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Wahlen in Russland

23. September 2011

Mehr politischen Wettbewerb in Russland hatte Präsident Dmitri Medwedew gefordert. Das Gegenteil ist der Fall. Nur Kreml-treue Parteien und die Kommunisten haben Chancen bei der Parlamentswahl im Dezember.

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Ein Mann schaut mit einer Lupe auf einen Stimmzettel (Foto: dpa)
2007 schafften vier Parteien den Einzug in die DumaBild: picture-alliance/ dpa

Am 4. Dezember sollen rund 110 Millionen wahlberechtigte Russen eine neue Staatsduma wählen. Nur sieben Parteien sind zugelassen, von denen wiederum nur drei eine reelle Chance haben, ins Parlament einzuziehen. Westliche Beobachter und Menschenrechtler rechnen mit keiner fairen und demokratischen Wahl. Diese Einschätzung teilt offenbar auch die Mehrheit der Russen. 54 Prozent glauben, dass es eine Scheinwahl sein werde. Nach einer Umfrage des renommierten Moskauer Lewada-Zentrums meinen fast zwei Drittel der Befragten, die Dumawahl sei ein Kampf unter bürokratischen Clans, denen es nur um Zugang zu Haushaltsmitteln und anderen staatlichen Ressourcen gehe. Vor diesem Hintergrund hat an diesem Freitag (23.09.2011) die heiße Phase des Wahlkampfs begonnen. Gleich mehrere Parteien halten ihre Parteitage ab.

"Einiges Russland" – wie einst die KPdSU?

Premier Wladimir Putin spricht auf einem Parteitag der Partei 'Einiges Russland' (Foto: AP)
Putins Partei "Einiges Russland" bleibt wohl stärkste KraftBild: AP

Die größte Partei des Landes, "Einiges Russland", ist ein Kind des russischen Premiers Wladimir Putin. Die rechtskonservative Partei mit einem russischen Bären im Logo wurde im Dezember 2001 gegründet und avancierte in wenigen Jahren zur stärksten politischen Kraft. Bei den Parlamentswahlen 2007 erreichte die "Partei der Macht", wie sie in Russland genannt wird, eine Zweidrittelmehrheit. Umfragen zufolge kann sie wieder mit einem solchen Erfolg rechnen. Die Partei verdankt ihre Popularität nicht zuletzt ihrem Vorsitzenden Putin. Der Regierungschef ist nach wie vor der beliebteste Politiker des Landes.

"Einiges Russland" erinnert Kritiker, darunter auch den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, allerdings immer stärker an die einstige Kommunistische Partei der Sowjetunion. Wie sie versuche Putins Partei alles zu dominieren und politische Konkurrenten auszuschalten.

Kommunisten zweitstärkste Kraft

Kommunisten-Chef Gennadij Sjuganow mit Anhängern (Foto: AP)
Kommunisten-Chef Sjuganow mit AnhängernBild: AP

Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) ist die einzige oppositionelle Kraft im Parlament - und das wird sie wohl auch bleiben. Laut Umfragen könnten die Kommunisten bei der Wahl am 4. Dezember bis zu 18 Prozent der Stimmen bekommen und damit ihr Ergebnis von vor vier Jahren (11,6 Prozent) verbessern. Damit wären sie wieder zweitstärkste Kraft in der Duma.

Ihre besten Ergebnisse erzielte die Partei, die eine Rückkehr zur Sowjetunion, Sozialismus und Planwirtschaft fordert, in den 1990er Jahren. Bei der Präsidentenwahl 1996 schaffte es Parteichef Gennadi Sjuganow sogar in die Stichwahl. Er unterlag aber dem damaligen russischen Staatschef Boris Jelzin.

Rechtspopulisten auf Kreml-Linie

Plakat der Rechtspopulisten von Wladimir Schirinowski (Foto: dpa)
Die Rechtspopulisten stellen für den Kreml keine Gefahr darBild: picture-alliance/ dpa

Die dritte Kraft, die sich keine Sorgen um einen Einzug ins russische Parlament machen muss, sind die Liberal-Demokraten (LDPR). Nach Meinungsumfragen liegt die Partei des Rechtspopulisten Wladimir Schirinowski in der Wählergunst bei 10 bis 13 Prozent. Seit Jahren macht sie Stimmung gegen Einwanderer in Russland. Auch diesmal will die LDPR ihren Wahlkampf unter dem Motto "Wir sind für die Russen" führen. Da die Rechtspopulisten bei den Abstimmungen im Parlament der Kreml-Linie meist folgen, stellen sie für "Einiges Russland" keine Konkurrenz dar.

Die Partei "Gerechtes Russland", bisher als vierte Kraft in der Duma vertreten, muss dagegen diesmal bangen. Sie liegt in Umfragen bei knapp unter sieben Prozent, die für einen Einzug ins Parlament erreicht werden müssen. Die Partei bezeichnet sich selbst als sozialdemokratisch und gilt als Kreml-nah.

Keine Chance für die Opposition

Die PARNAS-Führer Wladimir Ryschkow, Michail Kasjanow, Boris Nemzow und Wladimir Milow (Foto: DW)
PARNAS-Führer Wladimir Ryschkow, Michail Kasjanow, Boris Nemzow, Wladimir MilowBild: DW

Kritische Oppositionelle spielen in der russischen Politik weiter kaum eine Rolle. Diese Erfahrung machen prowestlich orientierte Politiker wie der ehemalige Vizeregierungschef Boris Nemzow immer wieder. Auch in diesem Jahr sind er und seine Mitstreiter von einer Teilnahme an der Parlamentswahl ausgeschlossen. Das russische Justizministerium verweigerte Ende Juni der liberalen "Partei der Volksfreiheit" (kurz: PARNAS) die Zulassung. Angeblich hat sie in ihrer Mitgliederliste Verstorbene geführt. Die Parteiführer, darunter auch Ex-Regierungschef Michail Kasjanow, sprechen hingegen von "Schikane".

Umfragen zufolge liegen die Oppositionsparteien ohnehin weit abgeschlagen zurück. Das gilt zum Beispiel auch für die liberale Partei "Jabloko", die schon seit 2003 nicht mehr ins Parlament einziehen konnte. Mit Stimmen prowestlich gesinnter Wähler hätte diesmal vielleicht die neu gegründete Partei "Gerechte Sache" rechnen können. Doch die Partei demontierte sich selbst noch vor Beginn des Wahlkampfes. Ihr Vorsitzender, der russische Milliardär Michail Prochorow, trat zurück. Die Partei sei unterwandert und damit zur Marionette des Kremls geworden, erklärte er. Der Kreml dementierte dies. Wer auch immer Recht hat, die Partei wird in der russischen Politik wohl keine Rolle mehr spielen.

Autor: Roman Goncharenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk