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Russland: Droht nach dem Tandem ein Machtkampf?

8. Mai 2008

Auf Einladung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und der Deutschen Welle sprachen in Berlin Experten aus beiden Ländern über die künftigen Machtverhältnisse in Russland. Die Leitfrage: „Quo vadis, Russland?“

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Dmitrij Medwedjew und Wladimir Putin demonstrieren GeschlossenheitBild: AP

Die "Wachablösung" im Kreml wird in Deutschland genau verfolgt. Über die Frage, wo das tatsächliche Machtzentrum in Russland liegen wird, bei Präsident Medwedjew oder Premier Putin, diskutierten Journalisten, Experten und Politologen in Berlin. Einer der Teilnehmer der Konferenz "Quo vadis, Russland?", Professor Rainer Lindner von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, sagte: "Eine Doppelherrschaft, ein Tandem, hat in Russland noch nie funktioniert".

Er begründete dies mit der Geschichte des Landes: "Es gab ein historisches Exempel Ende des 17. Jahrhunderts, als Peter der Große mit seinem Bruder fast zwei Jahrzehnte gemeinsam regierte, wobei am Ende sich der Stärkere durchsetzte. Die zweite Phase einer Doppelherrschaft war 1917, als neben den neugebildeten Räten, den Sowjets, eine provisorische Regierung unter Premier Kerenskij agierte. Auch da setzten sich am Ende diejenigen durch, die für die spätere Entwicklung von Gewalt und Terror standen. Als Osteuropa-Historiker versage ich mir jegliche Parallelisierung der Ereignisse, sondern stelle nur fest, dass der Zustand einer Doppelherrschaft für Russland nicht tragfähig ist und keine Stabilität verspricht."

Moskauer Tandem hält keine vier Jahre

Der Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik Lindner geht davon aus, dass das "Moskauer Tandem" die gesamte Amtszeit des Präsidenten von vier Jahren, wie sie von der Verfassung vorgesehen ist, nicht halten wird und schon in absehbarer Zeit wieder der Präsident und dessen Administration zum einzigen und unbestrittenen Machtzentrum werden.

In diesem Zusammenhang weist Lindner darauf hin, dass man die historische Rolle Putins danach werde bemessen können, "wie er damit umgeht, dass die Macht und die Aura der Macht, die durchaus auf dem Präsidentenamt liegt, auf den neuen Präsidenten übergeht, ob er es verkraftet, nicht nur die von der Verfassung gewährten Rechte an den Präsidenten abzugeben, sondern eben auch die gefühlte in den letzten Jahren tatsächlich hinzugewonnene Macht."

Ära Putin neigt sich dem Ende entgegen

Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik geht ebenfalls davon aus, dass "die Putin-Ära nicht schnell, aber langsam zu Ende geht". Zugleich schließt er zwei weitere Szenarien nicht aus: Entweder könnte Putin in ein- bis anderthalb Jahren Putin in den Kreml zurückkehren, mit der Begründung, Medwedjew habe sein Amt in Krisenzeiten nicht bewältigen können, oder aber das Tandem erweise sich als beständiges Modell.

"Wir haben in den letzten Jahren immer Putin dafür kritisiert, dass er das Präsidialamt so stark gemacht hat. Jetzt versucht er parallel zum Präsidialamt dieses Regierungsamt zu schaffen und er wird auch dafür kritisiert, weil er da wieder zu stark ist", sagte Rahr und fügte hinzu: "Ich will nicht leugnen, dass alles schon danach aussieht, als ob er sich hier ein Machtmonopol schaffen möchte, um weiterhin den Präsidenten zu kontrollieren. Aber wieso kann das alles nicht auch in die andere Richtung laufen? Vielleicht sind wir vor dem Beginn einer schleichenden Umwandlung Russlands in eine parlamentarische Republik?"

Doppelherrschaft bringt keine Stabilität

Im Gegensatz zu Alexander Rahr schließt Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle, eine längere friedliche Koexistenz zweier Machtzentren in Russland – des Präsidenten und des Premiers - praktisch aus. Seiner Meinung nach ist im russischen politischen Bewusstsein fest verankert, dass es "einen Chef gibt, einen Zaren, einen, der an der Spitze steht". So sei es nach dem Tod Stalins mit Chruschtschow und Malenkow gewesen, oder auch bei Jelzin und Chasbulatow 1993. "Auch dort gab es zwei, die an der Spitze stehen wollten, zwei Gruppen, und es hat zu Konflikten geführt", erläuterte Mannteufel. "Diese Doppelherrschaft wird aus meiner Sicht keine politische Stabilität bringen", sagte er zur jetzigen Situation in Russland.

Nikita Jolkver