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Politik

Rauch über Brasiliens Regenwald

Thomas Milz Rio de Janeiro
3. Januar 2020

Bolsonaro als Brandbeschleuniger: Brasiliens Präsident verstärkt die Anreize zur Abholzung im Amazonas. Viehzüchter und Goldgräber dringen in Schutzgebiete ein, Angriffe auf Indigene und Umweltschützer nehmen zu.

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Brasilien | Brandrodung im Amazonasgebiet
Bild: Reuters/R. Moraes

"Was ist denn nur in Brasilien los?" Immer wieder muss Márcio Astrini, Sprecher von Greenpeace Brasilien, diese Frage beantworten. Das fünftgrößte Land der Welt, bis vor kurzem Vorreiter beim Klimaschutz, sei ein globaler Buhmann geworden. "Brasilien macht sich klein und ist nur noch eine Miniatur dessen, was es früher war," sagt Astrini im DW-Gespräch.

In den 90er-Jahren erreichte die Abholzung in manchen Jahren fast 30.000 Quadratkilometer pro Jahr. Das entspricht der Größe Brandenburgs. Die Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003-2010) verschärfte daraufhin die Kontrollen per Satellit und am Boden, wodurch die Rodungen bis 2012 auf unter 4.000 Quadratkilometer gedrückt wurden. Das entspricht dem Niveau, das Brasilien als Ziel für die nächsten Jahre auf den Klimakonferenzen 2009 in Kopenhagen und im Pariser Abkommen von 2015 angepeilt hat. 

Da Brasilien zwei Drittel des sieben Millionen Quadratkilometer großen Amazonaswaldes beherbergt, dem größten tropischen Regenwald und gigantischem CO2-Speicher, kann es viel für das Klima tun. Doch im abgelaufenen Jahr, so die brasilianische Weltraumagentur Inpe, häuften sich die schlechten Nachrichten.

Anreize für Abholzung

Erstmals seit 2009 wurden knapp 10.000 Quadratkilometer abgeholzt, so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und im August wurden mit über 30.000 Bränden dreimal so viele wie im August 2018 gezählt, ein seit 2010 nicht mehr erreichter Wert. 

Gleichzeitig stieg auch die Zahl von Attacken auf indigene Schutzgebiete durch Landwirte und Goldsucher an. In den letzten Tagen sah sich die Regierung gezwungen, Soldaten zum Schutz der Gebiete zu entsenden. "Amazonas ist ein rechtloses Gebiet", urteilte die New York Times Anfang Dezember.

Goldgräber in Yanomami-Gebiet
Der illegale Goldabbau im Yanomami-Gebiet im Bundesstaat Roraima verwandelt den Regenwald in eine KraterlandschaftBild: Hutukara Associacao Yanomami

"2020 dürfte gar noch schlimmer werden", prophezeit Umweltschützer Astrini. "Die Regierung hat keine Lösungsvorschläge für die Probleme vorgelegt, die ja größtenteils von ihr selber verursacht wurden." Brasilia plant unter anderem die Legalisierung von Landbesitz, inklusive einer Amnestie für Landwirte, die Staatsland besetzt haben. "Das dürfte einen weiteren Anreiz geben, noch mehr abzuholzen", so Astrini.

Präsident Jair Messias Bolsonaro hat noch mehr in Amazonien vor. So soll die bisher durch Naturparks und Indigenengebiete geschützte Region für die wirtschaftliche Nutzung geöffnet werden, wozu auch erleichterte Landverkäufe an ausländische Investoren gehören. In der Hauptstadt Brasília zirkuliert laut einem Bericht der Tageszeitung "O Estado de São Paulo" eine Liste mit 67 Schutzgebieten, deren Status herabgestuft werden könnte.

Zudem hat die Regierung Bolsonaro bereits die staatliche geförderte Pflanzung von Zuckerrohr in Amazonien freigegeben. Gleichzeitig wurden die Mittel für die brasilianische Indigenenbehörde Funai und die Umweltbehörden ICMBio und Ibama gekürzt. Keine guten Signale für 2020, so Astrini.

Brasilien Wayapi Indianer
Wayapi Indigene aus Brasilien bei ihrer täglichen "Caxiri"-Zeremonie, dem Verzehr eines Maniok-Bieres Bild: Getty Images/AFP/A. Gomes

Landbesitz sichern

"Wenn man sich die Abholzungszahlen für September, Oktober und November ansieht, die ja in die Statistik für 2020 mit einfließen, so deutet sich eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr an. Dazu kommen dann noch all diese Maßnahmen. Die Regierung bemüht sich, dass es noch schlimmer wird." 

Auch Sérgio Leitão vom Öko-Think-Tank Instituto Escolhas glaubt, dass 2020 die Amazonaswälder "weiter brennen, wenn es so weitergeht wie bisher". Die Waldvernichtung diene dazu, sich Staatsland zu sichern. Ist der Wald erst einmal aus dem Weg geräumt, stellt man einfach ein Stück Vieh auf die Wiese, um seinen Besitzanspruch zu untermauern, so Leitão gegenüber der DW. 

"Das Abfackeln ist eine Art Pass, um sich Land unter den Nagel zu reißen, der eigentlich der brasilianischen Gesellschaft gehört. Damit privatisiert man also Staatsbesitz und überschreibt ihn auf eine Privatperson."

Umweltminister fordert Milliarden

Umweltminister Ricardo Salles widerspricht der Darstellung, dass die neue Regierung unter Präsident Bolsonaro für die Zunahme der Abholzung und der Waldbrände verantwortlich sei. Zum einen sei die Vernichtung von Wald zur Erschließung neuer Gebiete für die landwirtschaftliche Nutzung "kulturell bedingt". Zum anderen habe die Regierung den negativen Trend geerbt. Seit dem Rekord-Tief von 2012 nehme die Waldvernichtung nun einmal zu, so Salles.

Wie macht das Rind halt vor dem Wald?

In Madrid wiederholte er die Forderung, dass Brasilien mindestens ein Zehntel der 100 Milliarden Dollar zustünden, die die Industrieländer den Entwicklungsländern in Paris pro Jahr zum Waldschutz versprochen hatten. Zehn Milliarden Dollar pro Jahr ist also der Preis für den Erhalt des brasilianischen Amazonaswaldes. "Das ist praktisch der Diskurs eines Entführers", urteilt Astrini. "Wenn ihr mich nicht bezahlt, dann stirbt der Wald." 

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) gibt sich pessimistisch. Im September hatte sie den Bericht "Rainforest Mafias" vorgestellt. Er handelt von kriminellen Banden, die immer schneller den Amazonaswald zerstören und Umweltaktivisten ermorden, während die Behörden und die Justiz meist nur zuschauen können. "Die Perspektiven für Amazonien sind alarmierend", so der Verfasser des Berichts, César Muñoz.

Bildkombo Jair Bolsonaro Präsident Brasilien & Leonardo DiCaprio, Schauspieler
Brasiliens Präsident Bolsonaro (l) teilt gegen Schauspieler LeonardoDiCaprio (r) aus

Brasiliens Präsident Bolsonaro machte kürzlich Nichregierungsorganisationen für die wachsende Zahl der Waldbrände verantwortlich. Diese würden Feuer legen und denn die Bilder mit brennenden Amazonasriesen um die Welt schicken, um Spenden zu sammeln. Auch Schauspieler Leonardo DiCaprio fiel in Ungnade: Er beteilige sich durch seine Spenden für NGOs an der Zerstörung.

DiCaprio antwortete auf Instagram: "Ich unterstütze die brasilianische Bevölkerung, die ihr Kultur- und Naturerbe verteidigt. Ihr Einsatz und ihre Leidenschaft ist ein herausragendes und bewegendes Beispiel für Umweltschutz. Die Zukunft unersetzbarer Ökosysteme steht auf dem Spiel, und ich bin stolz, auf der Seite der Umweltschützer zu stehen."