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Russlands weiter Weg zur WTO

Stephan Liskowsky21. September 2002

Kirgisien ist es, Georgien ist es, das kleine Moldawien ist es seit einem Jahr auch: Mitglied der Welt-Handelsorganisation WTO. Nur Mütterchen Russland klopft seit fast 10 Jahren vergeblich an die Türen der WTO in Genf.

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Anstatt Einlass gewährt die Handelsorganisation Russland Jahr um Jahr nur Worte des Trostes: Vielleicht nächstes Jahr, heißt es gebetsmühlenartig. Unlängst erklärte der neue Generaldirektor der WTO Supachai Panitchpaki sogar auf die Frage nach einem russischen Beitritt: "Man muss etwas vorsichtig sein.“

Supachai Panitchpakdi chef Welthandelsorganisation WTO
Der Thailänder Supachai Panitchpakdi ist Chef der WTOBild: AP

Mit einem raschen Beitritt ist offensichtlich nicht zu rechnen. Dabei kann sich die Wirtschaft des größten und reichsten Land der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) auf den ersten Blick sehen lassen: starkes Wachstum, Außenhandelsüberschuss, pünktliche Schuldenzahlung. Auch der Reformkurs ist unübersehbar. Moskau ist dabei, die Einfuhrzölle zu senken und das Zoll-System zu entrümpeln. Ausländische Investoren haben heute einen leichteren Zugang zum russischen Markt als je zuvor. Amerika und die EU haben das honoriert und Russland als Marktwirtschaft anerkannt.

Willkür, Schikane, Korruption

Aber Russland ist deshalb noch lange kein Boomland. Die positiven Bilanzen der Export-Wirtschaft basieren zu 70 Prozent auf Rohstoffen, vor allem vom Öl ist Moskau abhängig. Fällt der Ölpreis einmal, gehen der russischen Staatskasse sogleich Milliarden Dollar verloren.

Darüber hinaus klagen ausländische Geldgeber trotz aller Reformen über die Willkür der Zoll- und Staatsbeamten. Mehr als 150 Kontrollbehörden schikanieren die Unternehmer, sie können ganze Lager konfiszieren oder die Produktion stoppen. Nur wer Schmiergeld bezahlt, kommt mit einem blauen Auge davon. Etwa 33 Milliarden Dollar, so schätzen Experten, bezahlen Unternehmen jährlich an korrupte Staatsdiener. Kein Wunder, dass da nur magere 0,5 Prozent aller weltweiten Auslandsinvestitionen nach Russland fließen, das Misstrauen ist schlicht zu groß.

Ein weiteres Hindernis: Zu fett sind die Gewinne einiger weniger Industriemagnaten, die von undurchsichtigen Verwaltungsstrukturen und der Vermischung von Wirtschaft und Politik profitieren. Die superreichen Oligarchen torpedieren alle Reformversuche, die Russland der WTO näher bringen würden.

Protest gegen WTO-Regeln

Vieltelefonierer Wladimir Putin im Gespräch mit dem US-Präsidenten George W. Bush
Russlands Präsident Vladimir PutinBild: AP

Aber nicht nur deshalb kann der reformwillige Präsident Putin nicht, wie er gerne möchte. Seit Jahren fordert die WTO von Russland, die Subventionen für den viel zu niedrigen Gaspreis im Inland abzubauen. Moskau lehnt ab, Putin erklärte unlängst: "Die niedrigen Gaspreise sind unser naturgegebener Vorteil." Anders ausgedrückt: Würden die Preise angehoben, wären soziale Unruhen programmiert. Als in Woronesch die Mietnebenkosten steigen sollten, zogen 25.000 Demonstranten unter roten Fahnen zum Lenindenkmal. Die Pläne verschwanden daraufhin schnell in der Schublade.

Auch anderswo regt sich Protest gegen die Regeln der WTO. Der russische Produzentenverband warnt: Entfallen weitere Importzölle, würden 40.000 Betriebe Bankrott anmelden, 30 Millionen Menschen stünden ohne Arbeit da. 2,5 Milliarden Dollar Mehreinnahmen durch den WTO-Beitritt könnten die Folgekosten kaum decken. Der Staatsduma-Abgeordnete Nikolai Charintonow bringt es auf den Punkt: "Zuerst muss die Regierung die Konkurrenzfähigkeit der inländischen Produzenten erhöhen. Vorher ist es für einen WTO-Beitritt zu früh." Es scheint also noch ein langer Weg zu sein, bis sich die Türen der WTO in Genf für Russland endlich öffnen.