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KonflikteUkraine

Faktencheck: Droht Russlands Präsident Putin mit Atomwaffen?

18. November 2024

In den sozialen Medien werden Videos verbreitet, in denen Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen droht. Angeblich als Reaktion auf eine Entscheidung von US-Präsident Joe Biden. Stimmt das?

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Handy-Screenshot mit Putin
Hat er gedroht? Russlands Präsident PutinBild: X

Medienberichten zufolge hat der scheidende US-Präsident Joe Biden der Ukraine den Einsatz von ATACMS-Raketen (Abkürzung für Army Tactical Missile System) gegen Ziele tief im russischen Staatsgebiet erlaubt. Diese Raketen haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern und sollen den ukrainischen Streitkräften zur Verteidigung gegen russische und nordkoreanische Truppen in der westrussischen Grenzregion Kursk dienen. Zwar hat das Pentagon und der Nationale Sicherheitsrat der USA die Berichte noch nicht bestätigt, in den sozialen Medien werden aber bereits mehrere Videos mit Aussagen von Putin verbreitet, die angeblich eine direkte Antwort auf Bidens Ankündigung darstellen.

Behauptung: "BREAKING: Wladimir Putin kündigte soeben den Einsatz von ATOMWAFFEN an, wenn eine Rakete oder eine Drohne auf Russland abgefeuert wird oder wenn diese Waffen russisches Territorium erreichen sollten", behauptet ein X-Nutzer in einem Post, der bereits fast fünf Millionen Mal angezeigt und über 10.000 Mal geteilt wurde. Dabei teilt er ein Video des in der EU gesperrten russischen Staatssenders RT mit dem Auftritt von Wladimir Putin.

DW-Faktencheck: Irreführend.

Mit einer Bilderrückwärtssuche lässt sich feststellen, dass das Video und das Statement Putins nicht als Antwort auf Bidens jüngste Raketen-Entscheidung entstanden ist. Der gepostete RT-Bericht ist fast zwei Monate alt und zeigt einen Ausschnitt aus der Sitzung der russischen Ständigen Kommission des Sicherheitsrats zur nuklearen Abschreckung vom 25. September 2024.

Bei diesem Treffen wurde beschlossen, die bestehende russische Doktrin zum Einsatz von Nuklearwaffen anzupassen.  Die Liste militärischer Bedrohungen, gegen die Atomwaffenzur Abschreckung genutzt werden können, solle erweitert werden, so Putin damals: "Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf etwas anderes lenken: In der aktualisierten Fassung des Dokuments wird vorgeschlagen, dass eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Kernwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Kernwaffenstaates, als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden sollte."  In der Sitzung wurde immer wieder auch die Möglichkeit eines Präventivschlags diskutiert. Die alte Doktrin erlaubte ausschließlich den Einsatz von Atomwaffen als Gegenschlag. 

Dieses Video ist nicht das einzige, das aktuell auf der X-Plattform als angebliche Reaktion Putins auf Bidens Entscheidung verbreitet wird. So wird beispielsweise in einem weiteren viralen Videopost auf X behauptet, Putin hätte gesagt, Russland sei "nun offiziell im Krieg mit der NATO". Doch auch dieses Video mit der Aussage von Putin stammt vom 12. September 2024. Damals kommentierte Putin in Sankt Petersburg die mögliche Entscheidung westlicher Staaten, den Einsatz von Waffen mit größerer Reichweite in Russland durch die Ukraine zu erlauben. Dabei warnte er, dass eine Zustimmung des Westens zu einem solchen Schritt "die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und europäischer Länder am Krieg in der Ukraine" bedeuten würde. 

Infografik Atomwaffen-Standorte Russland DE

Nach den neuesten Meldung über die Raketenfreigabe für die Ukraine gab es bisweilen noch keine Reaktion von Wladimir Putin persönlich. Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Maria Sacharowa, hat lediglich an frühere Stellungnahmen vom Kremlchef verwiesen, unter anderem die Aussage vom 12. September. Der Kremlsprecher Dmitrij Peskow sprach am Montag, den 18. November, in Moskau von "einer neuen Windung der Eskalationsspirale". Auch er verwies auf dieselbe Aussage Putins: "Flugaufgaben in diese Raketensysteme kann eigentlich nur das Militärpersonal der NATO-Länder eingeben. Ukrainisches Militärpersonal kann es nicht tun. Deshalb geht es nicht darum, dem ukrainischen Regime zu erlauben oder nicht zu erlauben, Russland mit diesen Waffen anzugreifen. Es geht um die Entscheidung, ob NATO-Staaten direkt in einen militärischen Konflikt verwickelt sind oder nicht".

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin