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Ruhe bitte!

Grietje Zimmermann/(pf)13. Januar 2002

Der Mensch ist ständig von Krach umgeben. Gerade in Großstädten ist der Geräuschpegel allgegenwärtig. Die Stadt Hattersheim hat sich daher etwas Neues ausgedacht eine Ruhebeauftragte eingesetzt.

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Der Mensch ist von Lärm umgebenBild: APTN

Von Lärm hatten die Hattersheimer die Nase voll. Joy Hensele, Deutschlands erste Ruhebeauftragte sorgt hier seit einem Jahr dafür, dass wieder mehr Ruhe in den Alltag der Bürger einkehrt. Dazu gehörte, dass sie sich zunächst über die Bedeutung von Lärm und Lärmschutz Gedanken machen mussten.

"Lärmschutz setzt eigentlich immer dann an, wenn es schon zu spät ist. Wir wollen am liebsten auch und sind dabei, Orte der Ruhe zu schaffen, Plätze, wo man sich erholen kann. Also auf die Qualität mehr Wert zu legen."

Ruhe schützen

In der Anwältin Joy Hensel fand Hattersheim eine Ruhebeauftragte, die sich mit den rechtlichen und inhaltlichen Aspekten des Lärmschutzes gut auskennt. Schon während ihres Jurastudiums in Hamburg hatte sich die gebürtige Lüneburgerin mit Umweltrecht beschäftigt. Oberste Priorität der Ruhebeauftragten ist die Erhaltung und Verbesserung der Lebens- und Wohnqualität der Bürger. Die bestehenden Gesetze und Vorschriften reichen dazu nicht aus. Sie beziehen sich in erster Linie auf einzelne Lärmquellen und Immissionsrichtwerte. Das im Alltag häufig viele belastende Geräusche zusammen kommen, berücksichtigen sie nicht. Besonderen Wert legt Joy Hensel auf die Vorsorge:

"Und so entstand die Idee, die Ruhe zu schützen, statt den Lärm. Nicht hinterher zu sanieren, sondern präventiv Situationen zu vermeiden. Hier versuchen wir als Verwaltung zu lernen. Ich trage also Anliegen der Bürger in die Verwaltung."

Es gibt die unterschiedlichsten Lärmsorten

Zwei bis drei Anfragen erhält Joy Hensel im Schnitt pro Woche. Die Beschwerden beziehen sich auf die unterschiedlichsten Lärmsorten: Fluglärm vom nahen Frankfurter Flughafen, Krach durch hohes Verkehrsaufkommen und schlechte Strassen, Geräusche aus Gewerbegebieten und von Baustellen, aber auch Laubsauger und der nächtliche Auf- und Abbau von Strassenfesten sorgen für Ärger. Einige konkrete Ergebnisse hat die Ruhebeauftragte in ihrer Arbeit bereits erzielt. So wurden Bushaltstellen verlegt und die Leerzeiten für Glascontainer geändert. Ein Teilstück einer Strasse wurde mit Flüsterasfalt geteert. Wenn er sich bewährt, sollen weitere folgen. Für absolute Stille kann mit diesen Massnahmen natürlich nicht gesorgt werden. Aber das ist auch gar nicht das Ziel von Joy Hensels Arbeit:

"Stille ist nicht gleich Ruhe: Ruhe heisst nicht, dass es gar kein Geräusch mehr gibt, heisst aber so zu sagen die Abwesenheit von lästigen Geräuschen. Ich kann also vor einem rauschenden Wasserfall stehen. Der ist in Dezibel gemessen sehr laut, aber gibt mir das Gefühl von Ruhe."

Ruhe ist Gefühlssache

Dass Ruhe kein messbarer Zustand, sondern die subjektive Empfindung eines Menschen ist, macht die Bewertung so schwierig. Ein Geräusch, das dem einen gefällt, kann für einen anderen störend sein. Die Ruhebeauftragte versucht in Streitfällen zu schlichten und wirbt für mehr Rücksichtnahme und Toleranz. Per Postwurfsendung macht sie auf Ruhezeiten von denen manche schon dachten, sie seien abgeschafft. Eine wichtige Aufgabe der Ruhebeauftragten besteht auch in der Aufklärung über gesundheitliche Risiken von Lärm.

Lärm macht krank

"Vielen die sehr Lärm belastet sind, ist eigentlich gar nicht klar, dass sich ihr Risiko erhöht, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu erkranken."

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen führt Lärm zu einer Störung der Konzentrationsfähigkeit. Ist ein Mensch längere Zeit nächtlichem Lärm ausgesetzt, verschieben sich die Schlafphasen und der Schlaf wird leichter. Ausserdem erhöht ständiger Krach die Ausschüttung von Stresshormonen, die das Immunsystem schwächen. In Hattersheim hat Joy Hensel in ihrem ersten Amtsjahr schon einiges in Bewegung gebracht. Aber eine einzelne Stadt hat natürlich nur einen begrenzten Spielraum zur Lärmbekämpfung. Deshalb knüpft die Ruhebeauftragte Kontakte zu anderen Kommunen, um mittelfristig die Ruhe auch regional und überregional besser zu schützen.