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Sönke Wortmanns "Der Vorname": Ärger um Adolf

Torsten Landsberg
18. Oktober 2018

Als Thomas den Namen des ungeborenen Kindes preisgibt, hat die Idylle ein Ende. Sönke Wortmanns Filmadaption des Theaterstücks "Der Vorname" dient dieser als Lunte eines Kammerspiels: Bei Adolf hört der Spaß auf.

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Kinostart - "Der Vorname"
Bild: picture alliance/dpa/Constantin Film

Ratespiele enden manchmal weniger heiter als sie begannen. So passiert es auch den Protagonisten in Sönke Wortmanns neuem Film "Der Vorname". Thomas spannt seinen Schwager Stephan und Familienfreund René auf die Folter, als er ihnen von der Schwangerschaft seiner Freundin Anna erzählt und es um den Namen geht, den die werdenden Eltern ihrem Spross mitgeben wollen: "Ratet!"

Nach zahlreichen falschen Antworten grenzt Thomas das Feld ein, indem er den Anfangsbuchstaben preisgibt: A. Doch auch mit Alexander, Anton oder Andreas liegen die anderen daneben und langsam kippt die Stimmung. "Dann sag's halt", fordert Stephan entnervt und Thomas beugt sich: Der Sohn soll Adolf heißen.

Kammerspiel mit wechselnden Konfliktlinien

Was als gemütliches Get-together im Haus von Stephan (Christoph Maria Herbst) und seiner Frau Elisabeth (Caroline Peters) geplant war, mündet in eine Diskussion, die den Fortgang des Abends auf den Kopf stellt. Der Film basiert auf dem französischen Theaterstück "Le Prénom", das 2010 bereits in Frankreich verfilmt worden war.

Das Setting erinnert an das ebenfalls französische und 2011 mit Christoph Waltz und Jodie Foster verfilmte Theaterstück "Der Gott des Gemetzels": ein Kammerspiel, wenige Personen auf engem Raum. Mit fortschreitendem Alkoholkonsum heizt sich die Stimmung unweigerlich auf, aus den Protagonisten platzt heraus, was sich jahrelang angestaut hat, Vorbehalte und unterdrückter Ärger brechen sich Bahn, die Konfliktlinien und Bündnisse zwischen den Beteiligten wechseln ständig. Auch Martin Walsers "Zimmerschlacht" und "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" des Pulitzer-Preisträgers Edward Albee bedienen sich dieser Dramaturgie.

Helge Schneider als Adolf Hitler in dem Film "Mein Führer"
Hitler als Häufchen Elend: Helge Schneider in Dani Levys Parodie "Mein Führer"Bild: picture alliance/dpa

Der Name Adolf dient dem Verlauf des Films lediglich als Lunte, er ist im dargestellten Akademiker-Milieu eine Provokation sondergleichen. Der scheinbar arglos in die Runde geworfene Name entfaltet die Wirkung eines Molotowcocktails. Bei Adolf hört der Spaß auf. Damit reiht sich der Film in die Werke ein, die sich dem historischen Erbe der Nazizeit komödiantisch annähern.

Nach wie vor gilt es wie ein Mantra: Keine Hitler-Witze! Die können schnell nach hinten losgehen. Wenn früher Harald Schmidt oder heute Jan Böhmermann im eröffnenden Stand-up plötzlich Hitler intonieren, traut sich das Publikum nur ein verhaltenes Lachen, Hohoho statt Hahaha. Immer schwingt die Frage mit: Darf man das? Das Risiko, die Schreckensherrschaft der Nazis zu verharmlosen und ihre Verbrechen zu bagatellisieren, scheint zu groß und moralisch kaum vertretbar.

Filmplakat "Er ist wieder da" mit Oliver Masucci als Hitler
Oliver Masucci in der Romanverfilmung "Er ist wieder da"

Von Charlie Chaplin zu "Switch Reloaded"

Dabei hatte der legendäre Charlie Chaplin schon während des Zweiten Weltkriegs 1940 mit "Der große Diktator" eine Satire auf Hitler und die Nazis gedreht. Heute setzt sich die Wissenschaft mit der Frage auseinander, ob man über Hitler lachen darf. Der deutsche Kulturbetrieb hat seine Zurückhaltung im humoristischen Umgang mit der Nazizeit in den vergangenen Jahren abgelegt.

Dani Levy besetzte Helge Schneider in der Parodie "Mein Führer"; der jahrelang als Brechts Arturo Ui am Berliner Ensemble brillierende Martin Wuttke verkörperte Hitler in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds", das ZDF drehte die mit dem International Emmy Award prämierte Kurzserie "Familie Braun" und Michael Kessler persiflierte in "Switch Reloaded" die Hauptfigur der TV-Comedy "Stromberg" als Führer vom Obersalzberg.

Wie entlarvend der humoristische Brückenschlag zur Geschichte sein kann, bewies Schriftsteller Timur Vermes 2012 mit seinem Bestseller "Er ist wieder da". In der Verfilmung der Mediensatire mischte sich Oliver Masucci als erwachter Führer tatsächlich unter das Volk - und wurde bejubelt. Da bleibt dem Zuschauer das Lachen schnell im Hals stecken - ein gewünschter Reflex in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.