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Politik

Roter Stern über der Republik Moldau

Roman Goncharenko
14. November 2016

Sozialistenführer Igor Dodon hat die Präsidentenwahl in der Ex-Sowjetrepublik Moldau gewonnen. Er tritt für engere Beziehungen zu Russland ein. Dieser Sieg könnte eine außenpolitische Wende einleiten.

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Wahlkampagne in Moldau
Bild: DW/Y. Semenowa

Der rote Stern ist zurück in der Republik Moldau - diesmal als Symbol der Sozialistischen Partei, deren pro-russischer Anführer Igor Dodon am Sonntag die Präsidentenwahl im zweiten Wahlgang gewann. Nach dem vorläufigen Amtsergebnis kam er auf rund 52 Prozent der Stimmen, seine pro-europäische Gegnerin Maia Sandu auf knapp 48 Prozent. Die Entscheidung zeichnete sich bereits im ersten Wahlgang vor zwei Wochen ab. Damals lag der linke Politiker mit fast zehn Prozentpunkten vorne und verpasste den Sieg nur knapp. Bei dieser Wahl haben die Bürger der früheren Sowjetrepublik zum ersten Mal seit fast 20 Jahren ihren Präsidenten wieder direkt gewählt. Zuvor wurde der Staatschef vom Parlament bestimmt.

Moldawien Präsidentschaftswahl Kandidatin Maia Sandu
Die pro-europäische Kandidatin Maia Sandu verlor die Wahl mit 47,7 Prozent der StimmenBild: Reuters/G. Garanich

Vorwürfe gegen Wahlleitung

Maia Sandu kritisierte am Montag den Wahlverlauf und forderte die Entlassung der Wahlleiterin und des Außenministers. Tausende ihrer Anhänger protestierten in der Hauptstadt Chisinau. Es stellte sich heraus, dass es in einigen Wahllokalen im Ausland nicht genug Stimmzettel gab. Schätzungen zufolge leben bis zu eine Million Moldauer als Gastarbeiter im Ausland, die meisten in Russland und in der Europäischen Union. Die Gesamtbevölkerung der parlamentarischen Republik wird dabei auf rund 3,6 Millionen geschätzt. Sandu geht offenbar davon aus, dass viele ihrer Anhänger in der EU nicht wählen konnten. Tausende Bewohner der pro-russischen abtrünnigen moldauischen Provinz Transnistrien konnten dagegen abstimmen und dürften Dodon gewählt haben.

"Die Transnistrier dürfen wählen", sagte Martin Sieg von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) in Berlin. Die Abstimmung im Ausland sei schwer zu beurteilen. "Ich glaube nicht, dass die Wahl im großen Umfang verfälscht wurde". Ähnlich sieht es Nicu Popescu vom EU-Institut für Sicherheitsstudien in Paris: "Ich glaube, die Wahl war zum großen Teil frei und fair."    

Guter Draht nach Moskau

Beide Kandidaten bei der Stichwahl positionierten sich als Gegner der jetzigen Regierung. Der zentrale Unterschied lag in der geopolitischen Ausrichtung. Während die ehemalige Bildungsministerin Sandu den pro-westlichen Kurs fortsetzen wollte, sprach sich Dodon für eine Neuausrichtung nach Russland aus. Sein Sieg könne den Beginn einer außenpolitischen Wende markieren, meinen die von der DW befragten Experten.

Republik Moldau Präsidentschaftswahlen - Igor Dodon, pro-russischer Kandidat
Dodon will enge Beziehungen zu RusslandBild: E. Covalenco

Die Republik Moldau ist seit 2009 auf pro-westlichem Kurs. Das osteuropäische Land galt bis vor wenigen Jahren als Musterschüler im Rahmen der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union und überholte etwa bei Visaerleichterungen andere Länder der Region wie die Ukraine und Georgien. Doch die Herrschaft pro-europäischer Parteien wurde von Korruptionsskandalen überschattet. Auch die Wirtschaftsprobleme des Landes, das als das ärmste Europas gilt, sind geblieben. Vor diesem Hintergrund überholte Dodons Sozialistische Partei bei der Parlamentswahl 2014 knapp die regierenden Liberal-Demokraten und verfügt derzeit über die größte oppositionelle Fraktion im Parlament. Sein Sieg bei der Präsidentenwahl am Sonntag scheint diese Tendenz fortzusetzen.    

Bereits im ersten Punkt seines Wahlprogramms versprach Dodon, "strategische Beziehungen zu Russland wiederherzustellen". Dabei hat der 41-jährige Politiker seit Jahren einen guten Draht nach Moskau. Dodon war Mitglied der Kommunistischen Partei und bis 2009 Wirtschaftsminister in der Regierung des kommunistischen Präsidenten Wladimir Woronin.

European Union Institute for Security Studies in Paris, Nicu Popescu
Nicu Popescu vom EU-Institut für Sicherheitsstudien in ParisBild: Privat

"Welle der Unzufriedenheit" 

Und doch warnen Experten davor, den pro-russischen Faktor bei der Präsidentenwahl überzubewerten. "Das Pendel hat zurückgeschlagen", sagt Nicu Popescu vom EU-Institut für Sicherheitsstudien. "Wenn man sieben Jahre an der Macht ist und behauptet, man sei pro-europäisch, dann Missmanagement betreibt, klaut und andere unschöne Dinge macht, dann schwingt das Pendel um." Dodon sei auf einer Welle der Unzufriedenheit geritten, das sei wichtiger als pro-russische Rhetorik, glaubt Popescu. 

Martin Sieg von der DGAP meint, "das Erstaunliche" an dieser Wahl sei nicht der erwartbare Sieg von Dodon, sondern das gute Abschneiden von Sandu. Sie habe keine etablierte Partei hinter sich gehabt, keine großen finanziellen Ressourcen und keine Medien. "Sie hat große Teile ihres Wahlkampfs über Facebook geführt", betont der Experte.

Erster Schritt zum Sieg bei Parlamentswahl?

Von Dodon erwarten Experten keine dramatischen Veränderungen, denn seine Macht als Präsident sei begrenzt. Ohne die Zustimmung des Parlaments und der Regierung könne er zum Beispiel das Assoziierungsabkommen mit der EU, das auch eine Freihandelszone vorsieht, nicht stoppen. Das war eines seiner Versprechen im Wahlkampf. Dodon könne jedoch ein Referendum zu diesem Thema ansetzen, so die Einschätzung der befragten Experten.

Viel wichtiger seien die Parlamentswahlen in zwei Jahren. Wenn Dodons Sozialistische Partei dann als Siegerin hervorgehen würde, könne sie eine wahre außenpolitische Wende vorantreiben. Martin Sieg von der DGAP sieht deshalb zwei Szenarien für die Zukunft. In einem Fall würde Dodon seinen jetzigen Sieg nutzen, um eine "gezielte Kampagne gegen die Regierung vorzubereiten und den Machtwechsel 2018 im Parlament herbeizuführen". Eine andere Möglichkeit sei, dass sich Dodon und die regierenden Eliten arrangieren und den Status Quo beibehalten. Das gute Ergebnis von Maia Sandu sei jedenfalls ein Hinweis, dass es noch zu früh sei, die pro-europäischen Kräfte in der Republik Moldau abzuschreiben.