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Reformation – Veränderung ohne Abschluss

26. Oktober 2013

Am Reformationstag denken viele an vergangene Ereignisse. Aber die Reformation geht weiter. Jan Schäfer denkt für die evangelische Kirche darüber nach, wie die Reformation der Kirche weitergehen könnte.

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Fotolia #50480386 Martin Luther Statue in Wittenberg © steschum - Fotolia.com
Lutherdenkmal in WittenbergBild: Fotolia

Viele Gründe zu handeln

„Ecclesia semper reformandum est!“ – Die Kirche muss sich immerzu verändern! Martin Luther werden diese berühmten Worte zugeschrieben. Er bezieht sich dabei auf den Zustand der Kirche am Vorabend der Reformation.

Was folgt ist bekannt: Luthers Versuch die Kirche aus sich selbst heraus zu verändern führte zur Gründung einer zweiten christlichen Kirche. Wegen Ablasshandel und Priesterzentriertheit, Hochmut und willkürlicher Machtansammlung. Am Ende eines mehr als hundertjährigen Ringens um Vorherrschaft oder Einheit, um Triumph oder Niederlage steht die religiöse Spaltung der Christenheit und die grundlegende Veränderung der katholischen Kirche.

Jedes Jahr am 31. Oktober feiern protestantische Christinnen und Christen auf der ganzen Welt dieses Ereignis mit dem Reformationstag. Der Legende nach soll Luther just an jenem 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt haben. 95 Vorschläge um die Kirche zu verändern. Mit dem Ziel, die biblische Botschaft im Handeln der Kirche und ihrer Vertreter wieder ins Zentrum zu rücken.

Erfolge der Reformation

Im Rückblick der Geschichte hat sich der Protestantismus tatsächlich bleibende Verdienste erworben, nicht nur um die Kirche: die breite und umfassende Bildung, die heutzutage jedem Menschen in unserem Land offen steht, ist ohne die Evangelische Kirche und ihren Anspruch zu bilden nur schwer vorstellbar. Evangelische Kirche war und ist immer eine Kirche der Diskussion und Bildung für alle Gruppen der Bevölkerung gewesen. Sie ist Ort und Raum für gesellschaftliche Veränderung. So ist die Bürgerrechtsbewegung der DDR ohne die Verbindung zur Evangelischen Kirche nicht denkbar. Die maßgebliche Beteiligung kirchlicher Gruppen und Aktivisten war ein entscheidender Faktor in der friedlichen von Revolution 1989. Und auch für aktuelle gesellschaftliche Fragen bildet die Kirche den Diskussionsraum. Zum Beispiel für die Diskussion um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Hier herrschen oft immer noch Diskriminierung und falsche Klischees, aber in evangelischen Gemeinden diskutiert man. Oft kontrovers, jedoch in der Art und Weise, dass sich ein Querschnitt der Bevölkerung damit zumindest auseinander setzen musste. Egal ob dafür oder dagegen.

Die Menschen leben ökumenisch

Was mich verwundert, ist die Tatsache, dass der Reformationstag für viele protestantische Christen und Christinnen eine nur geringe Bedeutung hat. Viele wissen nicht einmal, dass in den Gemeinden Gottesdienste gefeiert werden. Nur in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachen-Anhalt und Thüringen ist der Reformationstag gesetzlicher Feiertag. Weshalb aber platzen dort und anderswo die Kirchen nicht aus allen Nähten? – Was also ist da los? – Desinteresse? – Kirchenferne? – Allgemeine Gleichgültigkeit, wenn es um die Kirche und den christlichen Glauben geht? – Ich bin sicher, dass sich schon vieles daran verändern würde, wenn die Kirchen nicht einzeln und manchmal gegeneinander auftreten würden, sondern stärker gemeinsam. Dass es in unserem Land und der weltweiten Christenheit auch fast 500 Jahre nach Luthers Thesenschlag immer noch zwei sich entfremdete Lager gibt, löst bei vielen Menschen nur noch Unverständnis aus. Natürlich gibt es theologische Streitigkeiten wie das unterschiedliche Verständnis des Abendmahls oder die Frage nach der Stellung und der Position des Papstes. Sie können nicht leicht gelöst werden, aber für die meisten protestantischen und katholischen Christinnen und Christen spielen diese Dinge in ihrem Leben eine geringe Rolle. Für sie zählt, was der Glaube an Jesus Christus ihnen im Alltag an Hilfe, Unterstützung, Zuspruch, Hoffnung oder Gemeinschaft bietet. Das vertreten beide Kirchen, und das können sie auch gemeinsam stärker in der Öffentlichkeit vertreten

Bei einem Besuch anlässlich des Goldenen Ehejubiläums sagte mir die Frau eines Ehepaares aus verschiedenen Konfessionen: Jesus wollte doch auch nur eine Kirche. „Ecclesia semper reformandum est!“ – Die Kirche muss sich immer noch verändern und bewegen, hin zu den Menschen und hin zur Einheit.

Zum Autor:
Jan Schäfer: Geboren 1965 in Siegen und aufgewachsen in Koblenz. Nach dem Studium in Mainz, Marburg und Bonn arbeitete er seit 1996 als Pfarrer im Taunus, in den USA und in Frankfurt/Main. Seit 2009 ist er als Pfarrer im Schuldienst an einer Berufsschule in Frankfurt/Main tätig. Jan Schäfer ist verheiratet.

Evangelischer Pfarrer Jan Schäfer, Frankfurt am Main; Copyright: privat
Pfarrer Jan Schäfer, Frankfurt am MainBild: privat