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Weg aus der Krise?

Zhang Danhong31. August 2012

Der Streit über die Rolle der EZB in der Eurokrise spitzt sich zu. Soll sie Staatsanleihen kaufen oder nicht? Ein Vorschlag deutscher Wirtschaftsforscher könnte ein Ausweg sein.

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Die Hessische Schuldenuhr (Foto: dpa)
Symbolbild Schuldenbremse Haushalt ARCHIVBILDBild: picture-alliance/dpa

In der ganzen Diskussion über die Auswege aus der Euro-Schuldenkrise herrscht kein Mangel an kühnen Zukunftsvisionen. Ob "Vereinigte Staaten von Europa" oder ein Europa nach dem Vorbild der Schweizer Eidgenossenschaft - alles wird gedacht. Doch konkrete Lösungsvorschläge, wie man aus dem Schlamassel herauskommt, sind rar. Manche rufen die Europäische Zentralbank (EZB) als den letzten Retter aus. Aber "die Finanzierung der Staatsverschuldung durch die Zentralbank gehört zu den Todsünden, die eine Zentralbank machen kann", warnt Wolfgang Franz, der Chef der deutschen Wirtschaftsweisen.

Zumindest könnte damit die Brandmauer um die Eurozone höher gezogen werden, um Spekulanten abzuschrecken. Auf den ersten Blick keine schlechte Idee. Bedenkt man aber, wie schwer sich die Parlamente der Geberländer mit dem neuen Rettungsschirm ESM tun, so rückt eine noch höhere Rettungssumme in weite Ferne.

Dann sind da noch die Eurobonds, die garantiert alle Spekulationen über den Euro zumindest für eine Zeit lang verscheuchen würden. Leider hat Kanzlerin Angela Merkel mit der Aussage, dass es die Eurobonds zu Ihren Lebzeiten nicht geben werde, das Todesurteil über die gemeinsamen Anleihen bereits ausgesprochen.

Eurobonds light

Bleibt nur der Schuldentilgungspakt, eben der Vorschlag des deutschen Sachverständigenrats, der aus fünf respektierten Ökonomen besteht und der die Bundesregierung berät. Kern dieser im Herbst vergangenen Jahres geborenen Idee ist, die Schulden der Euro-Staaten, die über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen, in einen Fonds mit gemeinsamer Haftung auszulagern. Das Volumen läge im Moment bei 2,3 Billionen Euro. Den größten Batzen von 950 Milliarden trüge Italien bei. Deutschland würde mit 580 Milliarden folgen. Diese Summe würde in Form gemeinsamer Anleihen an den Kapitalmärkten eingesammelt. Mit der Tilgung hätten die Länder 20 bis 25 Jahre Zeit.

Der Vorsitzende des Sachverstaendigenrates (SVR), Wolfgang Franz (v.r.n.l.), sowie die Mitglieder des SVR, Peter Bofinger, Lars Feld, Christoph Schmidt und Beatrice Weder di Mauro (Foto: dapd)
Die Idee des Sachverständigenrats liegt seit Herbst 2011 auf dem TischBild: dapd

Der Charme dieses europäischen Schuldentilgungspakts besteht darin, dass er sowohl zeitlich als auch volumenmäßig begrenzt ist. Folglich würde er die Solidarität der soliden Euro-Länder nicht überstrapazieren wie die Eurobonds.

Mehr Luft zum Atmen für die verschuldeten Länder

Für die überschuldeten Länder würden die Zinsen deutlich sinken. Für Spanien und Italien, die im Moment für zehnjährige Anleihen zwischen sechs und sieben Prozent Zinsen zahlen, würde ein solcher Tilgungsfonds eine enorme Entlastung für den Haushalt bringen. Deutschland und andere Euro-Länder mit guter Bonität müssten etwas höhere Refinanzierungskosten in Kauf nehmen, was aber lediglich eine Rückkehr zur Normalität bedeuten würde. Denn dass sie derzeit immer weniger Zinsen für langjährige Anleihen aufbringen müssen, verdanken sie einer Verzerrung der Anleihenmärkte durch die Schuldenkrise.

Der größte Vorteil eines solchen Pakts wäre jedoch, dass den schuldengeplagten Ländern Zeit gegeben würde, nötige Strukturreformen anzupacken und wirken zu lassen. Denn es kann Jahre dauern, bis Reformen Früchte tragen - Zeitspannen, die den Finanzmärkten fremd sind.

Immer mehr Unterstützer

Bei so vielen Vorteilen wundert es nicht, dass der Schuldentilgungspakt immer mehr Anhänger findet: Von den deutschen Oppositionsparteien über die so genannten Südländer plus Frankreich bis zum Internationalen Währungsfonds. Warum kann sich nur die Bundesregierung nicht für den Vorschlag ihrer eigenen Berater begeistern? Als Begründung für die Ablehnung werden europa- und verfassungsrechtliche Bedenken angeführt. Schließlich würde dann für die Altschulden gemeinschaftlich gehaftet, was der No-bail-out-Klausel der Maastrichter Verträge widerspricht. Ein schwaches Argument, wenn man bedenkt, dass mit Griechenland-Rettungspaketen, EFSF und ESM bereits mehrfach gegen diese Klausel verstoßen wurde. Vielleicht sperrt sich die Bundesregierung gegen den Tilgungspakt, weil es sie zu viel Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung kosten würde und ihr eine Lösung durch die EZB bequemer erscheint.

Dagegen ist die Kritik einer anderen prominenten Stimme nicht taktischer, sondern prinzipieller Natur. Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchtet, dass durch den Tilgungsfonds die gemeinsame Haftung vor einer effektiven Kontrolle eingeführt wird. Er halte es für besonders wichtig, "dass man sich auf dieses Abenteuer der Gemeinschaftshaftung nur dann begibt, wenn man wirklich Sicherheit darüber hat. Und Sicherheit kann man nur dann haben, wenn man auch Durchgriffsrechte hat."

Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann (Foto: dapd)
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat VorbehalteBild: dapd

Drei Sicherungen führen zum Ziel

Für die betroffenen Länder heißt das: Abgabe der fiskalischen Souveränität. Und das wollen vor allem die überschuldeten Länder nicht. Liegt der Verdacht nicht nahe, dass Defizitsünder wieder einmal alles versprechen und dann doch ihren Schlendrian von anderen finanzieren lassen würden, wenn der Tilgungsfonds eingeführt würde? So viel Naivität sollte man den Wirtschaftsweisen nicht unterstellen. Drei Sicherungen hätten sie in den Pakt eingebaut: "Erstens: Jedes Land muss in seine nationale Verfassung eine Schuldenbremse einführen", erläutert Wolfgang Franz. Die zweite Sicherung bestehe darin, dass die Tilgung durch einen Aufschlag auf eine nationale Steuer erfolgen müsse und die Einnahmen dann direkt in den Tilgungsfonds fließen würden. Wenn ein Schuldner dennoch nicht tilgt, verliert er sein Gold. Denn die beteiligten Länder verpfänden ihre Währungsreserven samt Goldbeständen - das sieht die dritte Sicherung vor. 

Wolfgang Franz vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Foto: dpa)
Chefwirtschaftsweiser Wolfgang Franz wirbt für seine IdeeBild: picture-alliance/dpa

Auch das sei keine Garantie, dass sich die Länder an die Verträge halten, räumt er ein. Doch "wer die EZB als Retter ablehnt, wer höhere Brandmauern nachvollziehbar für unrealistisch hält, wer Eurobonds ablehnt, der muss uns dann sagen, was bitte dann", sagt der Chef-Wirtschaftsweise.