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Ruanda - Land ohne Opposition

6. August 2010

Am Montag finden in Ruanda Wahlen statt. Derzeit zieht Präsident Paul Kagame über die Hügel, um Wahlkampf zu betreiben und hunderttausende Menschen jubeln ihm zu. Für viele gilt er als Garant für Frieden.

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Kundgebung für Paul Kagame (Bild: Simone Schlindwein)
Umjubelter Star? Paul KagameBild: DW

Auf den ersten Blick sieht Präsident Paul Kagames Wahlkampftour aus wie ein Popfestival. Auf einem großen Feld zwischen den Hügeln im Osten Ruandas stehen hundertausende Menschen dicht gedrängt. Sie sind in Kagame-T-Shirts gekleidet, schwingen blau-weiß-rote Fähnchen – die Farben seiner Regierungspartei FPR, und singen eine Lobeshymne auf Kagame.

Aus der ganzen Region sind die Menschen am frühen morgen mit Bussen angekarrt worden: Kinder, Frauen mit Babies, Alte und Behinderte in Rollstühlen. Der soziale Druck ist groß, es gehört in Ruanda zur patriotischen Pflicht, Kagame zu unterstützen – er feiert sich selbst als Erlöser von den Grauen des Völkermordes 1994 und als einzigen Garant, Hutu und Tutsi zu vereinen, sagt Taye Manzi: "Er hat uns Frieden gebracht, unsere Land aufgebaut. Er ist derjenige, der es geschafft hat, unser Volk zu vereinen. Er unterstützt die Jugend und die Frauen. Wir wissen, Demokratie ist ein Prozess. Und wir hoffen, dass er das fortführt, was er uns versprochen hat und sogar noch mehr unternimmt."

Demokratie-Schauspiel

Wahlveranstaltung für Kagame (Bild: Simone Schlindwein)
Wahlveranstaltung für KagameBild: DW

Kagame selbst spricht auf den Wahlveranstaltungen viel von Demokratie. Es ist zum Schlagwort geworden, weil die internationale Gemeinschaft den Mangel an Demokratie stets kritisiert. Kagame ist vor sieben Jahren mit über 90 Prozent gewählt werden. Niemand bezweifelt, dass er auch dieses Mal über 90 Prozent der Stimmen erhalten wird. Sogar 100 Prozent versprechen ihm die Massen auf den Wahlveranstaltungen in Sprechchören. Und Kagame sagte in einer Rede, auch 100 Prozent sei Demokratie. Doch das, was in Ruanda derzeit geschieht, ist eher ein Schauspiel der Parteienvielfalt, statt wirklicher Demokratie. Denn selbst die Opposition unterstützt den Präsidenten.

Schein-Opposition

Wahlkampf der Liberalen Partei (Bild: Simone Schlindwein)
Wahlkampf der Liberalen ParteiBild: DW

Im Süden Ruandas hält die Liberale Partei eine Veranstaltung ab. Rund 20 Kinder spielen auf der Wiese, ein paar Dutzend Menschen sind gekommen und wollen T-Shirts haben, die es kostenlos gibt. Die Liberale Partei ist im Parlament vertreten. Sie werde von Kagames Regierungspartei benutzt, den Schein der Demokratie zu wahren, erzählt die Vize-Vorsitzende der lokalen Parteigruppe, die aus Angst ihren Namen nicht nennen will. Sie steht auf der Wiese und verteilt T-Shirts in den grünen Parteifarben. Sie erzählt verschüchtert: "Wir haben nicht viele Wähler, das sieht man ja heute. Wir werden gesponsort von der Regierungspartei FPR. Unsere Parteien sind wie Kollegen, wir arbeiten zusammen. Alles, was wir unternehmen, ist mit der FPR abgestimmt. Das ist eine Vereinbarung. Wir sind glücklich darüber. Die Wahlen machen unsere keine Probleme."

Lieber im Gefängnis als sterben

In Ruanda haben selbst Oppsitionelle Angst, gegen Kagame anzutreten und Alternativen aufzuzeigen. Denn was mit Oppositionspolitikern geschehen kann, das wurde in den vergangenen Monaten auf brutale Weise deutlich. Verängstigt sitzt Frank Habineza in seinem kleinen Büro. Er wagt sich kaum auf die Straße zu gehen. Habineza ist Chef der Grünen Partei. Vergeblich hat er in den vergangenen Monaten versucht, seine Partei zu registrieren. Seine Mitglieder sind ehamlige Kagame-Anhänger, die sich losgesagt haben. Doch nun fürchtet Habineza um sein Leben. Sein Stellvertreter wurde vor drei Wochen geköpft aufgefunden.

"Unsere Situation war vorher schon nicht gut, doch jetzt ist sie richtig schlimm", sagt er. Zuletzt habe er im Mai versucht, erneut seine Partei zu registrieren. Vergeblich, von der Regierung habe er dieses Mal nicht einmal eine Antwort erhalten. Habineza seufzt: "Wenige Tage später wurde unser Vize-Parteichef ermordet." Dennoch hofft er, dass nach diesen Wahlen alles etwas besser wird. "Wir geben nicht auf. Wir bereiten uns auf die Parlamentswahlen 2013 vor. Dennoch ist es schockierend. Bislang klagten wir über die fehlende Demokratie, jetzt haben wir Angst um unser Leben. Ich wünschte, ich lande irgendwann nur im Gefängnis, anstatt zu sterben", sagt er.

Autorin: Simone Schlindwein

Redaktion: Christine Harjes