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Kampf gegen Korruption

Keno Verseck2. Oktober 2007

Ein Höhepunkt der innenpolitischen Krise in Rumänien ist erreicht: Die Sozialdemokraten haben einen Misstrauensantrag ins Parlament eingebracht. Nicht zuletzt durch Korruption könnte die Abstimmung beeinflusst werden.

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Porträtbild von Monica Macovei. Quelle: dpa
Sie kämpfte gegen Korruption und musste gehen: Ex-Justizministerin Monica MacoveiBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Kaum hatte Rumänien die Feiern anlässlich des EU-Beitritts am 1. Januar hinter sich, da brach eine seit längerem schwelende Krise offen aus. Sie ist inzwischen zur längsten und schwersten der letzten Jahre geworden. Im Kern geht es vor allem um die Justizreform und speziell um den Kampf gegen Korruption - ein Thema, bei dem Politiker aller Parteien viel zu verlieren haben. Viele von ihnen stehen selbst unter Verdacht, dass sie ihre Position ausnutzen, um sich zu bereichern.

Jetzt wird am Mittwoch (03.10.2007) im rumänischen Parlament über einen Misstrauensantrag abgestimmt, den die sozial-demokratische Oppositionspartei PSD gegen die liberale Regierung eingebracht hat. Der Ausgang des Votums ist offen. Der Antrag hätte zwar im Parlament die für eine Verabschiedung notwendige Mehrheit, aber es gibt Zweifel an der Stimmdisziplin, vor allem bei den Sozialdemokraten: Viele von ihnen müssten bei Neuwahlen mit dem Verlust ihres Mandates rechnen. Und auch die Uneinigkeit über die Korruptionsbekämpfung könnte zu interessanten Ergebnissen führen.

Ein Bild des unbesetzten, rumänischen Parlaments, ein großer Saal mit beeindruckender Kuppel. Quelle: dpa
Der Ausgang des Misstrauensvotums im Parlament ist offenBild: picture-alliance/ dpa

Die Krise habe das Land gelähmt, meint der angesehene Politologe Cristian Pîrvulescu: "Es überrascht, dass ein Land, das so lange auf seine EU-Mitgliedschaft gewartet hat, nun so abgestürzt ist." Die Innenpolitik überlagere alles, die EU bleibe abstrakt. "Waren die Rumänen zu Jahresanfang optimistisch, so hat die Krise sie zu Pessimisten gemacht."

Kampf gegen Korruptionsbekämpfer?

Die Ursprünge der Krise reichen bis zum Jahresende 2004 zurück. Damals wurden die korrupten Wendekommunisten der Sozialdemokratischen Partei (PSD) abgewählt. In der neuen Regierungskoalition führte die parteilose Justizministerin Monica Macovei einen spektakulären und bedingungslosen Kampf gegen Korruption auf allen Ebenen, vor allem aber in der hohen Politik. Unterstützt wurde sie darin von Staatspräsident Traian Basescu. Die Justizministerin wurde jedoch von der eigenen Regierung immer wieder sabotiert und im April diesen Jahres - also wohlweislich erst nach dem EU-Beitritt - aus der Regierung geworfen.

Porträtbild von Traian Basescu, zwei kleine Mikrofone sind mit im Bild. Quelle: AP
Traian Basescu setzte unterstützte Macovei - trotzdem durfte er bleibenBild: AP Photo

Zugleich beraumte eine Parlamentsmehrheit - in einer seltsamen Allianz aus Wendekommunisten, Ultranationalisten, Liberalen und Vertretern der ungarischen Minderheit - ein Referendum über die Absetzung des Staatspräsidenten an. Dabei stimmten im Mai dieses Jahres jedoch 75 Prozent dafür, dass Traian Basescu weiterhin im Amt bleibt. Die Krise hat sich seitdem nur vertieft. Das neueste Kapitel ist der Krieg zwischen dem liberalen Justizminister Tudor Chiuariu und der Nationalen Anti-Korruptionsbehörde DNA. Die Behörde ermittelt in Korruptionsfällen im Staats- und Verwaltungsapparat sowie unter Politikern.

Antikorruptionsbehörde bei der Regierung unbeliebt

Unter den Betroffenen sind seit kurzem mehrere Minister der gegenwärtigen Regierung sowie mehrere ehemalige Minister, und auch gegen den Justizminister selbst soll wegen eines dubiosen Grundstücksgeschäftes ermittelt werden. Chiuariu warf der Antikorruptionsbehörde vor, politisch motivierte Ermittlungen zu führen.

DNA-Chef Daniel Morar sieht seine Behörde in Gefahr. Den Politikern bleibe immer die Möglichkeit, den Kampf gegen die Korruption zu stoppen, indem sie die Gesetze änderten, bemängelt Morar. "Die Einstellung des Justizministers gegenüber unserer Aktivität zeigt, dass er ermittelnde Staatsanwälte absetzen lassen will." Das sei keine friedliche Einstellung. Auch wenn die Staatsanwälte nicht so einfach ausgewechselt werden könnten, wie einige es gern haben würden.

Politische Krise bremst europäischen Integrationsprozess

Die Europäische Kommission drohte Rumänien jüngst wieder Sanktionen an, für den Fall, dass der Kampf gegen Korruption nicht konsequent weitergeführt werde. Doch nicht nur der wird von der innenpolitischen Krise verzögert, sondern der gesamte Integrationsprozess Rumäniens. Der Staatssekretär im Außenministerium Anton Niculescu, verantwortlich für internationale Beziehungen, drückt das diplomatisch aus: "Wir sind noch in der Phase der Angleichung unserer Gesetzgebung an die EU." Aber von der Angleichung bis zur effizienten Anwendung sei es ein sehr weiter Weg und es sei auch ein empfindlicher Bereich, in dem die Politik ein gewichtiges Wort mitzureden hätten.

Gesellschaftliche Entwicklung auch ohne Politiker

Politologe Pîrvulescu sieht zwar keine unmittelbare Lösung für die politische Krise in Rumänien. Er selbst ist jedoch kein Pessimist. "Der Transfer eines großen Teils der Bevölkerung in den Westen - es geht um zwei Millionen Rumänen - hinterlässt Spuren", sagt er. Diese wichtige und aktive Minderheit, zehn Prozent der Rumänen, würden die Bevölkerung zuhause beeinflussen. Der Druck auf die politische Klasse zu Veränderung sei sehr groß. "Das ist eine positive Sache, die viele Beobachter nicht sehen: Die rumänische Gesellschaft verändert sich ohne die Hilfe der politischen Klasse."