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Schweres Schicksal von Ehebrecherinnen im Irak

Karin Mlodoch / Dirk Peters7. August 2006

Ehebruch ist im Irak, wie in vielen islamischen Ländern, eine Straftat, die mit Gefängnis geahndet wird. Schon der alleinige Verdacht kann für betroffene Frauen zur gesellschaftlichen Stigmatisierung führen.

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Bild: DW

Lidia trägt ein langes rotes Samtgewand und ein beige-farbenes Kopftuch. Sie ist blass und hockt eingeschüchtert in einer Ecke. Seit sechs Wochen sitzt sie bereits im Untersuchungsgefängnis von Sulaimania im kurdisch verwalteten Nordirak. In ihrer Hand hält sie ein Foto ihrer Kinder.

Selbst will sie ihre Geschichte nicht erzählen, deshalb schildert Djuan, eine Sozialarbeiterin die Geschichte der 29-Jährigen: "Mit 14 Jahren wurde Lidia an einen viel älteren, taubstummen Mann verheiratet. Später hatte sie eine Beziehung mit einem Mann, der 5 Jahre jünger war als sie." Dieser sei ein Arbeitskollege ihres Mannes gewesen und habe eine Beziehung mit der Frau begonnen. Eines Abends soll der Ehemann beide im eigenen Haus erwischt haben. Der betrogene Ehemann zeigte Lidia und ihren Liebhaber an. Daraufhin wurde sie verhaftet. Im Gefängnis bekam Lidia Kontakt zu Sozialarbeiterinnen des Frauenzentrums Khanzad, die einen Rechtsanwalt einschalteten.

Ein bis drei Jahre Gefängnis für Ehebruch

Im Irak werden verheiratete Frauen für außereheliche Beziehungen nach Paragraph 307 wegen Ehebruch bestraft, erklärt Anwalt Karzan. "Die Überlegung ist, du hast mit der Ehe einen Vertrag abgeschlossen und gegen diesen Vertrag hast du verstoßen. Das ist ein schweres Delikt, und das wird bestraft".

Bestraft wird dieses Delikt mit Gefängnis zwischen einem und drei Jahren. Karzan stellt die Strafbarkeit von Ehebruch nicht in Frage, kritisiert aber die Praxis der Verfolgung. Seiner Meinung nach solle nur der Ehemann eine Anzeige erstatten können, ansonsten habe die Polizei kein Recht sich einzumischen. Das ist im Gesetz zwar auch so vorgesehen, sei in der Praxis aber anders. Die Frauen werden auch von Nachbarn, Schwägern und anderen anzeigt und von der Polizei verfolgt. Einmal in Haft, kämen die Frauen da nicht so leicht wieder raus. "Dann wird der Mann gerufen, und dann wird die Frau automatisch zur Angeklagten, der Mann zum Ankläger und die Nachbarn zu Zeugen", berichtet Karzan.

Drohungen und Ehrenmorde

In Lidias Fall ist der Ehebruch bewiesen. Unterstützung aus der Familie könnte sie vor einer Haftstrafe bewahren. Aber das Gegenteil ist der Fall, sagt die Sozialarbeiterin Djuan. "Die ganze Familie hat Lidia bedroht. Wir bringen sie um, haben sie gesagt!", erzählt Djuan. Die Sozialarbeiterinnen hätten immer wieder Kontakt zum Vater gesucht, doch dieser sei stur geblieben. Nur Lidias Bruder konnten die Frauen von Khanzad umstimmen, aber auch dieser hat Angst.

Ehrenmorde an Frauen kommen nicht nur auf dem Land, sondern auch in den großen Städten immer wieder vor. Das Frauenzentrum Khanzad, das sich der Betreuung inhaftierter Frauen angenommen hat, bringt die Betroffenen deshalb in ein Frauenhaus. Die Frauen werden dann einige Monate von ihrem Umfeld ferngehalten, bis eine Lösung mit der ganzen Familie ausgehandelt ist. Dann können die Frauen eventuell wieder ins Vaterhaus zurückkehren, "aber nur, wenn ihre Brüder und der Vater vor Gericht unterschrieben haben, dass sie die Frau nicht umbringen werden", wie Rezan Toufiq vom Frauenzentrum erklärt.

In der augenblicklichen Situation hat Lidia keine Wahl. Sie bleibt - was häufiger vorkommt - freiwillig im Gefängnis, weil es für sie keinen anderen Ort gibt, an dem sie vor der Morddrohung aus ihrer Familie sicher wäre.