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PolitikNahost

Putin besucht neue Freunde in Teheran

Monir Ghaedi
18. Juli 2022

Zwei Länder, die hart von Sanktionen betroffen sind, geben sich gegenseitig Halt: Die Reise des Kremlchefs in die Islamische Republik setzt ein Zeichen für die wachsenden Beziehungen zwischen Russland und dem Iran.

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Turkmenistan Ashgabat | Wladimir Putin und Ebrahim Raisi
Haben sich erst kürzlich getroffen: Raisi und Putin Ende Juni bei einem Gipfel in TurkmenistanBild: Iranian Presidency/Zuma/picture alliance

Es ist erst seine zweite Auslandsreise seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar: Russlands Präsident Wladimir Putin besucht den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. Genauer gesagt wird es ein Dreiertreffen, zu dem auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Teheran erwartet wird. Die Staatschefs wollen über die Lage im Bürgerkriegsland Syrien sprechen, in dem sich sowohl Iran als auch Russland und die Türkei militärisch stark engagieren.

Das Treffen bietet Moskau und Teheran, die beide unter strengen westlichen Sanktionen stehen, aber auch die Gelegenheit, ihre militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Schau zu stellen und dem Westen zu zeigen, dass sie nicht isoliert sind.

Iran liefert angeblich Drohnen an Russland

Erst am Samstag hatte US-Präsident Joe Biden seine Nahostreise beendet, bei der es auch um das iranische Atomprogramm ging. Das Weiße Haus warnte erneut, der Iran wolle bewaffnete Drohnen für den Einsatz in der Ukraine an Russland verkaufen. Teheran erwiderte, die technologische Zusammenarbeit mit Russland habe lange vor dem Krieg begonnen. Die Behauptung der USA wurde damit weder bestätigt noch dementiert.

Iranische Kampfdrohnen stehen in einem Bunker
Der Iran soll Kampfdrohnen an Russland für den Krieg in der Ukraine geliefert habenBild: Iranian Army Office/ZUMA/IMAGO

Tatsächlich haben die Islamische Republik und der Kreml inzwischen eine Basis für ihre Beziehungen gefunden, wobei Vertreter beider Länder nicht müde werden, weitere Möglichkeiten der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit auszuloten.

Inmitten der zunehmenden diplomatischen Isolation könnte ein verstärkter Handel mit Russland die iranische Wirtschaft entlasten, die seit Jahren unter den US-amerikanischen Öl- und Finanzsanktionen leidet. Russland wiederum sieht den Iran als potenziellen Waffenlieferanten, der zudem eine Handelsroute sowie Know-how bei der Umgehung von Sanktionen und beim Export von Öl bietet.

Der Ukraine-Krieg verändert die Wertschätzung

Die militärische Partnerschaft zwischen Teheran und Moskau hatte sich mit dem Ausbruch des jahrzehntelangen Konflikts in Syrien entwickelt. Es sei jedoch "vorwiegend bei einer taktischen Zusammenarbeit in Bereichen des gemeinsamen Interesses in der Region geblieben", wie Abdolrasool Divsallar, Gastprofessor für Nahoststudien an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand, der DW sagte.

Infografik: Internationaler Nord-Süd-Transportkorridor

Die konservativen Hardliner in der iranischen Führung waren schon immer bestrebt, die Beziehungen ihres Landes zu den Russen auszubauen, aber erst der Krieg in der Ukraine hat den Iran nun auch zu einem zentraleren Element in Putins Diplomatie gemacht.

Konkurrenten auf dem Energiemarkt

Im vergangenen Jahr sei der Handel zwischen den beiden Ländern um 81 Prozent gestiegen, hatte Putin festgestellt, als er sich am Rande eines regionalen Gipfels in Turkmenistan im vergangenen Monat auch mit dem iranischen Präsidenten Raisi traf. Doch die Energiepolitik belastet die Beziehungen.

"Russland und der Iran sind faktisch Handelskonkurrenten, vor allem auf dem Energiemarkt", stellt Hamidreza Azizi, Wissenschaftler an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), im DW-Gespräch fest. Derzeit scheint der Iran seinen ohnehin geringen Anteil am Energiemarkt auch noch an russisches Öl zu verlieren, das derzeit zu Discountpreisen angeboten wird.

In den vergangenen drei Monaten seien beispielsweise die monatlichen Exporte von Ölnebenprodukten von 430.000 Tonnen auf 330.000 Tonnen gesunken, sagte der iranische OPEX-Generalsekretär Hamid Hosseini noch Ende Juni gegenüber der Iranian Labor News Agency (ILNA). Und Irans größte Stahleinkäufer, darunter China und Südkorea, sind ebenfalls dazu übergegangen, verbilligten russischen Stahl zu kaufen, wie die iranische Tageszeitung "Shargh" berichtete.

Ein Einkaufszentrum in Teheran
Das Leben der Menschen im Iran wird auch von den Folgen der Sanktionen bestimmtBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Die Sanktionen beschneiden die Einnahmen des Iran enorm, weshalb die Ölexporte für das unter einer schweren Wirtschaftskrise leidende Land überlebenswichtig sind. Die Inflationsrate liegt bei mehr als 50 Prozent, und dennoch war der Iran gezwungen, seine Ölpreise weiter zu senken, um mit den russischen Preisnachlässen Schritt zu halten.

Iran und Russland sind noch keine Verbündeten

Im März hätte Russland beinahe die Wiener Verhandlungen über das Iran-Atomabkommen sabotiert, deren Abschluss einige Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft lockern könnte. Die Gespräche schienen sich im Frühjahr auf eine Einigung zuzubewegen, als russische Unterhändler verlangten, ihr Handel mit dem Iran müsse von den westlichen Sanktionen gegen Russland ausgenommen werden.

"Der Iran und Russland sind noch keine Verbündeten", betont der Mailänder Professor Divsallar. "Der Iran hat gezögert, die Invasion in der Ukraine zu verurteilen, sich dann aber wiederholt gegen den Krieg ausgesprochen, was sich deutlich von dem abhebt, was von Verbündeten erwartet wird." Teheran lehne Kriege überall auf der Welt ab, sagte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba, wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur MEHR berichtete.

Der Iran braucht Russland …

Der Iran müsse nicht Russlands Bestrebungen in der Ukraine unterstützen, um sich Moskau anzunähern, argumentiert Divsallar. Teheran habe vielmehr andere Motive für seinen prorussischen Kurs. Angesichts des Stillstands der Atomgespräche "möchte der Iran dem Westen vielleicht einfach nur zeigen, dass er eine Alternative hat, dass er einen Einfluss haben kann, der über den Nahen Osten hinausgeht".

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wird vom iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi  begrüßt
Lawrow und Raisi: Die westlichen Sanktionen haben zu einer Annäherung zwischen Moskau und Teheran geführtBild: Iranian Presidential Office/Zuma/picture alliance

Der Berliner Politikwissenschaftler Azizi bemerkt hingegen, die Annäherung zwischen dem Iran und Russland beruhe auf einer gemeinsamen Weltsicht und habe sich in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter vertieft. "Beide Länder positionieren sich gegen die Vorherrschaft der USA in den internationalen Beziehungen und teilen das Bestreben, dieser entgegenzuwirken."

Darüber hinaus hätten die Spannungen zwischen dem Iran und den westlichen Mächten seit der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979 kontinuierlich zugenommen. Diese chronischen Spannungen würden wahrscheinlich nicht so bald verschwinden, sagt Azizi, sondern höchstwahrscheinlich dazu führen, dass der Iran seinen Blick weiter nach Osten richtet.

… nur so lange, bis die Sanktionen gelockert werden

Im Gegensatz zu Azizi ist Divsallar der Meinung, eine Wiederbelebung des Atomabkommens und die damit einhergehenden Sanktionserleichterungen könnten die Beziehungen des Iran zu Russland einschränken, indem sie dem Land die Möglichkeit geben, neue Handelsbeziehungen mit dem Westen aufzubauen.

In der Russlandpolitik seien die Motive des Iran "auf seine dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisse und den Mangel an Alternativen zurückzuführen", sagte Divsallar. "Der Iran kann seine Beziehungen zu östlichen Mächten wie Russland nicht aufgeben, solange es im Westen keine Alternativen gibt."

Aus dem Englischen adaptiert von Rolf Breuch.