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Politik

"Trump hat die Tür nicht komplett verschlossen"

24. Mai 2018

Trumps Absage des Treffens mit Kim Jong Un hat die Gespräche womöglich vor einem späteren Scheitern bewahrt, sagt der Politik-Analyst H. Riecke. Nordkorea hätte sich eine komplette Denuklealisierung kaum leisten können.

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USA - Donald Trump - Flughafen
Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

DW: Trump hat das Treffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un abgesagt. Trump begründete dies unter anderem mit der "offenen Feindseligkeit" Kims in dessen jüngsten Äußerungen. Wie schätzen Sie das Verhältnis der beiden Staatschefs und der beiden Staaten ein?

Henning Riecke: Es basierte bislang wohl vor allem auf einem Versuch Trumps, Kim entgegenzukommen und dadurch eine neue Dynamik in die Verhandlungen zu bringen. Das ist sicher positiv. Allerdings kann Kim die Forderung einer kompletten Denuklealisierung Nordkoreas, für die die Amerikaner bereits im Vorfeld der Verhandlungen gerne Garantien und Sicherheiten gehabt hätten, kaum erfüllen. Seinem Regime geht es relativ gut. Es ist relativ stabil, und zwar auf Grundlage seiner Nuklearwaffen. Zudem genießt es einen stillschweigenden Schutz durch die Chinesen. Das macht es für die Amerikaner schwierig, militärisch durchzugreifen.

Was bedeutet die Absage für das Regime von Kim Jong Un?

Sie hat die Sicherheit für das Regime erhöht. Das Regime ist natürlich verbrecherisch. Kim geht es in erster Linie um den Machterhalt seiner Familie und des engeren Zirkels. Wenn er nun die Nuklearwaffen aufgeben sollte, wäre das wahrscheinlich auch ein Ende seiner Regierung. Entsprechend sind die Gesten aus Pjöngjang auch als Ablenkung zu verstehen. Der unstete politische Kurs hält Korea ja auch in der Diskussion - etwa die Freundlichkeit anlässlich der Olympischen Spiele mit Südkorea. Und nun die etwas aggressivere Tonlage gegen US-Vizepräsident Mike Pence - der freilich seinerseits nicht sonderlich freundlich war. Dass das nun aber wieder so hoch gekocht ist, war womöglich auch ein Versuch Nordkoreas, diesen Gipfel unmöglich zu machen. Es ist ja sehr gut vorstellbar, dass Nordkorea gar kein Interesse daran hat, dass anlässlich des Gipfels nun seine Atomwaffen zur Disposition stehen.

Henning Riecke
DGAP-Sicherheitsexperte Henning RieckeBild: DGAP/Dirk Enters

Also war mit einem Scheitern des Gipfels zu rechnen?

Ich habe mir zumindest nicht vorstellen können, was bei dem Gipfel herauskommen könnte, wenn die Forderungen für die Nordkoreaner unerfüllbar sind.

Die USA stellen die kaum erfüllbare Forderung nach kompletter Denuklealisierung. War das womöglich auch eine Strategie?

Letztlich können die Amerikaner kaum zu einer anderen Position kommen. Trump muss zeigen, dass er das Verhältnis zu Nordkorea besser meistert als sein Vorgänger. Darum kann er sich nicht auf einen Kompromiss einlassen. Das hätte an den Iran-Deal erinnert, den Trump jetzt aufgekündigt hat. Er musste versuchen, Nordkorea mit Druck zu Verhandlungen zu bringen, bei denen sie dann ihre Bereitschaft hätten erklären müssen, auf Nuklearwaffen zu verzichten. Ich fürchte nur, dass die Strategie, um der nordkoreanischen Denuklealisierung willen eine Rote Linie zu ziehen, Trump gezwungen hätte, im äußersten Fall auch Krieg zu führen - und zwar im Zweifel auch gegen die Chinesen. Das bekommt dann eine Dynamik, die niemand wollen kann.

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Was könnte das denn für das künftige Verhältnis der beiden Staaten bedeuten?

Die Absage hat die Tür ja nicht komplett und für immer verschlossen. Trump erklärte ja, er stehe für Verhandlungen grundsätzlich weiter zur Verfügung. Er hat sich zudem für die Freilassung der Gefangenen aus nordkoreanischer Haft bedankt. Er sprach zudem von einer verpassten Gelegenheit. Er baut also weiter eine Brücke. Trump hat begriffen, dass diese Art direkter Diplomatie - das Vier-Augen-Gespräch mit Kim, zu dem bislang kein Präsident bereit war - weiterhin Chancen bietet. Stattdessen geht es jetzt beiden Seiten darum, für das Platzen des Treffens die jeweils andere Seite verantwortlich zu machen.

Was könnte das denn für das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea bedeuten?

Die Nordkoreaner dürften begriffen haben, dass Südkorea kein Interesse an einer allzu konfrontativen Politik hat. Deswegen wäre es klug, an dem freundlichen Verhältnis und der nun beschlossenen Agenda festzuhalten - auch mit dem Ziel, das Bild Nordkoreas in dieser Verhandlungssituation positiver darzustellen. Das Verhältnis der beiden Staaten zueinander könnte also etwas freundlicher werden. Allerdings ist es zugleich auch davon abhängig, wie sich Nordkoreas Verhältnis zu den USA entwickelt. Und wenn es Pjöngjang sinnvoll erscheint, den Kontakt zum Süden aus strategischen Gründen abzubrechen, wird man das auch tun.

Die Hände der USA sind zum Teil gebunden, da China ja zumindest indirekt eine Schutzmacht Nordkoreas ist. Wie steht es um den Einfluss der USA in der Region?

Man muss sehen, dass China die regionalen Verbündeten der USA als Weltmacht und mächtiger Wirtschaftspartner immer wichtiger wird. Die wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten in der Region verdichten sich, und jeder der dortigen Staaten muss sein Verhältnis zu China regeln. Das Gewicht der Amerikaner ist vor allem natürlich aufgrund der US-Präsenz dort und wegen ihrer Sicherheitszusagen relativ groß. Umso unverständlicher ist es, dass die Amerikaner ihre politische Position nicht auch wirtschaftlich flankieren. Stattdessen haben sie sich aus dem Freihandel in der Region zurückgezogen, um auf bilateraler Ebene bessere Handelsbedingungen auszuhandeln. Das hat China bereits die Tür geöffnet. Dadurch haben sich die Amerikaner selbst geschwächt.

Henning Riecke ist seit Januar 2009 Leiter des Programms USA/Transatlantische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).

Das Interview führte Kersten Knipp.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika