1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland Garten Industrie

17. Juni 2011

Die Deutschen hegen und pflegen ihren Garten. Das kostet Zeit – aber auch Geld. Davon profitiert die Gartenbranche. Zweistellige Milliardenumsätze fährt sie ein. Nur eines kann der Branche die Bilanz verhageln.

https://p.dw.com/p/11bxa
Rosen blühen in einem Schrebergarten in der Gartenanlage "Hamburg Neugrabener Moor 774 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa
Blumengeschäft in Köln-Sülz (Foto: Victor Weitz)
Das Blumengeschäft blüht auch in KrisenzeitenBild: DW / Victor Weitz

Die Deutschen gelten als die Reiseweltmeister. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn doch das Gute so nah ist? Und so haben viele Deutsche neben dem Reisen auch den Urlaub im Garten als Freizeitbeschäftigung entdeckt. Der Garten ist heute Rückzugsgebiet, Ort der Geselligkeit, Naherholungsgebiet, Beschäftigungstherapie und Statussymbol in einem. Hier kann man Zeit und Geld anlegen und sieht sofort das Ergebnis. Das Ergebnis sehen auch die Unternehmen der Gartenbranche. Das Geschäft floriert.

Grüner Markt = Milliardenmarkt

Nach Angaben des Industrieverbands Garten gibt der durchschnittliche Deutsche rund 180 Euro pro Jahr für grüne Produkte aus. Das Geld wird aber nicht etwa regelmäßig, sondern in Schüben ausgegeben. Der Hobby-Gärtner investiert in der Regel in den Frühlings- und Sommermonaten in den Garten. Die Branche macht den größten Teil ihres Umsatzes innerhalb weniger Monate.

In einem Gewächshaus der Fontana Gartenbau GmbH im brandenburgischen Manschnow (Märkisch-Oderland) sortieren am zwei Gärtnerinnen blühende Priemeln (Foto: dpa)
Gartenbranche macht Milliarden-UmsätzeBild: picture-alliance/ZB

Der Industrieverband Garten vertritt einen Großteil der Hersteller innerhalb der Gartenbranche. Sie produzieren Gartengeräte, Pflanzen und Erden. Insgesamt setzen sie knapp 15 Milliarden Euro pro Jahr um, wobei zwei Drittel der Einnahmen auf den Bereich Pflanzen entfällt. Dazu gehören Blumen, Sträucher und Bäume. Ein Drittel entfällt auf Gartenwerkzeuge, Gartengeräte, Teiche, Gartendekorationen und Möbel.

Neben den Herstellern gibt es die Dienstleister. Dazu gehören die Garten- und Landschaftsbauer. An sie wendet sich, wer beispielsweise seinen Garten von einem Fachmann anlegen oder pflegen lassen möchte. Viele Dienstleister sind Mitglied im Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Nach Angaben des Verbandes betrug der Umsatz im Garten- und Landschaftsbau im Jahr 2010 knapp über fünf Milliarden Euro.

Krise? Wo?

Während die Finanz- und Wirtschaftskrise viele Branchen hart getroffen hat, musste die Gartenbranche kaum Blätter lassen. Landschaftsgärtnermeister August Forster führt einen mittelständischen Gartenbaubetrieb mit 65 Mitarbeitern in Bonn. Er hat von der Krise kaum etwas mitbekommen: "Diese Finanz- und Wirtschaftskrise ist bei uns im Grunde genommen gar nicht richtig angekommen. Wir erleben im Moment einen Boom, der sich insbesondere im privaten Bereich abspielt."

Auf den Privatgartenbereich entfallen derzeit rund 55 Prozent des Jahresumsatzes der Branche von mehr als fünf Milliarden Euro. Vor zehn Jahren lag der Anteil des privaten Bereichs noch bei 40 Prozent. Der Anteil der Hobby-Gärtner ist zu Lasten des Anteils der öffentlichen Hand gestiegen.

Rote Rosen blühen im Garten des Adenauer-Hauses in Rhöndorf. Rosen waren die Lieblingsblumen von Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Garten wurde mit der Plakette des EGHN (European Garden Heritage Network) ausgezeichnet. (Foto: dpa)
Preisgekrönt: Garten des Adenauer-Hauses in Rhöndorf bei BonnBild: picture-alliance/ dpa

Da die Kassen der Städte und Kommunen leer sind, wird an der Grünpflege gespart. "Die öffentliche Hand ist leider nur mit knapp unter 20 Prozent dabei", sagt Hermann Kurth, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Dafür gibt es neben dem Hobby-Gärtner eine weitere Stütze für den grünen Markt, erklärt Hermann Kurth: "Auch die Industrieunternehmen wollen heute nicht nur an der Rezeption zeigen was sie sind, sondern sie fangen draußen auf dem Parkplatz, auf dem Außengelände an und lassen sich das Grün herrichten."

Gewitter über der Gartenbranche?

Was die deutsche Gartenbranche neben der Zurückhaltung der öffentlichen Hand noch beeinträchtigt, ist die Globalisierung. Allerdings sind davon nicht alle Bereiche betroffen. Sie trifft weniger die Dienstleister als die Produzenten, sagt Hermann Kurt: "Durch die Globalisierung geht der Produktionsgartenbau zurück." Man könne das an einem Beispiel sehr deutlich machen: "Rosenzüchter gab es früher sehr sehr viele. Die gehen aber heute zurück. Warum? Die exquisiteren Rosen kommen heute aus Marokko oder sogar Ecuador und sind trotz der Transportkosten immer noch günstiger als hier - und haben dabei auch einen schöneren, interessanteren Charakter."

Während die Globalisierung nur Teile der Branche und die Finanz- und Wirtschaftskrise die Branche kaum betrifft, gibt es einen Faktor, der von essentieller Bedeutung ist: das Wetter. "Wetter schlägt Konjunktur. Das ist ein geflügeltes Wort in der Branche und es bestätigt sich jedes Jahr aufs Neue", sagt Michael Cuypers, Geschäftsführer des Industrieverbands Garten. "Ist das Wetter gut, ist das Frühjahr gut, kommt die Sonne frühzeitig raus, dann zieht es die Verbraucher in die Gärten und sie sind auch bereit, für den Garten Geld auszugeben. Wenn, wie im Jahr 2010, der Frühling so furchtbar auf sich warten lässt, weil der Winter so lange dauert, dann ist das sicherlich auch im Ausgabenverhalten der Verbraucher und bei den Umsätzen zu bemerken", so Cuypers weiter.

Die Richtung stimmt

Die Problemfelder sind abgesteckt: Zum einen ist das die Sparsamkeit der Städte und Kommunen und zum anderen die Globalisierung. Letztere betrifft allerdings nur einen Bereich der Gartenbranche – die Produzenten. Und für sie bietet die Globalisierung gleichzeitig auch Chancen, eigene Produkte ins Ausland abzusetzen.

Neben den beiden Problemfeldern gibt es den Unsicherheitsfaktor Wetter. Den wird man auch in Zukunft nicht beeinflussen können.

Den Problemfeldern und dem Unsicherheitsfaktor stehen die Wachstumsbereiche gegenüber. Der eine ist der industrielle Bereich. Immer mehr Unternehmen wollen sich ein grünes Image verpassen und wollen das auch auf ihren Betriebs- und Werksgeländen nach außen zeigen. Der andere ist der private Bereich. Speziell auch in Krisenzeiten wollen sich viele Gartenfreunde einen Ort der Sicherheit und relativer Sorglosigkeit schaffen, frei nach dem Motto: My Garden is my Castle.

Hinzu kommt, dass es im privaten Bereich eine Entwicklung gibt, die bei der Gartenbranche für zusätzliche Umsätze sorgen kann: der demographische Wandel. Viele ältere Menschen können oder wollen nicht mehr so häufig verreisen und richten sich daher den Garten her – beziehungsweise lassen ihn sich herrichten. Da sie selber in der Regel keine körperlich anstrengenden Arbeiten mehr verrichten können, beauftragen sie Garten- und Landschaftsbauer. Außerdem kaufen sie Geräte, die die Gartenpflege erleichtern: vom Aufsitzrasenmäher zum vollautomatischen Mähroboter über die Beleuchtungsanlage hin zur vollautomatischen Bewässerung.

Letztendlich wachsen aber auch in der Gartenbranche die Bäume nicht in den Himmel – aber derzeit sieht es zumindest so aus, als würden sie doch stetig wachsen und gedeihen.


Autor: Marco Müller
Redaktion: Henrik Böhme