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Forschungsobjekt Fisch

14. Dezember 2009

Fische und Menschen haben viel gemeinsam - zum Beispiel das Gleichgewichtsorgan. Wissenschaftler an der Universität Hohenheim forschten deshalb an Buntbarschen, um eine Therapie gegen das Schwindelgefühl zu entwickeln.

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Buntbarsche (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Fische haben ein Gleichgewichtsorgan, das dem des Menschen sehr ähnlich ist - und das hat sich im Laufe der Evolution kaum geändert. Wer ihren Gleichgewichtssinn untersucht, kann daraus Rückschlüsse ziehen, die auch für Therapien am Menschen relevant sind. Die Forschungsfische werde dafür für kurze Zeit einer künstlichen Schwerelosigkeit ausgesetzt, da das Gleichgewichtsgefühl bei Buntbarschen genauso wie beim Menschen von der Erdanziehungskraft abhängt.

Schwebende Menschen bei einem Parabelflug (Foto: DW-TV)
In der Schwerelosigkleit geht es vielen Leuten richtig übel - und den Fischen auchBild: DW-TV

Einige der Buntbarsche vollführen daraufhin orientierungslos Purzelbäume. Ihnen ist offenbar schwindelig. Wichtig ist dann, sich mit den Augen, statt mit dem Gleichgewichtssinn zu orientieren, einen Fixpunkt zu suchen. Wenn der Schwindel trotzdem nicht vergeht, so Reinhard Hilbig von der Uni Hohenheim, dann kommt es, sowohl bei den Fischen als auch bei uns, zu den üblichen Gehirnkonflikten. Uns wird schlecht, wir müssen uns übergeben. In Extremsituationen passiert das auch Fischen – allerdings nicht allen.

Kullernde Steinchen verursachen Schwindel

Die Forscher wollen herausfinden, warum. Dafür müssen sie die Anatomie der Tiere genau untersuchen. In den Buntbarschköpfen sitzen links und rechts winzige Steinchen, die Statolithen. Sie steuern den Gleichgewichtssinn. Bei den Buntbarschen, denen auf dem Flug schwindelig geworden ist, sind sie anders gestaltet als bei den gesunden Tieren und die Forscher fanden die Steinchen bei den Orientierungslosen an anderen Stellen im Gleichgewichtsapparat.

Reinhard Hilbig vor Aquarium mit Buntbarschen (Foto: DW-TV)
Für den Biologen Reinhard Hilbig sind einfache Buntbarsche das bevorzugte ForschungsobjektBild: DW-TV

Auch wir Menschen haben im Innenohr winzige Steinchen, vergleichbar mit den Statolithen der Fische. Wenn sie durch eine Lageänderung bewegt werden, löst das einen Sinnesreiz im Gehirn aus. Stimmen diese Sinnesreize nicht mit dem überein, was wir sehen, entsteht ein Konflikt. Den kann man sogar sehen - an den Augenbewegungen, die durch die Stimulation der Gleichgewichtsorgane hervorgerufen werden.

Zurück an den Platz!

Die Augen geben dem Arzt einen Hinweis darauf, wenn mit den Steinchen im Innenohr möglicherweise etwas nicht stimmt. Ähnlich wie bei den desorientierten Fischen ist nämlich auch beim Menschen die Position der Steine im Gleichgewichtsapparat das Problem. Sie können sich teilweise lösen, sozusagen durch das Innenohr kullern und sich in einen der Bogengänge verirren. Wenn man weiß, in welchem Bogengang die Steinchen unterwegs sind, muss der Arzt den Kopf der Patienten in Positionen bringen, die durch die Schwerkraft die Steinchen rutschen lassen um sie an die richtigen Stellen zurück zu bewegen.

Arzt dreht Kopf einer Patientin (Foto: DW-TV)
Steinchen zurückdrehen - eine einfache, aber wirkungsvolle TherapieBild: DW-TV

Eine ebenso ungewöhnliche wie unbekannte Therapieform, die fast schon eine Art Wunderkur ist, weil sie den Patienten von jetzt auf gleich helfen kann. Eine Wunderkur aus der Buntbarschforschung. Hoffentlich ist das Aquarium inzwischen wieder sauber.


Autor: DW-TV/ Projekt Zukunft/Axel Wagner

Redaktion: Marlis Schaum