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Schwere Vorwürfe gegen türkische Baufirmen

25. Oktober 2011

Nach dem schweren Beben im Osten der Türkei hat Ministerpräsident Erdogan den dortigen Behörden und Baufirmen verbrecherisches Verhalten vorgeworfen. Der Beton mancher zerstörter Gebäude sei wie Sand zerfallen, sagte er.

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Bagger in Gebäudetrümmern (Foto: AP)
Viele Häuser zerbröselten beim Erdbeben wie SandBild: dapd

Den schmerzlichen Preis hätten die Menschen drinnen bezahlt, kritisierte Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch (26.10.2011) in Ankara. Der Regierungschef räumte ein, dass die staatliche Hilfe am ersten Tag nach dem Beben unzureichend gewesen sei. Mittlerweile liefen die Hilfseinsätze aber kontrolliert. Der Regierungschef versprach, "in kurzer Zeit" in der betroffenen Gemeinde Van eine neue Stadt zu errichten.

Fast drei Tage nach dem schweren Erdbeben haben die Behörden die Zahl der Todesopfer weiter nach oben korrigiert. Nach Angaben des Krisenstabs in Ankara kamen mehr als 460 Menschen ums Leben, über 1350 wurden verletzt. Die Behörden korrigierten zudem die Zahl der zerstörten Häuser auf rund 2300.

Auch Israels Hilfe ist willkommen

Angesichts des Ausmaßes der Zerstörungen nimmt die Türkei nun doch Hilfsangebote aus dem Ausland an. Die Regierung fragte bei den mehr als 30 Ländern, die ihre Unterstützung angeboten hatten, um Hilfe für eine Erstversorgung der Bebenopfer nach, wie ein Vertreter des Außenministeriums mitteilte. Unter anderem würden Notunterkünfte wie Zelte und Container benötigt. Ministerpräsident Erdogan hatte zunächst erklärt, die Türkei komme ohne internationale Hilfe aus.

Auch auf das israelische Hilfsangebot will die Türkei jetzt eingehen. Israel kündigte an, eine Luftbrücke in das Katastrophengebiet im Südosten der Türkei einzurichten. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel waren zuletzt auf einem Tiefpunkt.

Zelte reichen nicht aus

Rettungshelfer setzten unterdessen die Suche nach möglichen Überlebenden und Toten fort, doch die Chancen schwinden mit jeder Stunde. Die Behörden warnten davor, beschädigte Häuser zu betreten, weil diese bei den zahlreichen Nachbeben noch einstürzen könnten.

Notunterkünfte für die Erdbebenopfer (Foto: dapd)
Die Zelte reichen nicht für Zehntausende Menschen, die obdachlos geworden sindBild: dapd

Zehntausende Menschen sind obdachlos geworden. Nachdem viele von ihnen mehrere Nächtet bei eisiger Kälte im Freien und ohne Zelte verbringen mussten, wurde Kritik an dem Rettungseinsatz lauter. Der türkische Rote Halbmond verstärkte zwar seine Hilfsbemühungen und schickte Tausende Zelte ins Krisengebiet, doch reichen jene bei weitem nicht aus. Die Menschen stehen Schlange, um Hilfsgüter zu erhalten. Teilweise gab es Schlägereien bei der Verteilung von Zelten.

Das Erdbeben hat in anderen Teilen der Türkei eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Die Zeitung "Sabah" berichtete einige Unternehmen schickten Wasser und Kleidung in die Erdbebenregion. Auch gab es in türkischen Städten Kleidersammlungen für die Erdbebenopfer.

Baby lebend aus Trümmern geborgen

Aus den Trümmern geborgen: ein zwei Wochen altes Baby (Foto: dapd)
Aus den Trümmern geborgen: ein zwei Wochen altes BabyBild: dapd

Hoffnung gab den Rettungskräften ein "kleines Wunder": Ein rund zwei Wochen altes Baby, seine Mutter und seine Großmutter wurden lebend aus den Trümmern geborgen. "Es ist gesund und wird leben", sagte der zuständige Arzt in der am stärksten verwüsteten Stadt Ercis. Das Baby sei unterkühlt gewesen und kam in einen Brutkasten.

"Es ist unbezahlbar, jemanden lebend zu finden. All meine Erschöpfung ist vorüber", freute sich der Leiter des Rettungsteams, Oytun Gulpinar. Die Hoffnung auf weitere Überlebende schwand wegen der Kälte zunehmend. Im Verlauf der Woche soll es auch noch schneien.

Gefängnisrevolte in Erdbebenregion

Vielerorts herrscht infolge des Bebens Chaos. In der stark betroffenen Stadt Van brach eine Gefängnisrevolte aus. Aus dem Gebäude schlugen Flammen und Schüsse waren zu hören. Ein Soldat sagte, die Insassen hätten die Wärter mit Scheren und Messern angegriffen. Einem Mitarbeiter der Stadt zufolge legten sie auch das Feuer. Etwa 200 Insassen sollen das Chaos direkt nach dem Beben am Sonntag zur Flucht genutzt haben.

Autorin: Gerd Winkelmann/Naima El Moussaoui (dpa, afp, rtr)

Redaktion: Hajo Felten