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Russland: Kirche will stärkere Beteiligung am Schulunterricht

21. Februar 2008

Religion könnte in den Lehrplänen der russischen Schulen bald noch breiteren Raum einnehmen. Das Bildungsministerium in Moskau prüft derzeit ein neues Konzept zur Einführung "religiöser Erziehung" an den Schulen.

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Patriarch Aleksej II.Bild: AP

In Diskussionen über Religionsfreiheit in Russland wurde im vergangenen Jahr immer wieder auf das Fach "Grundlagen der orthodoxen Kultur" hingewiesen, das seit dem Jahr 2007 Teil der Lehrpläne russischer allgemeinbildender Schulen ist. Vor Beginn des Schuljahres am 1. September 2007 wurde noch heftig darüber gestritten, ob in einem weltlichen, multikonfessionellen Staat die Schüler auf diese Weise an die Kirche gebunden werden dürften. Noch vor Ablauf dieses Schuljahres haben orthodoxe Priester nun eine weitere Initiative vorgelegt.

Moskauer Patriarchat will Jugend erziehen

Der Leiter des Forschungsinstituts "Sowa", Aleksandr Werchowskij, meint, das Moskauer Patriarchat wolle noch größeren Einfluss auf die Schulbildung und damit auch auf die Ansichten und Einstellungen der jungen Russen nehmen. "Das Bildungsministerium prüft bereits Vorschläge der Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche, genauer gesagt des Metropoliten Klement, der sich mit der geistigen und moralischen Erziehung von Schülern befasst. Vorgeschlagen wird, einen eigenen Unterrichts-Block einzuführen", sagte Werchowskij.

Der Unterschied zur bisherigen Herangehensweise sei, so der Experte, dass bisher nicht gefordert wurde, Religion zu unterrichten, sondern dass lediglich von der Verbreitung kultureller Kenntnisse gesprochen worden sei. "Jetzt geht es darum, sich direkt um die Erziehung der Jugend zu kümmern. Mir scheint, dass dies die Einführung von Religion an den Schulen sein soll", betonte Werchowskij. Der Experte des Instituts "Sowa" meint, in erster Linie sollten sich die Eltern um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, erst dann die Schule und die Priester.

Verstoß gegen Religionsfreiheit?

Das Konzept, das vom Moskauer Patriarchat vorgeschlagen wird, widerspricht nach Werchowskijs Ansicht nicht nur dem Prinzip der Religionsfreiheit. Der Forscher sieht weitere mögliche Probleme: "Ich habe das Konzept gelesen und kann sagen, dass es politisch gesehen absolut korrekt ist. Dort heißt es, Schüler würden auf freiwilliger Basis am Unterricht teilnehmen, und wenn eine Gruppe von 12 Personen zustande komme, könnten Zusatzstunden angeboten werden. Aber uns ist klar, dass die Praxis anders sein wird."

In der Praxis wird es nach Ansicht des Experten beispielsweise wie in Inguschetien aussehen. Dort würden die Grundlagen des Islam unterrichtet, und alle Schüler würden islamisch erzogen. Und in Belgorod, wo nur die Orthodoxie unterrichtet werde, würde dies auch in Zukunft so bleiben. "Leider wird man dies mit keinen Konzepten mehr ändern können", sagte Werchowskij.

Schnelle Einführung erwartet

Weiter macht der Experte darauf aufmerksam, dass ihm unklar sei, warum gerade Kirchenvertreter die Kinder unterrichten sollten. "Bisher gab es diesen Unterricht überhaupt nicht, und in so kurzer Zeit kann man keinen guten Lehrplan erarbeiten. Es ist klar, dass man entsprechende Kenntnisse auch schlecht vermitteln kann. Dann wäre es allerdings besser, es überhaupt nicht zu machen", so Werchowskij. Der Experte geht aber davon aus, dass die religiöse Erziehung an den Schulen Russlands schon bald einkehren wird. Da das Programm einen föderalen Status haben soll, würden sich ihm die Regionen nicht entziehen können, erläuterte der Leiter des Forschungsinstituts "Sowa" abschließend.

Jegor Winogradow, DW-Russisch