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Rüge für Ponta

Christoph Hasselbach18. Juli 2012

Die EU-Kommission hat kein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit Rumäniens. Kommissionspräsident Barroso wirft Ministerpräsident Ponta schwere demokratische Verstöße vor.

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Manuel Barroso rückt seine Brille zurecht (Foto: Reuters)
Manuel Barroso kritisiert Rumänien scharfBild: Reuters

Erst vergangene Woche war der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta in Brüssel und hatte zugesichert, alle Bedenken der Kommission zu dem politischen Streit in seinem Land auszuräumen. Manuel Barroso zollte Ponta an diesem Mittwoch (18.07.2012) dafür zwar Respekt. Doch sein Urteil fiel ungewöhnlich hart aus. Was sich in Rumänien derzeit abspiele, "hat unser Vertrauen erschüttert. Die rumänische Regierung sei gegen richterliche Entscheidungen vorgegangen, habe das Verfassungsgericht untergraben, etablierte Prozesse aufgehoben und entscheidende Kontrollmöglichkeiten abgeschafft". All das habe "die Zusage, den Rechtsstaat zu achten, in Zweifel gezogen".

Barroso tadelte weiter, parteipolitische Auseinandersetzungen könnten keine Rechtfertigung dafür sein, demokratische Prinzipien auszuhebeln, und zählte konkrete Dinge dazu auf: "Politiker dürfen nicht versuchen, Richter vor einer Entscheidung einzuschüchtern oder Richter zu kritisieren, wenn diese Urteile fällen, die ihnen nicht gefallen. Die Kompetenzen eines Verfassungsgerichts dürfen nicht über Nacht verändert werden." Der Sozialdemokrat Ponta betreibt seit Monaten, und zum Teil per Eilverordnung, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den konservativen Präsidenten Traian Basescu. Um es zu beschleunigen, hatte sich Ponta auch über das Verfassungsgericht hinweggesetzt.

Charme-Offensive gescheitert

Barrosos Schelte zeigt: Der Brüssel-Besuch von Victor Ponta und das, was er bisher getan hat, hat die Kommission alles andere als überzeugt. Rumänien sei "einen Schritt vom Abgrund zurückgetreten", meinte Barroso jetzt, "mehr nicht". Die Umsetzung stehe weiter aus. Barroso habe bis Ende des Jahres einen weiteren Bericht in Auftrag gegeben, der zeigen werde, "ob unsere Bedenken bezüglich Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz ernstgenommen wurden."Für die Kommission stehen die aktuellen politischen Ereignisse in Rumänien für eine allgemeine Situation, die sich auch im jetzt veröffentlichten jüngsten sogenannten Fortschrittsbericht widerspiegelt. Hintergrund ist, dass Rumänien und Bulgarien zwar seit 2007 zur EU gehören. Doch damals hatten einige Mitgliedsstaaten große Bedenken. Deswegen überwacht die Kommission den rechtsstaatlichen Werdegang beider Länder regelmäßig. Vor allem nimmt sie dabei die Themen Korruption und Unabhängigkeit der Justiz unter die Lupe. Und wie schon zuvor, in den vergangenen fünf Jahren, kommt sie auch jetzt wieder zu dem Schluss, dass beide Länder zwar Fortschritte gemacht hätten, diese reichten aber noch nicht aus. Der Reformprozess sei noch "nicht nachhaltig und unumkehrbar."

Ponta in Brüssel mit Parlamentspräsident Martin Schulz (Foto: Reuters)
Ponta in Brüssel mit Parlamentspräsident Martin Schulz.Bild: Reuters

Ein Schengen-Beitritt in weiter Ferne

Bei diesem verheerenden Zeugnis dürfte Rumänien vorerst keine Chance haben, aus dem demütigenden Überwachungsverfahren entlassen zu werden. Auch der gewünschte Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum kommt damit wohl auf absehbare Zeit nicht infrage. Das Schengen-Thema hat zwar nicht unmittelbar mit dem Ergebnis der Fortschrittsberichte zu tun. Die Berichte bilden aber die Grundlage für die Entscheidung der anderen Mitgliedsstaaten, ob Rumänien und Bulgarien reif für Schengen sind. Zeigt das alles nicht, dass Rumänien und Bulgarien 2007 gar nicht hätten aufgenommen werden dürfen? Ein Kommissionssprecher wies das heute zurück. Er argumentierte, nur durch die EU-Mitgliedschaft habe man überhaupt die rechtliche Handhabe, Einfluss auf die politische Lage zu nehmen. Doch die rechtsstaatlichen Überwachungen scheinen auf Rumänien und Bulgarien begrenzt zu bleiben. Denn der Kommissionssprecher sagte, für das nächste EU-Mitglied Kroatien sei dieser Prozess nicht vorgesehen. In Bukarest und Sofia dürfte das den Eindruck verstärken, Rumänien und Bulgarien würden benachteiligt.