1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

China zeigt Stärke im All

Torsten Schäfer19. Januar 2007

China hat als erstes Land einen Satelliten abgeschossen. Die USA reagieren empört - die amerikanische Abschreckungsstrategie scheint gefährdet. Es droht ein Wettrüsten im All.

https://p.dw.com/p/9j7x
Chinesische Rakete vor dem Start
Mit einem Raketentest fordert China die USA im Weltall herausBild: AP

Peking spielt Krieg der Sterne: Wie US-Geheimdienste jetzt mitteilten, war eine Mittelstreckenrakete bereits am 11. Januar vom Raumfahrtbahnhof Xichang in Südwestchina gestartet und hatte in rund 850 Kilometer Höhe einen ausgedienten chinesischen Wettersatelliten zerstört.

Tabubruch durch Peking

Mit dem Manöver zeigt China, wie weit es seine militärischen Fähigkeiten entwickelt hat. Dies stelle "einen großen Wandel der Fähigkeiten Chinas dar", sagte Wang Chaozhi von der Luft- und Raumfahrtuniversität in Peking. Der Test kommt einem Tabubruch gleich. Denn zuletzt hatten die USA und Russland in den 1980er Jahren mit Anti-Satelliten-Systemen experimentiert. Beide Staaten vereinbarten dann aber, im Weltraum nicht weiter aufzurüsten.

Yang Liwei, erster chinesischer Astronaut im Weltraum
Fortschritte im All: 2003 startete Chinas erste bemannte RaummissionBild: AP

Japan, Kanada, Großbritannien und Australien verurteilten den Test am Freitag (19.1.) umgehend, woraufhin Peking die rein friedlichen Absichten seiner Weltraumpolitik betonte. Die lautesten Proteste kommen aber aus Washington. China hat der ganzen Welt vor Augen geführt, dass die Überwachungs- und Aufklärungssysteme der Weltmacht USA verwundbar sind. Es dürfte kein Zufall sein, dass der abgeschossene Test-Satellit genau in der Höhe flog, in der auch amerikanische Spionage-Satelliten operieren.

Gezielte Abschreckung

Der Raketen-Test dient offenkundig der Abschreckung der USA, dern Militärdoktrin vorsieht, weltweit zu einem nuklearen Erstschlag fähig zu sein. Ein gezielter Schlag wird aber erst durch vorherige Satellitenaufklärung möglich. "Mit dem Satellitenabschuss zeigt China nun, dass es keine Möglichkeit zu einem Erstschlag gegen sich zulassen will", sagt Hans Gießmann, China-Experte des Hamburger Institutes für Friedens- und Konfliktforschung. Seit den 1990er Jahren arbeitete China an dem System zur Störung der feindlichen Aufklärung, berichtet Wendell Minnick vom amerikanischen Sicherheitsmagazin "Defense News". "Die Intention ist, den Feind erblinden zu lassen."

Washingtons Ahnungen

Washington hatte bereits geahnt, dass China ein Manöver fahren würde. Vor vier Wochen hatte der US-Staatssekretär für Rüstungskontrolle Robert Joseph "eine Reihe von Staaten" davor gewarnt, "die Fähigkeit anzustreben, amerikanische Raumfahrtsysteme anzugreifen und zu vernichten." Die Drohung war an China gerichtet. Peking hatte Washington schon im Sommer 2006 gereizt, als ein amerikanischer Satellit geblendet und ausgeschaltet wurde. Peking treibt die Entwicklung seiner Weltraumpolitik rasant voran. 2003 schickte China als dritter Staat auf der Welt zwei Astronauten ins All. Das Ereignis wurde frenetisch gefeiert.

"Die Hoheit über das Weltraumprogramm hat das Militär", sagt China-Experte Gießmann. Auch deshalb ist Washington skeptisch gegenüber dem chinesischen Plan, mit Russland einen Vertrag zum Verbot von Weltraumwaffen auszuarbeiten. Er soll den Weltraumvertrag von 1967 ersetzen, der die rein friedliche Nutzung des Alls festschreibt. Washington sieht keinen Bedarf für einen neuen Vertrag. Russland und China wollen im Weltall aber neue Bedingungen schaffen, da die USA ihrer Ansicht nach dort die Aufrüstung vorantreiben – unter anderem mit dem Vorhaben, ein Raketenabwehrschild auf Satellitenbasis zu errichten, das National Missile Defense System (NMD).

Chinesische Gefahr an die Wand malen

China USA Condoleezza Rice bei Hu Jintao in Peking
Kontrahenten: US-Außenministerin Condoleezza Rice und Chinas Präsident Hu JintaoBild: AP

Um die Finanzierung des Systems zu sichern, kommt der amerikanischen Regierung der chinesische Raketentest offenbar gerade recht. Nach Ansicht von Hans Gießmann wird nun "eine chinesische Gefahr an die Wand gemalt", um Druck auf die demokratische Mehrheit im Kongress auszuüben, die die Gelder für die Raketenabwehr bewilligen muss. Das NMD ist bei den Demokraten umstritten. "Die US-Regierung dramatisiert die Lage gezielt. In Wahrheit will auch China keine Eskalation des Konflikts", sagt Gießmann. Eine Zuspitzung der Lage ist aber wahrscheinlich. Denn China zwingt mit dem Raketentest faktisch Staaten wie die USA, Russland und Japan, technologisch gleich zu ziehen.

Um ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern, müsse der aktuell gültige Weltraumvertrag erhalten bleiben, fordert Konfliktforscher Gießmann. Vor allem aber solle die internationale Gemeinschaft versuchen, das chinesische Weltraum-Programm in ein Netzwerk von Kooperationen einzubinden, das auch wirtschaftliche Anreize biete. "Nur so drängt man den Einfluss des Militärs zurück", erklärt Gießmann. "Das Wettrüsten im Weltall macht die Welt unsicherer", ergänzt der Forscher. "Noch aber haben wir Zeit, dagegen anzugehen."