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Rechte leiblicher Väter erneut gestärkt

15. September 2011

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rechte leiblicher Väter weiter gestärkt, die sich Kontakt mit ihrem Kind wünschen. Die Klärung der Vaterschaft dürfe nicht einfach verweigert werden.

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Vater mit Kind auf den Schultern (Foto: Fotalia)
Im Zweifelsfall für das Recht des KindesBild: Fotolia/Pavel Losevsky

Bislang galt in Deutschland: Wer Umgang mit seinem Nachwuchs haben möchte, sollte bloß kein Kind mit einer Frau zeugen, die mit einem anderen Mann verheiratet ist. Denn das deutsche Recht räumt dem Schutz der rechtlichen Familie absoluten Vorrang ein. Soll heißen: Der leibliche, aber außereheliche Vater ist völlig rechtlos. Er kann nicht einmal ein Verfahren einleiten, um die potenzielle Vaterschaft eines Kindes zu klären, von dem er meint, es könnte seins sein. Die Anerkennung der Vaterschaft aber ist die Voraussetzung dafür, überhaupt erst Kontakt mit dem Kind aufnehmen zu dürfen. Das wird sich nun ändern müssen. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gab am Donnerstag (15.09.2011) einem 53-Jährigen aus Fulda Recht, dem deutsche Gerichte den Umgang mit seinem mutmaßlichen Kind verweigert hatten.

Die verheiratete Mutter hatte eine Beziehung zu dem Kläger unterhalten, trennte sich jedoch während ihrer Schwangerschaft von ihm und kehrte zu ihrem Ehemann zurück. Der Kläger hat sein mutmaßliches Kind zwar nie gesehen, hatte aber schon vor der Geburt beim Jugendamt seine Vaterschaft anerkannt. Als rechtlicher Vater jedoch gilt der Ehemann. Das Kind könne auch von ihm stammen, so die Aussage der Mutter. Einen Vaterschaftstest hat das Paar immer abgelehnt.

Gerichte müssen Wohl des Kindes abwägen

Chemiker bei Erbgut-Analyse(Foto: AP)
Ein Vaterschaftstest darf nicht einfach verweigert werdenBild: AP

Deutsche Gerichte - bis hin zum Bundesverfassungsgericht -gaben dem verheirateten Paar Recht. Sie wiesen die Anträge des Ex-Freundes auf Klärung der Vaterschaft und auf Umgangsrecht - also das Recht, Kontakt zu dem Kind aufnehmen zu dürfen - zurück. Die Begründung der deutschen Richter: Der Mann habe keine Bindung zu dem mittlerweile siebenjährigen Kind. Das Ehepaar hatte bei der Ablehnung des Vaterschaftstests auf das Interesse der Familie verwiesen.

Die Straßburger Richter befanden nun, die Gerichte hätten die Umstände des Falles besser prüfen müssen: Die Frage, ob der Kläger tatsächlich der leibliche Vater ist, habe bei den Entscheidungen der deutschen Justiz keine Rolle gespielt. So habe die Justiz es unterlassen, die Vaterschaft zu klären, rügte der Europäische Gerichtshof. Auch hätten die deutschen Gerichte prüfen sollen, ob ein Kontakt mit dem Vater im Interesse des Kindes wäre.

Gerichte werden nun bei Vaterschaftsstreitigkeiten in Zukunft stärker das Wohl des Kindes berücksichtigen müssen. Das Urteil des EGMR ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Mit seiner Entscheidung folgt der Europäische Gerichtshof einer Entscheidung vom Dezember 2010. Schon damals hatten die Straßburger Richter in einem anderen Fall entschieden, einem biologischen Vater dürfe der Umgang mit seinen Kindern, die er nie gesehen hatte, nicht einfach verwehrt werden.

Die Vereinigung "Väteraufbruch für Kinder" sprach angesichts des aktuellen Urteils von einer wegweisenden Entscheidung, die zu einer "Neubewertung der leiblichen Vaterschaft" führen werde. Die Reaktion aus dem Bundesjustizministerium folgte prompt: Man werde prüfen, ob die bestehenden Gesetze geändert werden müssten, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Autorin: Naomi Conrad (afp, dpa)

Redaktion: Ursula Kissel