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Russland gegen Greenpeace

Roman Goncharenko26. September 2013

Mehrmals protestierte Greenpeace gegen russische Ölbohrungen in der Arktis. Jetzt griffen russische Grenzer sogar zu Waffen, um Aktivisten fernzuhalten. Den Umweltschützern droht nun jahrelange Haft.

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Vor einem Gericht in der nordrussischen Hafenstadt Murmansk auf der Halbinsel Kola begannen an diesem Donnerstag (26.09.2013) Anhörungen in einem Strafverfahren gegen Greenpeace-Aktivisten. 30 Umweltschützern aus mehr als zehn Ländern wird Piraterie vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft. Zunächst werden manche Aktivisten zwei Monate in Untersuchungshaft verbringen, entschied das Gericht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die anderen ebenso lange festgehalten werden.

Wie in einem Bond-Film

Es geht um einen Vorfall, der sich Mitte September 2013 an der Ölbohrplattform "Priraslomnaja" in Nordpolarmeer abgespielt hat. Der russische Energiekonzern Gazprom fördert dort seit 2011 Öl. Die Reserven werden von der russischen Seite auf 70 Millionen Tonnen geschätzt.

Das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise (Foto ITAR-TASS/ Greenpeace press service)
Die Arctic SunriseBild: Denis Sinyakov/Greenpeace

Greenpeace will Russland dazu bewegen, die Bohrungen zu stoppen, um die Umwelt nicht zu gefährden. Bei einer Aktion am 18. September schossen russische Grenzschützer in die Luft - zunächst aus einer Bordkanone, dann mit Maschinengewehren. Zwei Aktivisten wurden festgenommen, als sie versuchten, von einem Schnellboot aus auf die Ölplattform zu klettern.

Einen Tag später entwickelten sich die Ereignisse wie in einem James-Bond-Film. Russische Spezialeinheiten seilten sich von Hubschraubern auf das niederländische Greenpeace-Schiff "Arctic Sunrise" ab. Der Eisbrecher wurde gekapert und nach Murmansk bugsiert. Die Besatzung wurde festgenommen und wegen "bandenmäßiger Piraterie" angeklagt.

"Unheimlich absurd"

Caroline von Gall beschreibt die Vorwürfe als "unheimlich absurd". Von Gall ist Professorin am Institut für Ostrecht an der Kölner Universität und ist vertraut mit russischen Gesetzen. "Der Piraterieparagraph sieht vor, dass das Ganze auf einem Schiff sein muss", sagt von Gall. Außerdem müsse den Beschuldigten vorgeworfen werden, dass es ihnen "um die Aneignung von Eigentum oder Besitz ging", so von Gall. Schließlich gebe es eine dritte Bedingung, um den Umweltaktivisten Piraterie vorwerfen zu können: "Das Ganze muss unter Gewalt oder Androhung von Gewalt passiert sein." Vom Tatbestand her sei das nicht gegeben, sagt von Gall. Sie kritisiert auch das Kapern und Abschleppen des Greenpeace-Schiffs nach Murmansk. Der Vorfall zeige, dass russische Behörden "das Recht nur als Mittel der Einschüchterung verwenden", sagt die Kölner Professorin.

Die Umweltschützer selbst bestreiten die Verwürfe. Das Schiff "Arctic Sunrise" habe sich zwar in der ausschließlichen Wirtschaftszone Russlands, allerdings in internationalen Gewässern aufgehalten, sagte der Deutschen Welle Christoph van Lieven von Greenpeace-Deutschland. Das harte Vorgehen gegen seine Organisation hält er für unangemessen. Van Lieven erklärte die Ereignisse mit dem Wunsch Russlands, Greenpeace und andere Aktivisten "von friedlichen Protesten abzuhalten und ein Exempel zu statuieren". Auch Ksenija Wachruschewa, Projektleiterin bei der Umweltorganisation "Bellona" aus St. Petersburg, kritisiert das Vorgehen der russischen Behörden gegen Greenpeace. "Man versucht ihnen ein Verbrechen vorzuwerfen, das sie nicht begangen haben", sagte Wachruschewa im Gespräch mit der DW. Sie hält die russische Reaktion für unangemessen.

Inzwischen hat sogar Präsident Wladimir Putin von den Vorwürfen der Behörden Abstand genommen. Umweltschützer seien "keine Piraten", sagte Putin auf der internationalen Arktis-Konferenz in der nordrussischen Stadt Salechard am Mittwoch (25.09.2013). Der Kreml-Chef warf Greenpeace jedoch vor, das Völkerrecht gebrochen und die Arbeiter der Ölplattform in Gefahr gebracht zu haben. Rückendeckung bekommt Putin von manchen russischen Fachleuten. Die Ölplattform "Priraslomnaja" sei ein besonders gefährliches Objekt, sagte der Seefahrt-Experte Michail Woitenjko in einem Interview für den Online-Fernsehsender "Doschd". Greenpeace habe gezielt eine gefährliche Situation provozieren wollen, so Woitenko.

Präsident Wladimir Putin (Foto: REUTERS/Alexey Druzhinin/RIA Novosti/Kremlin)
Präsident Wladimir Putin wirft Greenpeace vor, das Völkerrecht gebrochen zu habenBild: Reuters

Harte Strafen möglich

Der Vorfall in Russland ist nicht der erste in der Kampagne gegen Bohrungen in der Arktis, die Greenpeace seit 2012 fährt. Russland erhebt Anspruch auf einen Großteil des arktischen Festlandsockels. Dort werden große Vorkommen fossiler Energieträger vermutet. So will Russland nach offiziellen Angaben bis 2020 jährlich 86 Milliarden Kubikmeter Gas und 26,6 Millionen Tonnen Öl in der Artkis fördern.

Greenpeace warnt vor möglichen Katastrophen und will die Förderung stoppen. Es hat in Russland bereits mehrere Aktionen gegeben. So protestierten als Polarbären verkleidete Umweltschützer immer wieder in Moskau. Im Sommer 2012 versuchten Aktivisten wie jetzt auf die Ölbohrplattform "Priraslomnaja" zu kommen und wurden mit Wasserwerfern gestoppt.

Ob die festgenommenen Aktivisten nun wirklich zu harten Strafen verurteilt werden, ist unklar. Die Kölner Rechtsexpertin von Gall schließt nicht aus, dass zumindest einige für etwa fünf Jahre hinter Gitter kommen könnten. "In Russland haben die Behörden sehr viel Spielraum", sagt von Gall und erinnert an den Fall der Punk-Band "Pussy Riot". 2012 wurden drei junge Frauen wegen einer umstrittenen Aktion in einer Moskauer Kathedrale zu zwei Jahren Haft verurteilt. Nach den Protesten gegen den Kreml in den letzten Jahren erlebe Russland "eine extrem repressive Phase", sagt von Gall. Dass es sich bei dem Vorfall mit Greenpeace nicht nur um russische Staatsbürger, sondern meist um Ausländer handelt, spiele keine Rolle, so von Gall: Lange Untersuchungshaft und harte Strafen seien durchaus möglich.