Religiöses Mobbing an deutschen Schulen nimmt zu | Deutschlehrer-Info | DW | 05.04.2018
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Deutschlehrer-Info

Religiöses Mobbing an deutschen Schulen nimmt zu

Seit eine Schülerin bedroht wurde, weil sie nicht an Allah glaubt, warnen Vertreter aus Religion und Wissenschaft vor der Verharmlosung von religiösem Mobbing. Gleichzeitig wird eine bundesweite Meldestelle gefordert.

Antisemitismus an deutschen Schulen gibt es schon länger, doch seit einem Bericht über eine Berliner Schülerin, die bedroht wurde, weil sie keine Muslimin ist, wird verstärkt über Mobbing aus religiösen Gründen diskutiert. Mobbing aus religiösen Gründen nehme zu, sagte Imam Taha Sabri von der Neuköllner Begegnungsstätte Dar-as-Salam-Moschee der „Berliner Zeitung. Er selbst habe immer wieder mit ähnlichen Fällen zu tun, wo muslimische Kinder ihr Gegenüber in „Schubladen
'wie guter Muslim, böser Ungläubiger' sortieren".

Vor allem Antisemitismus

Der Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal bestätigt diesen Eindruck. Er sei vor 22 Jahren aus New York nach Deutschland gekommen, sagte Teichtal der „Berliner Morgenpost". „Noch nie musste ich besorgte Familien so oft beraten wie in den vergangenen Monaten." Durchschnittlich mindestens einmal die Woche würden Eltern ihm von derartigen Vorkommnissen berichten. Dabei gehe es um Pöbeleien, Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu ernsten Bedrohungen, erklärte der Vorsitzende des streng orthodox ausgerichteten Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch. Die von ihm beobachtete Zunahme von Antisemitismus und religiösem Mobbing hängt für Teichtal auch mit der Flüchtlingsthematik zusammen. Einige von ihnen seien in ihren Heimatländern mit Hass auf die Juden und Israel groß geworden, sagte der Rabbiner.

Mehr Prävention

Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick nennt solche Vorfälle die „Spitze des Eisberges". Er beobachte in Deutschland einen weit verbreiteten Antisemitismus, der für jüdische Kinder zur Wirklichkeit gehöre, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Einer eigenen Studie zufolge hätten von 1.000 jüdischen Mitbürgern 70 Prozent Antisemitismus in der Schule oder am Arbeitsplatz erlebt, erklärte Zick.

Nach Einschätzung des Wissenschaftlers muss die Prävention gegen Diskriminierung an Schulen verstärkt werden. Bei menschenverachtenden Hasstaten in der Schule reichten eine Schulkonferenz oder ein Schulverweis nicht aus. Hier müsse man an die Wurzeln gehen. Nötig sei auch ein Zugang zu den Milieus. Die Direktorin des American Jewish Committee (AJC) in Berlin, Deidre Berger, forderte eine klare Haltung muslimischer Verbände und ein „beherztes Eingreifen gegen religiösen Hass und Antisemitismus an unseren Schulen". Daher brauche es mehr Angebote für Lehrer, Anlaufstellen, die dazu informieren, wie mit dem Thema umzugehen ist, und eine Stärkung der Schülerschaft, die sich anders verhält. Gemeinsam Rabbiner und Imame an Schulen zu schicken, wie es der Zentralrat der Muslime vorgeschlagen hatte, impliziere, dass es einen Konflikt zwischen Juden und Muslimen gibt, sagte Berger. Dies sei aber eine falsche Annahme: „Es gibt Antisemitismus und religiösen Hass, der sich einseitig gegen Juden richtet und immer mehr auch gegen jene, die nicht in das Weltbild radikaler Jugendlicher passen: junge Frauen, Homosexuelle oder säkulare Muslime."

Bundesweite Meldestelle gefordert

Als Folge der Diskussion wurden auch Forderungen nach einem bundesweiten Meldesystem für antisemitische Vorfälle an deutschen Schulen laut. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hatte sich für eine Meldepflicht für judenfeindliche Vorfälle an Schulen ausgesprochen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, forderte derweil die Schaffung einer eigenen Einrichtung, die antisemitische Vorfälle erfasst. Darüber, ob es eine solche Meldestelle geben soll, oder ob Antisemitismus an Schulen in der bundesweiten Kriminalstatistik erfasst werden soll, wird derzeit gestritten. Einige Bundesländer, zum Beispiel Schleswig-Holstein, wollen jetzt selbst aktiv werden, im Bundesinnenministerium hingegen hält man eine gesonderte Erfassung nicht für notwendig.