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Programm für Landärzte

26. April 2010

Kühe, Wälder, weite Wege – das Dorfleben ist nicht jedermanns Sache. Junge Mediziner möchten heute lieber in Städten arbeiten. Politik und Hochschulen überlegen nun, was sie gegen den Ärztemangel auf dem Land tun können.

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Kühe weiden auf einer Almwiese bei Trauchgau im Ostallgäu (Foto: dpa)
Bild: dpa - Report

Wenn Florian Braunseis an seine berufliche Zukunft denkt, leuchten seine Augen. Mit dem Auto über die Dörfer fahren, Patienten besuchen, Sorgen und Nöte der Menschen teilen. Ja, das könne er sich gut vorstellen, sagt der 24-Jährige. Sehr gut sogar. Florian Braunseis möchte Landarzt werden. Er gehört damit zu einer immer kleiner werdenden Zahl von Medizinstudenten, die sich nach ihrer Ausbildung ein Leben auf dem Land vorstellen können.

Florian Braunseis, Medizinstudent der Universität Leipzig (Foto: DW/Näbrich)
Zukunft auf dem Dorf: Florian Braunseis will Landarzt werden.Bild: DW

"Im Prinzip gibt es genug Allgemeinmediziner, die die Ausbildung anfangen", so Braunseis aus eigener Erfahrung, "aber das Leben auf dem Land wird von vielen als miefig empfunden." Kommilitone Marcus Köhler pflichtet ihm bei: "Es ist natürlich ein größerer Aufwand – wenn man jetzt vom richtigen Landärztetum spricht – und die Arbeitszeiten sind nicht so schön geregelt, es man das vielleicht in der Stadt hat."

Ziel erkannt – Lösung in Sicht?

Auch der deutsche Gesundheitsminister Philipp Rösler hat das Problem erkannt und den Landarzt als aussterbende Spezies entdeckt. In einigen Jahren, so der Minister, könne es in manchen Gegenden zur ärztlichen Unterversorgung kommen. Schon heute gibt es in der Bundesrepublik 3600 freie Arztsitze, die Hälfte davon bei Landarztstellen. "Junge Mediziner wollen heutzutage mobil sein", erklärt der Kieler Arzt Christian Weier. Er ist Geschäftsführer des Onlineportals "medi-learn" für Medizinstudenten und junge Ärzte und hat den Studienführer "Abenteuer Medizinstudium" herausgegeben. "Eine Landarztpraxis zu übernehmen, bedeutet aber in der Regel, sich langfristig festzulegen."

Marcus Köhler, Medizinstudent der Universität Leipzig (Foto: DW/Näbrich)
Nimmt auch am Beihilfeprogramm für sächsische Medizinstudenten teil: Marcus Köhler in Leipzig.Bild: DW

Die Diagnose ist eindeutig, nun wird nach einer geeigneten Therapie gefahndet. In Sachsen hat man schon vor über einem Jahr die Zeichen der Zeit erkannt und gehandelt. Dort wurde ein deutschlandweit einmaliges Studienbeihilfeprogramm aufgelegt, das Medizinstudenten unterstützt, die sich verpflichten, nach dem Studium für mindestens vier Jahre eine Arztpraxis in einem unterdurchschnittlich versorgtem Gebiet zu übernehmen. "Ich beteilige mich an dem Programm, weil ich ohnehin gern Landarzt werden möchte", so der Leipziger Medizinstudent Marcus Köhler, "aber die finanzielle Förderung ist natürlich ein wichtiger Zusatzanreiz."

Die Förderung, die ab dem dritten Studienjahr beginnt, kann sich tatsächlich sehen lassen: In den ersten beiden Jahren gibt es pro Monat 300 Euro, im dritten Jahr 400 und im vierten Förderjahr sogar 600 Euro – und das jeden Monat. Das Geld muss nicht zurückgezahlt werden, wenn das Studium abgeschlossen und die Arztstelle tatsächlich angetreten wird.

Aufs Land zum Praxistest
Haupteingang der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig (Foto: DW/Näbrich)
Bisher nehmen 29 Studierende am "Landarztprogramm" teil – auch in Leipzig.Bild: DW

Neben finanzieller Unterstützung gehört auch eine Art praktischer Anschauungsunterricht zum Programm – natürlich bei einem Landarzt: "Einmal im Monat sind wir bei einem Arzt vor Ort, um den Arbeitsalltag in der Praxis kennen zu lernen", erzählt Florian Braunseis. Er selbst hat seine Paten-Praxis in seinem Heimatort gefunden, irgendwo auf dem flachen Land zwischen Dresden und Leipzig. "Mein Arzt sitzt im Landkreis Torgau-Oschatz – der Kreis gilt in den Medien als Katastrophenbezirk mit dem größten Ärztemangel in Sachsen."

Blutziehen, Patientenkontakt, gemeinsam eine Diagnose stellen. Von Katastrophe ist für Florian Braunseis bisher noch nichts zu spüren. Und vielleicht fällt die große Ernüchterung auch aus, wenn das Initiativprogramm der Sachsen Schule macht. Dazu müssten aber nicht nur die bisher 29 Teilnehmer, sondern vor allem der Bundesgesundheitsminister von der Zweckmäßigkeit des Programms überzeugt werden. Die sächsische Amtskollegin hat den Berliner Minister jedenfalls schon einmal offiziell zum Anschauungsunterricht in ihr Bundesland eingeladen.

Autor: Sven Näbrich

Redaktion: Sabine Damaschke