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Blutige Steine

Manfred Götzke5. November 2007

Um Blutdiamanten aus dem Handel zu verbannen, wurde vor vier Jahren ein Kontrollsystem eingeführt. Zwar sind nun tatsächlich weniger Diamanten im Umlauf, die Kriege finanzieren - doch sind die übrigen Steine sauber?

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Minenarbeiter im Nordosten von Sierra Leone (Juni 2004, Quelle AP)
Schürfen für eine Schale Reis am Tag - Arbeiter in Sierra LeoneBild: AP

Spätestens seit der Hollywoodfilm "Blood Diamond" Anfang 2007 in den Kinos lief, haftet dem edelsten aller Steine ein Schmuddel-Image an. Der Film zeigt, welche verhängnisvolle Rolle der Handel mit Diamanten im Bürgerkrieg in Sierra Leone Ende der 90er-Jahre spielte. Mit Diamanten konnten die Kriegsparteien damals Waffen kaufen, wurde der Krieg am Leben erhalten. Acht Jahre später herrscht in Sierra Leone wieder Frieden, im Kongo und in Angola zumindest so etwas Ähnliches.

Kinderarbeiter in Sierra Leone (Juni 2003, Quelle: DPA)
In vielen Minen in Sierra Leone und im Kongo arbeiten KinderBild: dpa

Aber sind Diamanten damit wieder eine Ware wie jede andere geworden? Diese Frage stellt sich ab Montag (5.11.2007) in Brüssel, wenn Diamanten produzierende Staaten, Händler und Nichtregierungsorganisationen über das Geschäft mit den edlen Steinen und dessen Kontrolle diskutieren. Der Händlerverband der Diamantindustrie in Antwerpen jedenfalls ist überzeugt, dass Blutdiamanten der Vergangenheit angehören. "Das Problem der Blutdiamanten gab es Ende der 90er-Jahre, und es war auf Afrika beschränkt", sagt Verbandspräsident Freddy Hanard. Damals seien vier Prozent der weltweit verkauften Diamanten Konfliktdiamanten gewesen, heute weniger als ein Prozent. "Das heißt, das System funktioniert."

Gütesiegel Kimberley

Das System heißt Kimberley und ist ein Kontrollverfahren, das von Regierungen, Diamantenindustrie und Nicht-Regierungsorganisationen entwickelt wurde. Vor sieben Jahren wurde in der südafrikanischen Stadt Kimberley zum ersten Mal über ein solches System debattiert, drei Jahre später wurde es offiziell eingeführt. Die Beteiligten kontrollieren gemeinsam den Handel mit den wertvollen Steinen. Auf den legalen Markt sollen so nur Diamanten kommen, die mit einem Zertifikat ausgestattet sind, das ihre einwandfreie Herkunft bezeugt.

"Jedes Diamantenpaket, das nach Antwerpen kommt, wird kontrolliert. Und zwar nicht nur nach der Herkunft, sondern auch, ob der Preis angemessen ist", sagt Verbandsfunktionär Hanard. "Transparenz ist eine absolute Notwendigkeit. Das haben die Diamantenhändler heute verstanden. Und ein Diamant aus Antwerpen ist ein ethisch korrekter Diamant."

Keine unabhängige Kontrolle

Nichtregierungsorganisationen zweifeln an der Transparenz des Systems. "Es gibt noch viel nachzubessern", sagt Anne Jung von der Organisation Medico International, die sich seit einigen Jahren für einen fairen Handel mit Diamanten einsetzt. "Das Problem ist, dass es keine unabhängigen Überwachungsmechanismen gibt." Die Regierungen der produzierenden Staaten vergeben die Zertifikate, ob die Diamanten aber tatsächlich in sauberen Minen oder auch nur im selben Land abgebaut werden, ist damit längst nicht gesagt.

Diamantenmine in Botswana (Archiv, Quelle: Stefanie Duckstein)
Diamantenmine in Botswana: hier profitiert die Bevölkerung von den RohstoffenBild: DW / Duckstein

Hat ein Diamant erst einmal das Kimberly-Siegel, müssten die Händler nicht weiter belegen, ob der Stein tatsächlich sauber ist. "Es ist immer die mühsame Arbeit von Organisationen wie unserer nachzuweisen, dass Diamanten Blutdiamanten sind." Jung fordert daher ein unabhängiges Überwachungssystem und sie fordert Sanktionen, falls Staaten gegen das Abkommen verstoßen. Für einen zahnlosen Tiger hält sie Kimberley aber dennoch nicht: "Der Anteil der Blutdiamanten ist heute tatsächlich viel geringer. Und das liegt auch daran, dass durch Kimberley überhaupt auf dieses Thema aufmerksam gemacht wurde."

"Sklavenartige Bedingungen"

Das größte Problem besteht für die Nichtregierungsorganisationen jedoch darin, dass der Kimberleyprozess allein den Handel mit Diamanten kontrolliert. Der Abbau der Edelsteine bleibt außen vor. Jung war für ihre Organisation im April in Sierra Leone, ein Land, dem seine reichen Diamantenvorkommen eher zum Verhängnis wurden, statt für Wohlstand zu sorgen. "Auch wenn der Bürgerkrieg dort vorbei ist - von Friedensdiamanten kann man nicht sprechen."

Die Menschen arbeiteten in manchen Minen unter sklavenartigen Bedingungen, erzählt sie, zum Teil nur für eine Schale Reis am Tag. Auch sind in vielen Minen Kinder beschäftigt. Von den Gewinnen am Geschäft profitiere die Bevölkerung kaum. In Sierra Leone zahlten Konzerne, die die meisten Minen ausbeuten, nur drei Prozent Steuern, dem Staat bleibe von den Rohstoffen nur ein kleiner Teil. "Das Problem sind häufig die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft. Viele Politiker haben selbst Schürflizenzen und sind an hohen Steuern nicht interessiert."

Die Mehrheit geht leer aus

Nur eine Minderheit in Sierra Leone profitiert von dem Reichtum, die Mehrheit ist perspektiv- und arbeitslos. "Das ist eine Sitution wie in den 90er-Jahren, kurz vor Beginn des Bürgerkrieges", sagt Thomas Siepelmeyer. Er ist selbst im Diamantengeschäft, doch ihm gehen die Kimberley-Richtlinien nicht weit genug. 1999 gründete der Geologe, der lange Jahre als Entwicklungshelfer in Afrika gearbeitet hat, ein Unternehmen für fairen Edelsteinhandel.

18-karätiger Diamant im Wert von 480.000 Euro (Archiv, Quelle: dpa)
Die Kunden achten zunehmend darauf, woher ihr Schmuckstück kommtBild: PA/dpa

Seine Steine kauft er ausschließlich direkt beim Produzenten. Das sind kleine Produzenten: Familien oder Kooperativen, die in ihrem Dorf Diamanten abbauen. "Kinderarbeit lehnen wir ab und das kontrollieren wir auch. Die Sicherheit, dass ein Stein wirklich sauber ist, hat man nur, wenn man eine Verbundenheit zum Produzenten hat, ihm vertrauen kann." Da Siepelmeyer auf Zwischenhändler verzichtet, bleibt für die Arbeiter in den Minen mehr übrig, seine Diamanten kann er dennoch zu üblichen Marktpreisen anbieten.

Faire Steine laufen gut

Siepelmeyers Konzept geht auf. Wie bei Kaffee und Kleidung interessieren sich auch bei edlem Geschmeide immer mehr Kunden dafür, unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. In diesem Jahr ist der Umsatz seines Unternehmens stark gestiegen. Auch große Schmuckketten wie Cartier und Tiffany wollen in den fairen Handel einsteigen, auch ihnen geht das Kimberley-Abkommen nicht weit genug. "Der Markt wird eng und das Image der Diamanten hat doch sehr gelitten. Es ist den Kunden heute bewusst, dass das Geschäft kein so glitzernd sauberes ist, wie es die Schmuckstücke verheißen mögen."