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Schnelle und überlegte Lösung der Kosovo-Frage nötig

14. Juni 2007

US-Präsident George W. Bush hat am 10. Juni erstmals Albanien besucht – und sprach sich dort für eine baldige Unabhängigkeit des Kosovo aus. Verica Spasovska kommentiert den bemerkenswerten Besuch.

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Dem amerikanischen Präsidenten ist es gelungen, ein Thema auf die Tagesordnung zu heben, das seit Monaten auf die lange Bank geschoben wird: Die Kosovo-Frage ist in der Tat eine "tickende Zeitbombe" für die Europäische Union. Der amerikanische Präsident tut gut daran, dieses ungelöste, aber existenzielle Thema der Europäer wieder auf den grünen Tisch der Politik zurückzuholen. Je länger der politische Schwebezustand anhält, desto größer wird die Sprengkraft dieses Konflikts. Denn unter der albanischen Bevölkerung wächst die Unzufriedenheit, die Arbeitslosigkeit - besonders unter der Jugend - steigt zusehends.

Internationale Gemeinschaft in Zeitnot

Dass die Zeit drängt, hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G8-Treffen in Heiligendamm zu Recht angemerkt. Eine Lösung des Konflikts könne durchaus misslingen, so hatte sie es formuliert, wenn man die Zeit verstreichen ließe und einfach nichts tue. Dann könnte sich vielleicht ein ähnlicher Gewaltausbruch wie im Frühjahr 2004 wiederholen, der damals durch die albanische Bevölkerung angezettelt wurde. Eskaliert die Gewalt erst einmal, dann wird es schwer für die westlichen KFOR-Truppen, beim einhergehenden Militäreinsatz nicht diskreditiert zu werden.

Russischer Machtpoker

Seit zwei Jahren wird auf der internationalen Bühne über die Zukunft des Kosovo verhandelt, ein Vorschlag von UN-Sondervermittler Martti Ahtisaari liegt auf dem Tisch. Doch trotz wiederholter Bemühungen, die Konfliktparteien zu einer Lösung zu führen, sind die Gespräche gescheitert. Über ein Jahr lang wurde unter internationaler Vermittlung diskutiert. Blockiert wird eine Lösung insbesondere durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der eine Vereinbarung fordert, mit der alle Parteien leben können.

Putin verweist darauf, dass die Verschiebung von Staatsgrenzen als Präzedenzfall für andere ähnliche Konfliktregionen gelten könnte. Nicht nur Tschetschenien, sondern auch das Baskenland und Katalonien werden in diesem Zusammenhang immer gern erwähnt. Aber selbst, wenn das russische Veto Balsam auf der Seele manch eines serbischen Politikers sein mag, die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass Moskau bei aller Nähe zu Belgrad mit dem Westen nicht wirklich in Konflikt geraten will. Gepokert wird nun vor allem, um sich als eine Weltmacht zu präsentieren, ohne die keine wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen werden können.

Mut zur Wahrheit

Das Kosovo ist jetzt schon de facto unabhängig, wenn auch unter internationaler Verwaltung. Wäre es möglich, den Staatenbund wiederzubeleben, der seit acht Jahren keine Bedeutung mehr hat? Ganz pragmatisch betrachtet, ist Serbien schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, für das Kosovo zu sorgen, geschweige denn, die dort grassierende Kriminalität einzudämmen. Offenbar geht es den serbischen Politikern vor allem um Gesichtswahrung gegenüber der eigenen Bevölkerung. Besser wäre es allerdings, den Mut aufzubringen, der eigenen Bevölkerung die Wahrheit zu sagen.

Hoffnungsträger euro-atlantische Integration

Gewiss birgt das Vorpreschen des amerikanischen Präsidenten die Gefahr, dass ein Wettlauf um die Anerkennung des Kosovo einsetzt, der den Westen auseinanderdividieren könnte. Das sollte die EU – gerade nach den negativen Erfahrungen zu Beginn der Jugoslawien-Krise Anfang der 1990er Jahre – keinesfalls zulassen. Dennoch ist es keine Lösung, eine Entscheidung weiterhin auf die lange Bank zu schieben.

Die einzige Chance liegt wohl darin, sowohl Serbien als auch dem Kosovo bei konstruktivem Verhalten Aussicht auf eine bessere Zukunft innerhalb der europäischen Familie zu bieten. Das Angebot an Serbien, Mitglied in der NATO und der EU zu werden, sollte deshalb in Belgrad nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Verica Spasovska
DW-RADIO/Südosteuropa, 12.6.2007, Fokus Ost-Südost