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Gesellschaft

Wie lässt sich geschlechtergerecht schreiben?

Sabine Peschel
16. November 2018

Es ist ein Reizthema: Gibt es bessere Varianten als Sternchen wie bei "Lehrer*in" oder mit Tiefstrich wie bei "Lehrer_in"? Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt vorerst keine konkreten Schreibweisen.

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Kathrin Kunkel-Razum | Leiterin der Dudenredaktion
Bild: picture-alliance/dpa/dpa-Zentralbild/B. Pedersen

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist die maßgebliche Instanz, wenn zu entscheiden ist, wie was auf Deutsch geschrieben wird. Dabei geht es nicht nur darum, ob etwas groß oder klein, getrennt oder zusammen geschrieben werden soll. Das Gremium hat es immer wieder auch mit Fragen zu tun, die gesellschaftspolitische Auswirkungen haben.

Wie man geschlechtergerecht schreibt, ist eine solche Frage. Sie beschäftigt den Rat schon seit längerem. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom vergangenen Jahr, wonach im Geburtenregister neben "männlich" und "weiblich" eine dritte Option geschaffen werden soll, hat die Debatte um Gendersprache befeuert.

Keine einfache Debatte

Lösungen müssen gefunden werden. Der Rat hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die herausfinden sollte, wie man geschlechtergerecht schreiben kann. Am Freitag (16.11.2018) diskutierte das 41-köpfige Gremium nun in Passau über deren Vorschläge. Kathrin Kunkel-Razum (im Titelbild) ist promovierte Germanistin und Leiterin der Duden-Redaktion, außerdem Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung. Sie hat in der Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeitet.

Der Weg zu konkreten Empfehlungen war nicht einfach, erzählt sie. "Inzwischen hat sich die Diskussion ja noch einmal dahingehend erweitert, dass auch andere Geschlechter sprachlich repräsentiert werden möchten und das auch einfordern." 

Vorschläge, aber keine Lösungen

Dafür gebe es zwar Vorschläge, aber noch keine Lösungen. "Das wird sicher auch viele Jahre dauern, bis sich die Gesellschaft und die Bürgerinnen und Bürger auf einen Modus verständigt haben." Vielleicht geschehe das auch nie. "Denn", betont die Chefin der Duden-Redaktion, "der Rat darf sich eben nur zu Rechtschreibfragen äußern". Einige Mitglieder im Rat seien deshalb der Ansicht, dass man sich im Grunde zu den Genderfragen gar nicht äußern könne,  weil diese weit über die Zuständigkeit des Expertengremiums hinausgingen. "Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen beeinflusst werden", teilte der Rat jetzt mit. "Damit gibt es vorerst keine offizielle Empfehlung für Schreibweisen wie etwa das 'Gendersternchen'."

Was der Duden wirklich mit dem Gendersternchen vorhat
Schafft es das Gendersternchen in den Duden?Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Dringend erwartet werden die Empfehlungen trotzdem. Es gebe bei vielen Firmen, bei Krankenkassen und Institutionen inzwischen das Bedürfnis, tatsächlich zu gendern. "Die Realität ändert sich eben wirklich", sagt Kathrin Kunkel. "Und dazu gehören ganz sicher auch die Geschlechterverhältnisse – und eben auch ihre Darstellung in der Sprache oder durch die Sprache."

Vielfalt auch weiterhin zulassen

Ob die Rechtschreibexperten des Rats den Empfehlungen der Arbeitsgruppe folgen, hängt an der Mehrheitsmeinung. Er muss mit einer Zweidrittelmehrheit abstimmen. Verbindlich sind die Empfehlungen des Rats ohnehin nicht. Er muss seine Vorschläge den staatlichen Stellen vorzulegen. Erst nach deren Billigung treten sie in Kraft. Auch dann beziehen sie sich nur auf Behördendeutsch. Für alle anderen Texte hat Kathrin Kunkel noch eine Empfehlung: "Da sollte man einfach der Vielfalt durchaus ihren Raum geben."

Im Duden Verlag erschien im Oktober 2018 die Streitschrift "Gendern?! Gleichberechtigung in der Sprache – Ein Für und Wider", 64 Seiten. Darin argumentieren die feministische Aktivistin Anne Wizorek und die Welt-Journalistin Hannah Lühmann pro und kontra Gendern.

Kathrin Kunkel-Razum hat 2017 mit Burghart Klaußner und anderen eine Diskussion in der Duden-Redaktion geführt, die der Verlag veröffentlichte: "Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben", 64 Seiten.