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Portugal

6. April 2011

Am 5. Juni wird im hochverschuldeten Portugal gewählt. Experten gehen davon aus, dass eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung der Gang als Bittsteller nach Brüssel sein wird.

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Portugiesische Euro-Münzen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Hiobsbotschaften aus Lissabon reißen nicht ab: Die eigene Notenbank sagt für dieses Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft von über einem Prozent voraus; die Staatsschulden werden bald so groß sein wie die gesamte Wirtschaftsleistung eines Jahres. Ministerpräsident Jose Socrates ist mit einem weiteren Sparprogramm im Parlament gescheitert und musste Ende März zurücktreten. Am Dienstag (05.04.2011) setzte Moody's als dritte Ratingagentur die Bonität Portugals herunter. Bereits vergangene Woche Freitag wertete die Agentur Fitch Portugal gleich um drei Stufen ab. Mit "BBB-" ist das Rating nur noch eine Stufe von Ramschstatus entfernt.

Konsolidierungsziel verfehlt

Christoph Weil von der Commerzbank (Foto: Commerzbank AG)
Christoph Weil von der CommerzbankBild: Commerzbank AG

Kurz davor wurde bekanntgegeben, dass das südeuropäische Land das Konsolidierungsziel für 2010 verfehlt hatte. Christoph Weil von der Commerzbank: "Sie wollten ja das Haushaltsdefizit letztes Jahr auf 7,3 Prozent senken. Raus gekommen sind 8,6 Prozent." Wenn man die Einmalzahlung von der Portugal Telecom herausrechne, dann hätten wir ein Defizit von zehn Prozent. "Das wäre genau so hoch wie 2009." Das bedeute, dass Portugal im letzten Jahr trotz aller Maßnahmen sein Defizit nicht reduziert habe. Das laufende Defizit und die geringe Wettbewerbsfähigkeit seien die Hauptprobleme des Landes, so Weil weiter.

Bis aber die nötigen Reformen am Arbeitsmarkt und im Bildungssektor Wirkung zeigen, werden mehrere Jahre vergehen - Zeit, die die Finanzmärkte dem strukturschwachen Land nicht mehr gönnen. Die Zinsen für langjährige Staatsanleihen sind auf über acht Prozent geklettert - ein Zinssatz, der auch finanzstarke Länder in die Knie zwingen würde. Chefvolkswirt der Norddeutschen Landesbank, Torsten Windels, rät Portugal daher, sich unverzüglich unter den Euro-Rettungsschirm zu stellen: "Ich glaube, dass sie die Refinanzierungsmittel, die sie im April brauchen, nur ganz schwer vom Markt bekommen werden oder nur zu Zinsen, die sie eigentlich nicht akzeptieren sollten."

Doch die Regierung, die das Land nur noch bis zu den Neuwahlen am 5. Juni verwaltet, ziert sich. Weil die rechtliche Basis fehle, sagt Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos. Christoph Weil vermutet dahinter eher wahltaktische Gründe, da die sozialistische Regierung nie fremde Hilfe wollte und kurz vor der Wahl erst recht keine "Schande" über sich ergehen lassen wolle.

Offenbarungseid will keiner

Torsten Windels, Chefvolkswirt der Norddeutschen Landesbank (Foto: Norddeutsche Landesbank)
Torsten Windels, Chefvolkswirt der Norddeutschen LandesbankBild: Norddeutsche Landesbank

Tatsächlich komme ein Hilfeantrag für die Regierung einem Offenbarungseid gleich, stimmt Torsten Windels zu. Wenn die Regierung eines Landes an eine supranationale Institution herantrete, bekomme sie das Geld nicht ohne Gegenleistung: "Das ist ja nichts anderes, als dass ich meine staatliche Handlungsfähigkeit, meine Souveränität an der Tür des Europäischen Stabilitätsfonds abgebe und nicht mehr Herr im eigenen Hause bin." Deshalb seien die Regierungen eher bereit, hohe Lasten einzugehen, um diesen Schritt zu vermeiden.

Ein teurer Spaß werde es für Portugal werden, prognostiziert Christoph Weil, denn bis Juni muss das Land rund zwölf Milliarden Euro fällige Kredite durch neue ersetzen. Wenn sich die Portugiesen jetzt nicht retten lassen, müssen sie sich mit kurzfristigen Krediten über Wasser halten. Am vergangenen Freitag mussten sie für einen 14-monatigen Bond 5,8 Prozent Zinsen zahlen. "Und für den selben Zins würden sie beim Europäischen Rettungsschirm einen Kredit über 7,5 Jahre bekommen", sagt Weil von der Commerzbank.

Bis zu 70 Milliarden Euro Bedarf

Der Oppositionsführer Pedro Passos Coelho auf dem EU-Gipfel Ende März (Foto: AP)
Der Oppositionsführer Pedro Passos Coelho wird wahrscheinlich die Wahl gewinnenBild: AP

Es wird sogar mit einem noch niedrigeren Zinssatz gerechnet. Denn die Beispiele Griechenland und Irland zeigen, dass die hohen Strafzinsen nicht geeignet sind, um kriselnden Ländern aus der Patsche zu helfen. Deshalb hat der Rettungsfonds den Zinssatz für Griechenland bereits gesenkt und wird es auch für Irland tun.

Bis zu 70 Milliarden Euro braucht Portugal, so die Einschätzung von Christoph Weil. Das werde der noch bis 2013 gültige Euro-Rettungsschirm locker verkraften. Bis jetzt wurden aus dem Fonds, dessen effektive Summe bis Ende Juni auf 440 Milliarden Euro aufgestockt wird, nur 85 Milliarden für Irland beansprucht. Für Griechenland wurde im Mai 2010 ein Extrapaket von der EU und dem IWF geschnürt.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel