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Politik

Schlag- und Funklöcher am Standort Deutschland

12. September 2019

Knapp 30 Milliarden Euro sind 2020 für Verkehr und Digitales eingeplant. Es ist der drittgrößte Posten im Haushalt. Trotzdem gibt es marode Straßen und viele Orte ohne Internet. Warum nur? Sabine Kinkartz berichtet.

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Symbolbild Deutschland Internetausbau
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gabbert

5G, so heißt der Mobilfunkstandard, der im digitalen Bereich neue Welten eröffnet. Er ist rund 100 Mal schneller als der aktuelle LTE-Standard der vierten Mobilfunk-Generation. Autonom fahrende Autos brauchen 5G, aber auch Maschinen, die miteinander kommunizieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jetzt angekündigt, dass der neue Standard bis 2022 entlang aller Autobahnen in Deutschland zur Verfügung stehen soll und zwei Jahre später auch entlang der Bundesstraßen. Ob das klappen wird?

Einen massiven Ausbau des Internets hatte die Bundesregierung schon 2014 in ihrer digitalen Agenda versprochen. Bis 2018, so hieß es da, sollte jeder deutsche Haushalt einen Breitband-Internetanschluss haben, also mit 50 Mbit/s surfen können. Diese Geschwindigkeit braucht man, um zumindest einen Film ruckelfrei streamen zu können. Tatsächlich sind heute nur in großen Städten wie Berlin, Hamburg, Köln oder Frankfurt mehr als 95 Prozent der Haushalte entsprechend versorgt. Auch beim Mobilfunk sieht es mau aus. Mit einem Smartphone kann man in vielen Gegenden Deutschlands kaum etwas anfangen.

Wie peinlich ist das?

"In 40 Prozent der Städte und Gemeinden Deutschlands gibt es Funklöcher", wetterte der linke Bundestagsabgeordnete Viktor Perli am Donnerstag in der Haushaltsdebatte des Bundestags. "Das ist doch peinlich für eine Wirtschaftsnation wie Deutschland." Tatsächlich liegt Deutschland bei der flächendeckenden Verfügbarkeit von 4G/LTE im europäischen Vergleich hinter Polen und Albanien. Das geht aus einer Studie hervor, die das Aachener Beratungsunternehmen P3 Ende 2018 im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion erstellt hat.

Infografik Deutschlandatlas Breitband DE

Während in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz fast alle Netzbetreiber einen LTE-Anteil von mehr als 90 Prozent anbieten, kommt die Deutsche Telekom gerade einmal auf 75 Prozent. Vodafone sei mit einem Anteil von 57 Prozent bereits deutlich abgeschlagen. Das LTE-Netz von Telefónica stand nicht einmal bei der Hälfte der analysierten Datensätze zur Verfügung.

Jagd auf die Funklöcher

Weil die Politik sie nicht daran hinderte, haben die Mobilfunkkonzerne lange Zeit nur dort investiert, wo es sich wirtschaftlich für sie lohnt. Das ist in den Städten der Fall, aber nicht in dünnbesiedelten ländlichen Gebieten. Dort häufen sich die sogenannten weißen Flecken, also Gegenden mit mangelhaftem Empfang. Übersichtlich dargestellt sind sie auf einer digital verfügbaren Karte der Bundesnetzagentur. Die Karte wird unter anderem mit Daten gefüttert, die Bürger mit ihren Handys über eine Funkloch-App liefern.

Deutsche Funklöcher

Diese App wurde vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur initiiert. "Wir eröffnen die Jagd auf die weißen Flecken", freute sich Andreas Scheuer vor einem Jahr. Inzwischen, so sagte er jetzt im Bundestag, seien mit den Mobilfunkanbietern Verträge abgeschlossen worden, damit diese die Ausbauverpflichtungen "endlich" erfüllten. Ein großes Problem sei aber, dass es vor Ort bei den Bürgern in der Regel erheblichen Widerstand gegen den Bau von Sendeanlagen gebe. Endlose Gespräche und Genehmigungsverfahren seien die Folge.

Es fehlen Kapazitäten

Bauverzögerungen gibt es auch, weil vor Ort gar nicht so viele Planer, Baufirmen und Fachkräfte zur Verfügung stehen, wie für den Ausbau nötig wären. Das gilt nicht nur für den Breitbandausbau, sondern auch für die Instandhaltung und den Ausbau der Verkehrswege. Marode Straßen, bröckelnde Brücken und sanierungsbedürftige Schienen sind Alltag in Deutschland.

BdT Schlagloch Minigolf
Mit "Schlagloch-Minigolf" protestieren Bürger in Offenbach gegen marode StraßenBild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Jahrzehntelang wurde zu wenig investiert. Nach der Schulden- und Finanzkrise in den neunziger Jahren hatte der Abbau der staatlichen Neuverschuldung lange Priorität. Für den Straßenbau blieb da wenig übrig. Die Folge: In Baufirmen, aber auch in den öffentlichen Planungsabteilungen wurden die Kapazitäten abgebaut, die man jetzt gut brauchen könnte. Nötige Investitionen wurden aufgeschoben und haben sich gewaltig aufgestaut.

Verpflichtende Investitionen?

Die Grünen würden das gerne ändern. Sie fordern, der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse eine Investitionsklausel zur Seite zu stellen. Damit soll der Staat verpflichtet werden, entsprechend seiner Wirtschaftskraft regelmäßig zu investieren. Doch die Grünen regieren nicht und so schnell würde ein Investitionsfonds auch nichts ändern.

Deutschland Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Bundestag
Verkehrsminister Andreas Scheuer (li.) mit Bundesfinanzminister Olaf ScholzBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Geld steht im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nämlich genug zur Verfügung. Es ist der drittgrößte Posten im Bundeshaushalt. Knapp 30 Milliarden Euro soll das Ministerium 2020 bekommen, zwei Prozent mehr als in diesem Jahr. Fast 18 Milliarden Euro sollen in den Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen, in das Schienennetz, aber auch in den Breitbandausbau fließen. Das ist ein neuer Rekord.

Viel Geld bleibt liegen

Rekordverdächtig sind aber auch die Summen, die im Verkehrsministerium regelmäßig am Ende des Jahres übrig sind. Länder und Kommunen rufen die Gelder nicht ab, weil sie sie nicht verbauen können. Das ist seit Jahren so. Für den anvisierten 5G-Ausbau sind das keine guten Prognosen. Wo sollen die Planungs- und Baukapazitäten dafür so schnell herkommen?

Der Bundesverband der deutschen Industrie warnt zudem davor, dass die politischen Fehler, die beim 4G-Ausbau gemacht wurden, sich wiederholen könnten. Es gebe bei 5G zwar Ausbauverpflichtungen für schnellen Mobilfunk entlang von Autobahnen oder Bahnstrecken. "Das Grundproblem ist damit aber nicht gelöst, wie vor allem ländliche Regionen besser versorgt werden können", so BDI-Präsident Dieter Kempf.