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Roboter: Risiko und Chance für Europas Arbeitsmarkt

Doris Pundy Brüssel
25. November 2017

Roboter lösen oft Angst um den Arbeitsplatz aus. Ihr wirtschaftliches Potenzial ist allerdings groß. Um Fortschritt und Sorgen unter einen Hut zu bringen, blickt Brüssel nach Deutschland, wie Doris Pundy berichtet.

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Brüssel - EU Robotics Week: Roboter "Tiago" vor Europaflaggen
Bild: DW/D. Pundy

Ein Roboter begrüßt die geladenen Gäste, kurz danach spielt ein ferngesteuertes Klavier die Europahymne. Im Hinterhof zieht ein Bus fahrerlos seine Runden - ungewohnte Anblicke im sonst bürokratisch-steifen Alltag im Brüsseler Europaviertel. "Ich bin überrauscht von diesem Bus, der hier ohne Lenkrad oder Chauffeur fahren darf, während wir im Europaparlament sogar Sicherheitsbestimmungen für das Bedienen eines Joysticks haben", scherzt der liberale finnische Europaabgeordnete Hannu Takkula bei der Eröffnung der "EU-Roboterwoche".

Wirtschaftliches Potenzial

Hersteller aus ganz Europa wurden in die belgische Hauptstadt geladen, um ihre Erfindungen und Innovationen vorzustellen. Das soll die Skepsis nehmen, die viele Europäer gegenüber künstlicher Intelligenz haben. "Wie bei allem Neuen, müssen die Menschen eine Möglichkeit haben, sich zu informieren und zu sehen, wie Roboter im Alltag eingesetzt werden können", sagt der EU-Abgeordnete Takkula. Doch nur wenige Besucher sind der Einladung gefolgt. Nach der Eröffnungsrede werden die Gäste aufgefordert, den selbstfahrenden Bus im Hof zu testen. Eine kleine Gruppe folgt dem Aufruf. Der Rest lässt sich lieber von einem Roboterarm ein alkoholfreies Bier einschenken.

Brüssel - EU Robotics Week:  Ein Roboter, der Bier ausschenkt
Roboter "BierPauli" übernimmt die Versorgung der GästeBild: DW/D. Pundy

"Europa ist bereits Spitzenreiter in der Herstellung und im Einsatz industrieller Roboter und lässt sogar Japan und die USA hinter sich", sagt Ökonom Georgios Petropoulos. Er forscht aktuell am Brüsseler Institut Bruegel über die Auswirkungen von Automatisierungsprozessen in der Arbeitswelt. "Durch künstliche Intelligenz ist die Effizienz der Produktion in einigen Bereichen stark gestiegen", so Petropoulos. "Dadurch sind die Produktions- und Lohnkosten gesunken, während die Qualität, Angebot und Nachfrage gestiegen sind." Doch das bleibt nicht ohne Folgen für den Arbeitnehmer. "In einigen Ländern können wir beobachten, dass Roboter sehr wohl Arbeitsplätze ersetzten". Ein Massenphänomen sei das aber nicht, so der Volkswirt. Aber Petropoulos bleibt vorsichtig: "Roboter in der Industrie sind noch ein relativ neues Phänomen. Langzeitfolgen können wir noch nicht absehen."

Brüssel - EU Robotics Week: Ökonom Georgis Petropulos
Laut Ökonom Georgios Petropoulos trägt die Automatisierung zum wirtschaftlichen Aufschwung beiBild: DW/D. Pundy

Auch Wolfgang Kowalsky vom Europäischen Gewerkschaftsbund ETUC kann die Sorge vieler Europäer um ihre Arbeitsplätze nachvollziehen. Trotzdem lehnt er Roboter nicht generell ab. "Es gibt zwei Möglichkeiten der Automatisierung. Die Eine hat eine menschenfreie Fabrik zum Ziel. Das wollen wir natürlich nicht", so Kowalsky . "Die Andere strebt eine Kooperation zwischen Maschine und Mensch an." Roboter würden dazu beitragen, dass schwere Arbeiten einfacher und weniger gesundheitsschädlich werden. Auch in Sachen Gleichberechtigung würden Roboter helfen. "In Autofabriken können jetzt Frauen die ganz schweren Arbeiten machen, weil Roboter ihnen dabei helfen", so der Gewerkschafter.

Gute und schlechte Roboter

Einer jener Roboter, die Menschen unterstützten, ist "Tiago", der für die Begrüßung der Brüsseler Gäste zuständig ist. Mit seinem Greifarm übernimmt er einerseits monotone Arbeiten in Fabriken. Anderseits kann er behinderten, kranken oder alten Menschen zur Seite stehen, wie Judith Viladomat von "PAL Robotics" erklärt. Besonders in Hinblick auf die alternde Gesellschaft, gäbe es hier großen Bedarf. "Der Roboter ist mit einer Wärmebildkamera ausgestattet und kann daher dem Menschen folgen, den er betreut", erklärt Viladomat. Der Roboter kommt auch im Haushalt oder in Pflegeheimen zum Einsatz. "Er kann beispielsweise Menschen in der Nacht zudecken oder fallengelassene Gegenstände wieder aufheben", so Viladomat. Dadurch könne knappes Pflegepersonal sinnvoll entlastet werden.

Brüssel - EU Robotics Week: Zwei Exemplare des Roboters "Tiago"
"Tiago" (links) kann Arbeiten in Fabriken und Pflegeheimen übernehmen, sein Kollege kann alte Menschen mit Gedächtnisübungen unterhaltenBild: DW/D. Pundy

Die Automatisierung von Arbeit sei "eben ein zweischneidiges Schwert", so Gewerkschafter Wolfgang Kowalsky . Er warnt davor, die Sorgen der Arbeitnehmer auf die leichte Schulter zu nehmen. "Diese Bedenken sind in einigen Ländern wahlentscheidend gewesen", so Kowalsky. "Diese Angst hat dazu beigetragen, dass in den USA Donald Trump an die Regierung kam und sie hat dazu geführt, dass in Großbritannien die Brexit-Befürworter gewonnen haben."

Brüssel - Der Europaabgeordnete Hannu Takkula bei der Eröffnung der EU Robotics Week
Europaabgeordneter Hannu Takkula tritt in Brüssel für gesetzliche Normen für künstliche Intelligenz einBild: DW/D. Pundy

Die Ansätze, um diese Bedenken zu lindern, sind vielseitig. Der Europaabgeordnete Hannu Takkula fordert gesetzliche Regelungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz, allerdings dürften diese Innovationen nicht im Weg stehen. Gewerkschafter Kowalsky kommt auch ohne neue Gesetze oder Richtlinien aus. Vielmehr wünscht er sich eine breite öffentliche Debatte in ganz Europa, wie Arbeit in der Zukunft aussehen soll. Dadurch würde ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass neue Innovationen den Menschen nicht aus der Arbeitswelt verdrängen dürfen. Auch durch eine gezielte Finanzierung von Forschungsprojekten, könne die Entwicklung in die richtige Richtung gelenkt werden, so Kowalsky.

Der Ökonom Georgios Petropoulos fordert hingegen konkrete Bildungsmaßnahmen. Ausbildungen müssten mehr auf den technologischen Wandel eingehen. Auch bereits aktive Arbeitskräfte müssten durch Weiterbildungen und Umschulungen auf die Veränderungen in der Arbeitswelt vorbereitet werden, so dass möglichst wenige Menschen ihre Jobs verlieren.

Vorzeigeland Deutschland

Die europäischen Länder reagieren bislang sehr unterschiedlich auf die Roboterisierung. Ein Negativbeispiel sind laut Gewerkschafter Kowalsky die baltischen Staaten. Hier würden Arbeitnehmervertreter systematisch von der Debatte ausgeschlossen. "So kann man eigentlich nur dazu beitragen, dass Ängste entstehen und die Leute den populistischen Parteien zulaufen", so der Funktionär.

Deutschland ist für den Gewerkschafter Kowalsky und den Volkswirt Petropoulos Europas Vorzeigeland im Umgang mit Robotern im Arbeitsalltag. In Deutschland sei es gelungen, die durch künstliche Intelligenz gesteigerte Produktion sinnvoll zu nutzen. Durch technische Innovationen konnten neue Märkte erschlossen werden, wodurch wiederum neue Jobs im Dienstleistungssektor geschaffen wurden. Dadurch konnte der Jobverlust in der Industrie ausgeglichen werden, so der Ökonom Georgios Petropoulos. Begleitet wurde dieser Prozess von einer breiten Debatte, wie sie Gewerkschafter Wolfgang Kowalsky fordert. Arbeitsministerium, Wirtschaftsministerium, Wissenschaftler und Sozialpartner seien an zahlreichen Projekten beteiligt, die die Automatisierung in Deutschland begleiten. So könne den Arbeitnehmern die Sorge vor der Automatisierung genommen und der Stellenabbau möglichst gering gehalten werden.