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Reproduktion des Alltäglichen - Die Andy-Warhol-Retrospektive in Berlin

10. Oktober 2001

Die Neue Nationalgalerie Berlin präsentiert Andy Warhol. Der Pop-Art-Künstler soll als "bedeutendster Chronist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" gezeigt werden.

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Liza-Minnelli-Porträts von Andy WahrholBild: AP

Zwölf Jahre nach der ersten umfassenden Andy-Warhol-Retrospektive in New York präsentiert die Berliner Schau nicht nur die knallbunten Bilder von Colagläsern, Hibiskusblüten und Campbell-Suppendosen oder Porträts von Marilyn Monroe, Liza Minelli und Mao, sondern auch Warhols erste handgemalte Schwarz-weiß-Bilder oder - zum ersten Mal überhaupt - die Serie der "Thirteen most wanted men" aus Vorlagen von FBI-Fahndungsfotos. Die Exponate zeigen, warum Warhol (1928-1987) zum Synonym der USA der 60er und 70er Jahre wurde, wo eine Konsumgesellschaft die absolut erstrebenswerte Utopie war.

"Der bedeutendste Chronist des 20. Jahrhunderts"

Das Publikum feierte den exzessiven Künstler, der gern in schrillen Klamotten auftrat und sich seine Nase verschönern ließ, wie einen Pop-Star. Alles, was zu kaufen war, projizierte Warhol auf Bilder, die dementsprechend meist banale Wirklichkeiten abbildeten. Dass ihm so mancher unterstellte, er übe damit Gesellschaftskritik, amüsierte Warhol. "Ich mag einfach nur langweilige Sachen", erklärte er. Er wolle einfach das Nichts malen. Trotzdem machte er mit seinen Werken auf die Oberflächlichkeit der Alltagskultur und eine entfremdete Massengesellschaft aufmerksam.

Rund 160 Bilder und 80 Zeichnungen Warhols aus aller Welt hat der Kurator Heiner Bastian zusammengestellt. Die Bilder und Zeichnungen sind Leihgaben von Sammlern in Deutschland und den USA sowie des Museum of Modern Art in New York und des Hamburger Bahnhof in Berlin. Warhols Bilder sollen jedoch nicht - wie so oft - als Zitate der Pop-Kultur präsentiert werden, sondern als eigenständige Werke, die ihren Platz in der Kunstgeschichte beanspruchen. "Ich wollte Warhol aus dem Umarmung der Pop-Art lösen", begründete Bastian sein Konzept.

Klassiker der Moderne

Die Retrospektive beginnt mit Zeichnungen und Selbstporträts, die während seiner Studienzeit in Pittsburgh in den 50er Jahren entstanden. Im Winter 1960 malte Warhol eine einzelne Cola-Flasche in schwarzer Farbe auf die Leinwand. Das Werk markiert einen Wendepunkt in seinem Schaffen: Im Mittelpunkt steht nun die detailgenaue, sachliche Reproduktion eines Originals.

Nachdem Warhol 1962 die Vorteile des Siebdrucks entdeckt hatte, entstanden unter anderen Serien von Unfällen oder vom elektrischen Stuhl, den er als "typisch amerikanische Todesart" begriff. Bilder von Tragödien aus der realen Welt wurden zu seinen prädestinierten Vorlagen. "Ich glaube, dass alles, was ich berühre, mit dem Tod zu tun hat", sagte Warhol, der 1968 dem Tod nach einem Attentat nur knapp entrann.

Mitte der 60er Jahre gab Warhol, dessen Eltern aus der Ostslowakei stammten, die Malerei weitgehend auf, um sich anderen Medien zuzuwenden. Mit dem Sänger Lou Reed hob er die Band "Velvet Underground" aus der Taufe. Und mit "Trash" und "Flesh" schuf Warhol Kult-Filme der amerikanischen Kunst-Szene. Parallel zur Berliner Ausstellung zeigt die Deutsche Kinemathek rund ein Dutzend Filme, die der Maler in seiner "Factory" drehte.

Kurz vor seinem überraschenden Tod - infolge einer Gallenblasenoperation - am 22. Februar 1987 stellte Warhol noch eine Bildserie fertig, die Leonardo da Vincis "Abendmahl" verfremdet zeigt. Für den riesigen Siebdruck wurde das gesamte Erdgeschoss der Neuen Nationalgalerie reserviert. Die Schau ist in Berlin noch bis zum 6. Januar 2002 zu sehen, ab Februar 2002 dann in London und im Anschluss voraussichtlich in Los Angeles.