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Schatten über dem Getty-Museum

16. November 2005

Ein großer Prozess wegen illegalen Handels mit antiken Kunstschätzen hat am Mittwoch (16.11.2005) in Rom begonnen. Hauptangeklagte ist die ehemalige Kuratorin des weltberühmten Getty-Museums in Los Angeles.

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Antikes Stück zurück in ItalienBild: AP

Marion True soll nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft über Jahrzehnte hinweg zahlreiche antike Kunstwerke im Wert von 20 Millionen US-Dollar gekauft haben, obwohl sie gewusst habe, dass diese aus illegalen Grabungen in Italien stammten. Bei einer Verurteilung drohen

ihr und dem mitangeklagten Kunsthändler Emanuel Robert Hecht bis zu acht Jahre Haft.

"Plünderungen"

Experten in Rom sprechen von einem "Musterprozess", der richtungweisend für ähnliche Streitigkeiten weltweit sein könnte. Nach den Worten von Kulturminister Rocco Buttiglione geht es darum, dass "Plünderungen" italienischer Kunstschätze rückgängig gemacht werden sollen. "Was dem italienischen Volk gehört, muss ihm zurückgegeben werden", hatte der Kulturminister in der vergangenen Woche gesagt.

Getty Center in Los Angeles von Architekt Richard Meier Paul Getty Museum
Getty Center in Los AngelesBild: AP

Kunstexperten meinen, es handele sich um den ersten ganz großen Prozess, in dem weltweit anrüchige Geschäfte mit antiker Kunst ans Licht kämen. Bisher habe es stets an konkreten Beweisen gemangelt, den Handel durch Mittelsmänner und dunkle Kanäle zweifelsfrei nachzeichnen zu können. Diesmal aber lägen der Staatsanwaltschaft präzise Aufzeichnungen von Händlern vor. "Wir haben kistenweise Dokumente, die erdrückendes Beweismaterial liefern", meinten die Ankläger vor Prozessauftakt. Die Ermittlungen dauerten rund zehn Jahre. "Ein großer internationaler Krimi", kommentierte die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" kürzlich.

Aus Raubgrabungen in den Kunsttempel?

Bei den insgesamt über 30 Kunstwerken soll es sich vor allem um antike römische, griechische und etruskische Skulpturen, Amphoren und Vasen handeln, die vor allem aus Raubgrabungen um den Vesuv und auf Sizilien stammten und über Mittelsmänner verkauft worden seien. Zudem ist der in der Schweiz lebende Kunsthändler Emanuel Robert Hecht mitangeklagt. Das Getty Center in Los Angeles gilt als einer der reichsten und modernsten Kunst-Kathedralen der Welt, in dem Teile der Sammlung des kalifornischen Ölmagnaten J. Paul Getty (1892-1976) zu sehen sind.

Marion True
Marion TrueBild: AP

Am Mittwoch ging es zunächst lediglich um Verfahrensfragen. Unter anderem wurde die Region Sizilien als Zivilkläger akzeptiert. Auch die 57-jährige Ex-Getty-Kuratorin True erschien vor Gericht. Der Prozess war bereits im Juli formell eröffnet, aber sofort wegen fehlender Übersetzungen der Klageschriften verschoben worden. Insgesamt sind 200 Zeugen in Rom vorgeladen.

Fundstücke zurückgegeben

Das Getty-Museum hat bereits im Vorfeld mehrere Fundstücke an Italien zurückgegeben. Als "Zeichen des guten Willens" gab das Getty-Museum schon 1999 fünf archäologische Funde an Italien zurück, kürzlich nochmals drei weitere Funde. Zugleich teilte das Museum aber mit, es sei davon überzeugt, dass der Prozess mit Freispruch endet. Sollte das Gericht True jedoch für schuldig befinden, bewusst Kunstwerke dubiosen Ursprungs gekauft zu haben, wäre dies eine Sensation: Zum ersten Mal würde eine Verantwortliche eines berühmten amerikanischen Museums wegen Hehlerei verurteilt. (sams)