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Der Fußball am Limit

1. Oktober 2020

Bundesliga, Champions und Europa League sowie die Nationalelf: Die Saison 2020/21 ist wegen der Corona-Pandemie enger getaktet als sonst. Das bringt große Mehrbelastungen mit sich. Doch das ist nicht das einzige Problem.

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DFB Pokal Finale | Bayer Leverkusen vs. Bayern Munich
Bild: Getty Images/A. Hassenstein

Christian Seifert drückte sich deutlich aus: Der DFL-Chef sprach von einem "brutalen Terminkalender", mit dem der Fußball in die Saison 2020/21 geht. Die Saison ist mit DFB-Pokal und Bundesliga Mitte September etwa einen Monat später als üblich gestartet. Die Regenerationszeit war - gerade für die Spitzenteams wie Triple-Sieger Bayern München - deutlich kürzer als sonst. Auch weil die Vorsaison aufgrund der Corona-Unterbrechung viel länger dauerte als üblich. Statt Mitte Juni endete diese erst im August. Die nun gestartete Spielzeit soll aber dennoch pünktlich enden.  

Mehr als 50 Spiele in gut acht Monaten 

Am Beispiel Bayern München wird diese große Belastung sichtbar. Mit Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League und der Klub-WM, die im Dezember in Katar stattfinden soll, muss der Rekordmeister zwischen Mitte September 2020 und Mitte/Ende Mai 2021 in Abhängigkeit davon, wie weit das Team in den Pokalwettbewerben kommt, mehr als 50 Spiele absolvieren. Länderspiele, die die meisten der Bayern-Profis zusätzlich absolvieren, sind noch nicht eingerechnet. "Wir bewegen uns hier im Grenzbereich der körperlichen Belastung. Die entscheidende Frage ist: Spielt der Spieler jedes Spiel und vor allem jedes Spiel durch?", sagt Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln der DW.

Der Sportmediziner sieht in der Fußball-Saison 2020/21 grundsätzlich eine Belastung im Grenzbereich: "Es gibt hier kaum noch Möglichkeiten, über die Trainingssteuerung für Entlastung zu sorgen. Weil die Intervalle zu klein sind und die Regenerationszeiten auch bei Spielern mit guter Regeneration zu kurz sind. Über 50 Spiele oder mehr konstant Leistung zu bringen ist für einen Fußballer in diesem Zeitraum kaum möglich", so Bloch: "Das Problem ist: Es braucht eine extrem gute Trainings-, Belastungs- und Regenerationssteuerung, die alle zusammenhängen und sich in diesem engen Rahmen gegenseitig im Weg stehen." 

	DFL-Supercup | FC Bayern München - Borussia Dortmund
Nie verletzt, spielt immer: Bayern-Dauerbrenner Joshua Kimmich (r.)Bild: Christof Stache/AFP/Getty Images

Auch für Spieler, die als zuverlässige Dauerbrenner gelten, wie etwa Bayerns Joshua Kimmich, sei das Niveau absolut kritisch. "In letzter Konsequenz ist es so, dass die Athletik-Trainer Spieler rausnehmen werden und mehr rotiert werden wird. Das werden wir sehen", sagt Bloch, der im Bezug auf den Rekordmeister ein weiteres Problem sieht. "Der aktuelle Kader ist für das Belastungsniveau extrem klein."  

Nadelöhr Champions League

Aus Sicht des Mediziners gibt es aber einen noch kritischeren Punkt: "Das größte Problem ist, dass es keine richtige Vorbereitung gegeben hat. Das wird man im Laufe dieser Saison sehen. Sobald das Belastungsniveau hoch wird, wie bei den Bayern in Hoffenheim, sieht man die fehlende Substanz, die aus der fehlenden Vorbereitung resultiert", analysiert Bloch. Auch dies ein Beleg für die möglicherweise fatale Doppel-Wirkung der verkürzten Saison 2020/21 und der verspätet abgeschlossenen Vorsaison.

Und die Problematik der hohen Belastung ist bei weitem nicht die einzige. Nachdem alle großen europäischen Fußball-Ligen unter Ausschluss oder Teilausschluss von Zuschauern gestartet sind, soll am 21. Oktober auch die Champions League beginnen. Doch im Gegensatz zu den nationalen Ligen, die mit ihren Hygienekonzepten bislang erfolgreich unter Pandemiebedingungen spielen, ist die Infektionssituation für den paneuropäischen Wettbewerb absolut kritisch.

Champions League Finale 2020 Paris vs Bayern München
Champions-League-Finale vor leeren Rängen: Bayern - PSG im August in LissabonBild: Imnago Images/P. Schatz

Im Gegensatz zur Champions-League-Endrunde der Saison 2019/20, die zentral unter Beachtung eines Hygienekonzeptes in Portugals Hauptstadt Lissabon ausgetragen wurde, will die UEFA die Gruppenphase der anstehenden Champions League wie gewohnt austragen. Das bedeutet für die Teams mitunter Reisen in Hochrisikogebiete. Neben den Gesundheitsaspekten sind aber auch andere Dinge problematisch. So könnten Spiele in Hochrisiko-Gebieten unmittelbare Folgen auch für den Spielbetrieb in den nationalen Ligen haben. 

"Tatsächlich fehlen noch die rechtlichen Voraussetzungen, um diese Spiele überhaupt austragen zu können", sagte Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wenn wir am Mittwoch in der Champions League in einem Risikogebiet antreten, was wahrscheinlich bei mehr als der Hälfte der beteiligten Großstädte der Fall sein wird, dann sollten die Grundlagen dafür geschaffen sein, dass wir anschließend samstags in der Bundesliga wieder spielen dürfen."

Unterschiedliche Regelungen

Michael Zorc | Sportdirektor BVB
Kritischer Blick auf die geplante Champions League: BVB-Sportdirektor Michael ZorcBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Zorc spricht damit die noch nicht eindeutig geregelten Quarantäne-Regelungen an. Noch weiß niemand, ob und wenn ja wie lange ein Team, das beispielsweise aus dem Hochrisikogebiet Budapest nach Deutschland, England oder Spanien zurückkehrt, sich in Quarantäne begeben muss. "Vorgesehen ist, dass künftig die Quarantäne frühestens nach fünf Tagen mit einem Negativtest aufgehoben werden können soll. Ab wann aber die neuen Quarantäne-Regelungen gelten sollen, steht noch nicht fest", schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website. 

Nach der Rückkehr von einem Champions-League-Spiel könnte das also für die teilnehmenden Teams zum Problem werden. Zum einen gestalten sich die Ausgangslagen je nach  Mannschaft und Gegner unterschiedlich, zum anderen sind auch hier die Regelungen am Ende Ländersache. Es kann für den FC Bayern dann anders aussehen, als für Borussia Dortmund in Nordrhein-Westfalen. Und wieder anders kann die Regelung für RB Leipzig in Sachsen sein. 

Auch wenn die Fußball-Saison 2020/21 erfolgreich gestartet ist, ihre planmäßige Durchführung steht in vielerlei Hinsicht auf wackligen Füßen und dürfte für alle Beteiligten zu einer großen Belastungsprobe, die sich laut Christian Seifert "niemand gewünscht" hat, werden - körperlich und nervlich.

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion