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Kinder-Schauspielschulen

Udo Taubitz20. November 2006

Viele Kinder wollen Schauspieler werden. Blitzkarrieren in Daily Soaps verleiten zu dem Irrglauben, das sei ganz leicht. Doch oft sind die Kleinen vor der Kamera überfordert. Kinder-Schauspielschulen bieten Hilfe an.

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Filmszene aus 'Charlie und die Schokoladenfabrik'
Filmszene aus 'Charlie und die Schokoladenfabrik': Johnny Depp und viele NachwuchstalenteBild: picture-alliance/dpa

Ein fensterloser Raum in einem Hinterhofhaus. Zwei Mädchen streiten sich um ein Mobiltelefon. "Hast Du mein Handy geklaut?" - "Nein! Nein, das würde ich doch niemals tun!" - "Ja klar, dann zeig mal bitte!" Auf dem Stundenplan der Kinderschauspielschule in Köln steht heute das Thema "Wut". Fünf Mädchen und ein Junge spielen paarweise kleine Szenen, die sie sich selbst ausgedacht haben. Die Kids auf der Bühne sollen sich streiten und wütend werden. Aber immer wieder fangen sie an, zu kichern. "Es ist manchmal schwierig, den Ausdruck richtig zu zeigen, und dabei nicht zu lachen." Felicitas ist neun Jahre alt und bekommt schon seit zwei Jahren Schauspielunterricht. Wenn sie groß ist, möchte sie am liebsten in Musicals auftreten.

40 Leute und ein Kind

Immer mehr Kinder in Deutschland träumen von einer großen Karriere im Rampenlicht. Casting-Shows im Fernsehen verleiten sie zu der Annahme: Das ist alles ganz easy, ich stell mich einfach vor die Kamera und mache los, und dann werde ich entdeckt. Aber wenn man sich deutsche Filme ansieht, spielen die Kinder darin oft ziemlich schlecht. "Meiner Meinung nach sind Kinder nur dann schlecht, wenn sie überfordert sind", erzählt Hella Peperkorn, die Leiterin der Kinderschauspielschule TASK in Hamburg. Das passiert, "wenn die Kinder an einen Filmset kommen und 40 Leute stehen drum herum, und sie wissen nicht genau: was muss ich tun, wo muss ich hin, was muss ich als erstes machen?"

250 Nachwuchstalente im Alter von 6 bis 19 bekommen in Hamburg derzeit das Handwerkszeug für Theater und Film. Auf dem Stundenplan stehen Stimm- und Sprachschulungen, Körperbeherrschung, Wahrnehmungsübungen und Bühnenpräsenz. Eineinhalb Stunden dauert der Unterrichtet, einmal die Woche nach der normalen Schule. Das ist nicht viel, und hier gibt's auch keinen strengen Drill wie in den Talentschmieden Hollywoods. Trotzdem werden die Schüler von Produktionsfirmen gerne gebucht. Bekannte Kinderserien wie "Die Pfefferkörner" oder Krimiserien wie "Tatort" drehen regelmäßig mit Kinderdarstellern von TASK. Der 12-jährige Philip stand letztes Jahr sogar mit Johnny Depp vor der Kamera, für die Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers "Charlie und die Schokoladenfabrik".

Erste Liebe und Drogen

Ganz billig ist das Schauspieltraining nicht: 70 Euro pro Monat. Wer Eltern hat, die das bezahlen können, hat nicht nur bessere Chancen für einen Einstieg in den Darstellerberuf, sondern kann auf der Bühne spielerisch seinen Horizont erweitern. Die erste Liebe oder der erste Kontakt mit Drogen. Neue Bereiche, die aus dem Erwachsenenleben herüberwehen und das Kind faszinieren. Die Kinder können hier einfach schon mal ein bisschen älter sein und Neuland spielerisch betreten.

Manchen Kindern sitzen auch ehrgeizige Mütter im Nacken, die ihre Kleinen groß raus bringen wollen. Doch die meisten Eltern sehen in der Schauspielerei eine kreative Freizeitbeschäftigung für ihre Kinder - besser als Computerspiele. "Was mir besonders gut gefällt ist, dass ihre Aussprache einfach besser geworden ist", erzählt die Mutter von Felicitas. "Und dass sie gelernt hat, vor vielen Menschen zu reden. Das ist auch gut für die Schule."

Schau mir in die Augen, Kleines!

Die Szenen, die die Kinder spielen, werden auf Video aufgenommen. Anschließend gucken sich alle zusammen das Video an: Hab ich laut genug gesprochen? Kommen die Gefühle richtig rüber? Was sagt meine Körpersprache? Bei Trainerin Michaela Prina soll aber niemand auf Knopfdruck weinen. "Gerade bei der Kamera-Arbeit ist mir wichtig, dass die Kinder oft gar nicht so viel tun müssen, sondern die Dinge ganz direkt meinen. Und das ist manchmal schwierig zu erklären. Der erste Schritt ist, dass sie sich getrauen, dem anderen in die Augen zu gucken."

Felicitas und Vivian gelingt das am Schluss ganz gut, bei ihrem Streit ums Handy. Und auch wenn es mit der Schauspielerkarriere nicht klappen sollte - wenigstens hatten sie eine Menge Spaß.