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EU will Wachstum fördern

Bernd Riegert12. Mai 2012

Nach der Wahl des Sozialisten Hollande zum Präsidenten Frankreichs redet Europa wieder vom Wachstum. Welches Wachstum ist gemeint und wie soll die Konjunktur angeschoben werden?

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Säulen aus Münzen wachsen an (Archiv DW)
Bild: Fotolia/Frog 974

In vielen südlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schrumpft die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit steigt. Die Staaten fahren ihre Ausgaben zurück, um die Haushalte zu sanieren und Defizitgrenzen einzuhalten. Dazu haben sich die Staaten der EU, insbesondere die 17 Mitglieder der Währungsunion, immer wieder verpflichtet, um die Gemeinschaftswährung Euro zu bewahren. Der neue französische Präsident Francois Hollande hat im Wahlkampf aber den Sparkurs gegeißelt und neue Konjunkturprogramme versprochen. Gleichzeitig ließ der Sozialist Hollande am Freitag (11.05.2012) in Paris verkünden, er werde die mit der EU-Kommission vereinbarten Haushaltsziele einhalten und die Neuverschuldung auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes drücken.

"Wachstumspakt" soll alte Beschlüsse ergänzen

Hollande will den Fiskalpakt der Europäischen Union erst ratifizieren, wenn er um einen Wachstumspakt ergänzt wird. Diesen Wachstumspakt will nun auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützen, wie sie bereits vor der Wahl Hollandes Ende April ankündigte. Sie kann dabei auf die Beschlüsse des EU-Gipfels vom März 2012 verweisen, der die schöne Formel vom Sparen erfand, das gleichzeitig Wachstum fördert. Darunter sind vor allem strukturelle Reformen auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungswesen in den Mitgliedsländern der EU zu verstehen, die kein neues Geld kosten. Der Präsident der EU-Kommission, Jose Barroso, sagte zu der Diskussion um Konjunkturprogramme: "Wir müssen das Rad ja nicht jedes Mal neu erfinden." Barroso sprach aus Anlass des Europatages am 9. Mai vor Studenten an der Universität Florenz. "Um Wachstum auszulösen, brauchen wir Haushalts-Konsolidierung, strukturelle Reformen und Investitionen. Es geht nicht um Sparen o d e r Investitionen, sondern es geht um alle drei Dinge: Konsolidierung, Reformen und Investitionen."

EU-Komissionspräsident Jose Barroso REUTERS/Eric Vidal (BELGIUM - Tags: POLITICS BUSINESS)
EU-Kommissionspräsident Barroso: Nicht reden, machenBild: Reuters

Projekt-Anleihen sollen Wachstum fördern

Die EU-Kommission hatte bereits vor Monaten gemeinschaftliche Anleihen der Euro-Staaten für spezielle Projekte im Bereich der Energieversorgung angeregt. "Wir haben Projekt-Bonds vorgeschlagen, um privates Kapital für wichtige strategische Investitionen zu mobilisieren. Dabei wollen wir mit der Europäischen Investitionsbank arbeiten", sagte Barroso in Florenz. "Dieser Vorschlag wurde schon im vergangenen September gemacht. Jetzt sehe ich, dass ganz viele Leute das auch vorschlagen. In der Politik ist das Kopieren von Ideen ein Kompliment, nehme ich an. Die Vorschläge liegen längst alle auf dem Tisch!" Francois Hollande hatte im Wahlkampf gemeinsame Anleihen der Euro-Zone ins Spiel gebracht, die Angela Merkel aber erst ganz am Ende des Reformweges sieht. Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hatte einen europäischen Masterplan für Wachstum befürwortet. Am 23. Mai soll nun ein weiterer Sondergipfel der Europäischen Union, an dem dann auch erstmals der neue französische Präsident teilnehmen wird, über die Wachstumsstrategie beraten.

"Der Süden muss sparen und der Norden mehr konsumieren"

Der Ökonom Guntram Wolff vom Brüssler Forschungsinstitut "Bruegel" sagte der Deutschen Welle, die Staaten der Euro-Zone kämen um das Sparen, das Konsolidieren ihrer öffentlichen Haushalte, nicht herum. "Was wir verstehen müssen ist, dass wir im Euroraum eine Strukturanpassung durchführen müssen. Der Süden Europas muss sich strukturell anpassen. Der Norden Europas muss sich aber auch anpassen. Die Frage ist, wie bekommen wir diese Anpassungsprozesse hin?" Vor allem der Süden müsse sparen, so Guntram Wolff gegenüber der DW. Umgekehrt gelte aber auch: Der Norden müsse mehr konsumieren. "Ich glaube, da haben wir jetzt einige ermutigende Signale gesehen vom Bundesfinanzminister Schäuble, der die Tarifparteien aufgefordert hat, die gute Arbeitsmarktsituation in höheren Löhnen widerzuspiegeln. Insofern werden wir höhere Nachfrage haben. Wir werden mehr Einkommen und weniger Sparen im Norden brauchen, um eine Rezession im Euro-Raum insgesamt zu verhindern."

Es handelt sich um Guntram B. Wolff, stellvertretender Direktor von Bruegel, dem unabhängigen Think Tank zu Wirtschaftsthemen in Brüssel. Pressefoto Bruegel Institut
Guntram Wolff: Sparen muss sein, zumindest im SüdenBild: Think Tank Bruegel

Keine Konjunkturprogramme auf Pump

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, hält es für sinnvoll, öffentliche und private Investitionen in Europa zu fördern. Man müsse allerdings genau überlegen, wie man solche Investitionen anstoßen könne. "Was keinen Sinn hat, sind irgendwelche Strohfeuer, dass wir kreditfinanzierte Ausgabenprogramme voranschieben. Das würde auf der einen Seite die Wirtschaft nur sehr kurzfristig ankurbeln und würde auf der anderen Seite aber das Vertrauen der Investoren, die den Ländern der Euro-Zone Geld geben sollen, deutlich erschüttern", sagte Michael Kemmer im Deutschlandfunk. Kemmer vermutet, dass solche Wachstumsprogramme ohnehin nur durch neue Kreditaufnahmen zu finanzieren seien. Wachstumsimpulse seien im Prinzip richtig, aber man müsse sehr sorgfältig überlegen, was man tue. Wachstumsprogramme auf Pump lehnte auch Bundeskanzlerin Merkel in mehreren Interviews erneut ab.

Michael Kemmer (Hauptgeschaeftsfuehrer des Bundesverbandes deutscher Banken) in der Talk-Show "maybrit illner" am 27.10.2011 in Berlin
Michael Kemmer, Bundesverband deutscher Banken: Keine StrohfeuerBild: picture alliance/Eventpress

Instabiler Bankensektor schafft Unsicherheit

Ein großes Hindernis für Investitionen und "Gift für das Wachstum" ist nach Ansicht des Ökonomen Guntram Wolff in Brüssel die schwelende Bankenkrise in Europa. "Wir müssen verstehen, dass die wirtschaftspolitische Koordinierung immer noch nicht ausreichend ist. Insbesondere im Bereich der Banken brauchen wir eine viel, viel stärkere europäische Behörde", sagte Wolff der DW. "Wir brauchen eine gemeinsame Bankenaufsicht mit Autorität, die wirklich bei Problemen im Bankensystem überall in Europa durchgreifen kann." So lange man in Europa die Bankenaufsicht nicht regele, werde man weiter Instabilität haben. Die Finanzmärkte würden den Euro-Raum dann immer wieder testen, so Wirtschaftsexperte Wolff vom Bruegel-Institut.

"Machen statt Diskutieren"

Die Maßnahmen, die zur Stützung der Konjunktur in Europa ergriffen werden sollten, sind in der "Agenda 2020" von der Europäischen Kommission zusammengetragen worden. Das Paket ist von den Staats- und Regierungschefs der EU auch bereits im letzten Jahr genehmigt und im März 2012 noch einmal bekräftigt worden. Der Präsident der EU-Kommission, Jose Barroso, mahnt immer wieder die schnelle Umsetzung der Beschlüsse auf der nationalen Ebene an. Viele Staaten, so Barroso, ließen sich zum Bespiel bei Reformen zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes im Internethandel zu viel Zeit. "Statt immer weiter zu diskutieren, müssen wir es einfach nur machen. Die Instrumente sind da", sagte Barroso am Mittwoch in Florenz.