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Lokführer angeklagt, aber vorerst frei

29. Juli 2013

Mindestens 79 Tote - das ist die schreckliche Bilanz des Zugunglücks von Santiago. Der Lokführer räumt laut Medienberichten ein, unvorsichtig gewesen zu sein. Nun ist offiziell Anklage gegen ihn erhoben worden.

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Der Zugführer in Polizeigewahrsam (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Der Lokführer des in Spanien verunglückten Schnellzuges ist wegen fahrlässiger Tötung in 79 Fällen angeklagt worden, ist aber unter Auflagen bis zum Prozessbeginn wieder auf freiem Fuß. Das teilte der zuständige Untersuchungsrichter in der Nacht zum Montag nach einer Vernehmung des Beschuldigten mit. Laut Medienberichten gab der 52-Jährige zu, dass er den Zug zu schnell in die Kurve fuhr, in der dann der verheerende Unfall geschah.

Eisenbahnchef: Sicherheitssysteme des Zuges waren intakt

Alles spricht dafür, dass der Zug am Abend des 24. Juli statt mit den erlaubten 80 mit rund 190 Stundenkilometern in die Kurve kurz vor der Ortseinfahrt von Santiago de Compostela hineingeraste. Die ersten Ermittlungsergebnisse hierzu decken sich mit den Einschätzungen von Eisenbahnexperten. Diese hatten bereits nach Bekanntwerden der Filmaufnahmen von dem Unglück erklärt, die Art und Weise, wie die Lok und die Waggons ausgebrochen seien, lasse keine andere Erklärung für die Unglücksursache zu. Das Unfallmuster sei eindeutig.

Der Moment des Zugunglücks - - festgehalten von einer Überwachungskamera (Foto: reuters)
Der Moment des Zugunglücks - festgehalten von einer ÜberwachungskameraBild: Reuters

Der Chef der Eisenbahngesellschaft, Julio Gomez-Pomar, nannte Spekulationen, die Sicherheitssysteme des Zuges seien unzureichend gewesen, "wenig sinnvoll". "Soweit wir wissen, war der Zug in einem perfekten Zustand, als er seine Fahrt begann", sagte er der Zeitung "ABC". Der Chef der Eisenbahninfrastruktur-Behörde Adif, Gonzalo Ferre, belastete den Zugführer schwer. Dieser hätte den Bremsvorgang gemäß den Sicherheitsvorschriften schon vier Kilometer vor der Unfallstelle beginnen müssen, sagte Ferre.

Spanien trauert nach Zugkatastrophe

"El Mundo" kritisiert Sicherheitsvorgaben

Die spanische Zeitung "El Mundo" druckte ein Foto des Routenplans ab, den alle Lokführer für die Unglücksstrecke bekommen. Daraus geht hervor, dass die Eisenbahner keine genauen Bremsvorschriften bekommen und zudem nicht - wie von Ferre behauptet - schon vier Kilometer vor der Unfallkurve abbremsen müssen. Im Gegenteil: Sie dürften nach dem Plan bis zu einem Streckenpunkt, der nur 300 Meter vor der Tempo-80-Kurve liegt, mit 220 Kilometern pro Stunde fahren, so die Interpretation des Streckenplans durch "El Mundo". Es sei "erstaunlich", dass es dem Fahrer selbst überlassen bleibe, wann genau er den Zug abbremst, um die Kurve zu schaffen, schrieb die Zeitung.

"Eine kleine Unachtsamkeit des Lokführers, der auch ein gesundheitliches Problem gehabt haben kann, hätte also ausgereicht, um die Katastrophe auszulösen", meint "El Mundo", die im Leitartikel das Sicherheitssystem an der Kurve "A Grandeira" als "zu plump" kritisiert. Unter anderem auch deshalb, weil an der Unglücksstelle sich der Übergang von Hochgeschwindigkeits- auf iberische Normalstrecke befindet und dort daher anstatt der modernen ERTMS-Tempokontrolle das ASFA-Signalsystem zum Einsatz kommt - das den Zug bei Überschreiten der Geschwindigkeit nicht immer automatisch abbremst.

Die Zahl der Todesopfer hatte sich am Sonntag auf 79 erhöht. Noch 70 Personen befinden sich im Krankenhaus, 22 davon sind weiter in einem kritischen Zustand. Der Lokführer wurde bei dem Unfall leicht verletzt.

Zum Gedenken an die Opfer der Katastrophe soll am Montagabend in Santiago de Compostela ein Trauergottesdienst stattfinden. Zu den Feierlichkeiten in der Kathedrale des galizischen Wallfahrtsortes werden auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy und Kronprinz Felipe erwartet.

qu/kis ( dpa, afp, rtr)