1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rechte Gewalt in Russland

Petra Füchsel20. April 2002

Der 20. April ist in Russland ein gefährlicher Tag für afrikanische Studenten und für Händler aus dem Kaukasus. Wie im Vorjahr haben rechtsextreme Jugendliche zum Geburtstag Hitlers Angriffe auf Ausländer angekündigt.

https://p.dw.com/p/26Vj

Dass mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des faschistischen Terrors ausgerechnet in Russland manche Herzen für die Nazis schlagen, scheint verwunderlich. Immerhin war es Hitler, der von "Untermenschen" im Osten sprach und die Völker der Sowjetunion versklaven wollte.

Totenkopf Tätowierung auf einem Neo-Nazi Kopf
Skinhead mit Totenkopf TätowierungBild: AP

Doch die rechtsextremistischen Jugendlichen haben die menschenverachtende Ideologie der Nazis auf ihre eigene Welt übertragen. Wer dunkle Haut hat oder schwarze Haare, wie die Menschen im Kaukasus, kann sich in den Moskauer Vororten nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr sicher fühlen. Übergriffe von Skinheads landen immer häufiger auf den Titelseiten der Zeitungen, und ihre Glatzen glänzen im Fernsehen.

Im vergangenen Jahr kam es in Moskau am 20. April zu mehreren Übergriffen von Skinheads, bei denen ein Mensch getötet und mindestens zehn weitere Personen verletzt worden. Angegriffen werden kann jeder, dessen Äußeres nicht zum Begriff "slawisch" passt. Eingeprügelt wird sehr heftig, wer auf dem Boden liegt, wird mit den Füßen getreten, Flaschen werden auf ihren Köpfen zerschlagen.

Behörden hilflos

Selbst die russische Polizei, die über Jahre die rechte Gewalt als "individuelles Randalierertum" und "Hooliganism" abgetan hatte, zeigt sich besorgt. "Die Zunahme nationalistischer Strömungen im Jugendmilieu ist beunruhigend", sagt der stellvertretende Leiter der Kriminalpolizei, Generalleutnant Michail Nikiforow. Die Behörden wirken hilflos. Es gebe kaum Informationen über Anführer im rechten Lager, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Nikiforow.

Der Rechtsradikalismus nimmt zu

Skinheads rufen "Sieg Heil"
Skinheads beim HitlergrußBild: AP

Die Behörden in Russland schätzen die Zahl der Skinheads und anderer ausländerfeindlicher Jugendlicher auf bis zu 10.000. Zum gewalttätigen Kern werden 1500 bis 2000 gerechnet. Zwar sind die gewalttätigen Extremisten in der absoluten Minderheit, doch habe nach Medienberichten jeder Moskauer Stadtteil seine eigene, kleine Skinhead-Szene. Rückendeckung erhalten sie vor allem von der Partei der Russischen Nationalen Einheit, die 20.000 Mitglieder zählt.

Ausländische Diplomaten zeigen sich besorgt

Die Organisation ausländischer Studenten hat in Moskau seit Jahresbeginn bereits 104 rassistisch motivierte Übergriffe registriert. In vier Fällen sei das Opfer getötet worden. Die Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda" berichtet sogar von neun Toten.

"In vielen Fällen schaut die Polizei nur zu, ohne einzugreifen", klagt der philippinische Botschafter Jaime Bautista. 160 weitere Botschafts-Chefs sehen das ebenso und haben ihren schwedischen Kollegen Sven Hirdmann beauftragt, sich bei der russischen Regierung für die Sicherheit der Botschafts-Mitarbeiter und aller Ausländer im Land einzusetzen. Wladimir Oschurkow vom Außenministerium kündigte Maßnahmen gegen die Skinheads an. Genauere Angaben blieb er aber schuldig.

Öl ins Feuer gegossen haben zudem elektronische Drohbriefe, die an zahlreiche Botschaften ausländischer Staaten, darunter diplomatische Vertretungen europäischer Staaten, zum Beispiel der Schwedens, geschickt wurden. Darin droht ein gewisser "Skinhead Iwan", am 20. April alle Ausländer, die ihm über den Weg laufen, zu töten.

Zur Lage der Nation

Wladimir Putin
Russischer Präsident Wladimir PutinBild: AP

Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich in seiner Rede zur Lage der Nation (18. April 2002) besorgt über die wachsende Gewalt gegen Ausländer in seinem Land geäußert. "Mit faschistischen und nationalistischen Parolen und Symbolen wird Jagd auf Ausländer gemacht, werden Menschen geschlagen und getötet", sagte Putin in Moskau. Er räumte ein, dass Polizei und Behörden derartigen Taten "oft nicht sehr gründlich" nachgingen. Mit der Ankündigung der Erarbeitung eines Gesetz zur Extremismusbekämpung zeichnet sich jedoch eine Trendwende ab.