleichgeschlechtliche Liebe widerspricht den strengen Sittengesetzen der Mullahs. Männern, die erwischt werden, droht die Todesstrafe, Frauen werden mit hundert Peitschenhieben bestraft. Vor allem seit dem Amtsantritt von Präsident Mahmud Ahmadineschad habe sich die Situation massiv verschlechtert, sagt Schahroch Reisi. Rund 4000 Menschen sollen wegen ihrer sexuellen Orientierung seit der Islamischen Revolution 1979 hingerichtet worden sein.

Razzien, Verhaftungen, Folter

Belege für diese Zahlen gebe es allerdings nicht, erklärt Ruth Jüttner von der Menschenrechtsorganisation amnesty international. Es gebe kaum gesicherte Informationen, oftmals würden Betroffene auch in aller Heimlichkeit oder aus anderen Gründen verurteilt. Nur wenige Festnahmen kommen an die Öffentlichkeit, wie etwa 2007, als auf einer Party in Isfahan 87 Männer verhaftet wurden. "In solchen Situationen gehen wir von Folter und Misshandlungen aus, um Geständnisse zu erzwingen", sagt Jüttner.

Schahroch Reisi wollte dieses Leben in Angst und im Verborgenen nicht mehr, darum kam er 2002 nach Deutschland. Für die Ausländerbehörden allerdings ist die Situation Homosexueller im Iran kein Grund, den Betroffenen per se Asyl zu gewähren. Sieben Jahre lang war Schahroch lediglich geduldet; seine Aufenthaltsgenehmigung bekam er immer nur für ein paar Monate verlängert, manchmal sogar nur für Wochen.

Hohe Hürden

Homosexualität werde zwar im Iran strafrechtlich verfolgt, heißt es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Begründung, "jedoch nicht die Neigung als solche, sondern die erkennbare Durchführung homosexueller Handlungen". Heißt: wer im Iran homosexuell ist und trotzdem Sex hat, ist selber schuld.

Proteste in Manila gegen die Hinrichtung Homosexueller im Iran im August 2005, Foto: ap
Proteste in Manila gegen die Hinrichtung Homosexueller im IranBild: AP

Zudem müssten Betroffene beim ersten Gespräch mit den Behörden ihre Gründe für ihr Asylgesuch angeben und dabei vor einem wildfremden Beamten die intimsten Angelegenheiten detailliert ausbreiten, sagt Menschenrechtsexpertin Jüttner: "Diese Menschen haben zuvor im Iran ihre ganze Energie darauf verwendet, nicht über ihre Sexualität zu sprechen. Das ist eine enorme Hürde, im Asylantrag sofort und detailliert vor einem Fremden seine Sexualität zu erörtern. Das wäre es übrigens auch für jeden von uns!" Sie und ihre Kollegen von ai haben den Eindruck, dass diese Schwierigkeiten nicht richtig berücksichtigt werden. Meist wird der Asylantrag dann abgelehnt; im Klageverfahren heißt es dann, dass die sexuelle Orientierung erst später vorgetragen wurde und nicht mehr glaubwürdig sei.

Schahroch darf nach sieben Jahren endlich bleiben. Im Iran hat er an der Kunsthochschule studiert und Kurzfilme gedreht. In Deutschland muss er nun die Abendschule machen, weil sein iranisches Abitur hier nicht anerkannt wird. Wenn er damit fertig ist, will er Sozialarbeit studieren und sich für Flüchtlinge engagieren. Und für Homosexuelle im Iran. Bereits heute leitet er den deutschen Ableger der "Persian Gay and Lesbian Organisation", die via Internet für mehr Aufklärung kämpft. Auf persisch, damit auch im Iran selbst die Informtionen ankommen, sagt Schahroch, "und damit Homosexuelle dort nicht mehr von sich denken, sie seien pervers."


Autorin: Ina Rottscheidt
Redaktion: Christian Walz