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Ralf Rangnick - vom Konzern-Fußball zum Fußball-Konzern

4. Juni 2019

Ralf Rangnick wechselt von RB Leipzig zum Konzern Red Bull und wird dort als "Head of Sport und Development Soccer" tätig. Dieser für ihn geschaffene Posten klingt nur im ersten Moment nach einem Aufstieg.

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Ralf Rangnick
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Wenn man gemeinsam so erfolgreich gearbeitet hat wie der Red-Bull-Konzern und Ralf Rangnick in verschiedenen Funktionen für die zu Marketingzwecken erschaffenen Fußballtöchter RB Leipzig und Red Bull Salzburg, dann ist man sehr eng miteinander verbunden. Entsprechend harmonisch und einstimmig gaben der Bundesligist aus Leipzig und der in der vergangenen Saison noch einmal erfolgreich auf die Trainerbank zurückgekehrte Sportdirektor Rangnick das baldige Ende ihrer Zusammenarbeit bekannt. 

Dass der 60-Jährige nicht einfach aufhört, hat dabei viele Hintergründe. Zum einen besitzt Rangnick noch einen bis 2021 gültigen Vertrag, zum anderen hat er sich - wie erwähnt - als Trainer, Sportdirektor und Vorkämpfer für das "Projekt" RB Leipzig große Verdienste um den Milliarden-Konzern Red Bull und dessen Alleinherrscher Dietrich Mateschitz erworben. Das wird im Red-Bull-Imperium natürlich goutiert. 

Wohin mit Rangnick?

Zwar bleibt Rangnick dem Red-Bull-Konzern und seiner Fußballsparte erhalten, doch wird er in Zukunft nicht mehr im Fußballgeschäft, sondern vielmehr im Geschäft mit dem Fußball tätig sein. Denn Rangnick wird durch eine Vertragsänderung offiziell Angestellter von Red Bull und damit direkt für ein globales Unternehmen tätig sein, das den Fußball als Geschäftsvehikel nutzt. Die operative Tätigkeit im Fußball ist für den 60-Jährigen bald Geschichte.

"Der Gedanke daran ist länger gereift, es ist eine neue reizvolle Aufgabe. Die Überlegung dabei war, wie meine Rolle ab Sommer aussehen kann", sagte Rangnick bei seiner wohl letzten Pressekonferenz als Angestellter von RB Leipzig. Nicht nur zwischen den Zeilen wird dabei klar, dass es sich hier nicht um eine Beförderung, nicht um den Ausbau der Kompetenzen handelt. Vielmehr hat man für Rangnick auch für die letzten beiden Jahre seines Vertrags eine offizielle Funktion geschaffen - aber eben nicht im Klub, sondern im Konzern. 

Neuer Trainer, neuer Sportdirektor

SC Paderborn 07 Markus Krösche
Nachfolger von Rangnick als Sportdirektor: Markus KröscheBild: Imago Images/pmk

Mit dem neuen Trainer Julian Nagelsmann, der als Rangnick-Nachfolger in dieser Position schon länger feststeht, wollte man in Leipzig offenbar auch gleich einen neuen Sportdirektor installieren, der mit Nagelsmann im Gleichschritt startet. In Markus Krösche, der vom Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn kommt, haben die Verantwortlichen um RB-Leipzig-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff diesen Mann gefunden. Die Verpflichtung Krösches wurde auf der Pressekonferenz wie erwartet von Minztlaff verkündet. 

Das bedeutet: Für Rangnick ist im Konstrukt RB Leipzig kein Platz mehr. Wie gut, dass der Red-Bull-Konzern jede Menge anderer Aufgabenfelder im Rahmen seiner globalen Fußballstrategie bereithält. Insofern war es ein leichtes, für den verdienten Rangnick einfach ein neues Profil zu schaffen. Oliver Mintzlaff hatte die ganze Klaviatur des Lobes in höchsten Tönen für Rangnick parat und spulte diese gut vorbereitet ab. Den Eindruck eines "Weglobens" und eines "goldenen Handschlags" konnten aber weder er noch Rangnick selber wegreden. 

Head of Sport und Development Soccer

"Head of Sport und Development Soccer" - das ist sie also, die Bezeichnung des neuen Jobs von Rangnick. Klingt nach dem großen Wurf, nach der großen Macht im Fußball-Imperium von Red Bull, nach der Rolle des mächtige Strategen hinter den einzelnen Konzerntöchtern aus Leipzig, Salzburg, New York und Bragantino in Brasilien, dem jüngsten Mitglied der "Red Bull Fußballgruppe", erst kürzlich vom Konzern gekauft. 

RB Leipzig - TSG 1899  Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick
Vorgänger und Nachfolger: Rangnick (l.) und Julian Nagelsmann Bild: Imago/M. Koch

Doch Geltungshoheit bei den Klubs hat der neue "Fußballchef" bei Red Bull kaum. Die einzelnen Sportdirektoren der Vereine werden autark handeln, in Sachen Kaderplanung etc. werden sie Rangnick nicht einbeziehen müssen. Der soll vielmehr eine beratende Tätigkeit ausüben und dabei helfen, im Fußballnetzwerk des Konzerns "einheitliche Standards und Synergien" zu schaffen. Und es sind Schlüsselwörter wie "beraten" und "helfen", die trotz der sauber ausformulierten PR klarmachen, worum es sich bei Rangnicks neuer Position handelt: Um eine Direktorenrolle mit präsidialem Touch, um einen bequemen und sicher sehr gut bezahlten Posten, den ein verdienter, aber auch ausgedienter Ralf Rangnick für die letzten zwei Jahre seiner Vertragslaufzeit bekommt. 

Offiziell weiter für Leipzig verantwortlich 

"Es liegt in erster Linie an ihnen selber, wie sie meinen Rat annehmen. Ich stehe zur Verfügung." Geplant sei ein "regelmäßiger Austausch". So spricht keiner, der als mächtiger Stratege die Arbeit der einzelnen Sportdirektoren kritisch beäugt, Vetorecht hat und bei Bedarf eigenmächtig handelt. "Ja, mein Büro muss ich räumen. Und das mache ich auch gerne", antwortet Rangnick auf die ziemlich direkte Frage nach seinem bisherigen Arbeitsplatz am Trainingszentrum von RB. 

"Die Idee, die anderen Standorte zu entwickeln, war für mich schon lange sehr reizvoll. Und bin überzeugt, dass es schon jetzt sinnvoll ist, diese Rolle zu übernehmen, auf die ich mich sehr, sehr freue", so Rangnick weiter. Worte, die diese Personalentscheidung klar als einen Akt des Führungswechsels in Leipzig herausstellen. Viel Philosophie, ein wenig Strategie, wenig bis keine konkret benannten Aufgaben und Führungsfunktionen - Ralf Rangnick klingt auf der Pressekonferenz wie ein König ohne Reich. Dekoriert und geachtet, aussortiert und entmachtet. Wenngleich Oliver Mintzlaff betont, dass Rangnick neben den Standorten New York und Bragantino natürlich "weiterhin auch für Leipzig verantwortlich" sei. "Leipzig fällt auch in den Zuständigkeitsbereich seiner Beraterfunktion" hätte es wohl eher getroffen. 

Fußball- und Commercial-Ebene 

RB Leipzig Pressekonferenz Oliver Mintzlaff und Ralf Rangnick
RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff (l.) und Rangnick bei der VerkündungBild: Imago Images/opokupix

Seit Juni 2012 ist Rangnick beim heutigen Bundesligisten aktiv, hat in Leipzig seinen Lebensmittelpunkt gefunden und will privat, ganz sicher aber auch aus beruflichen Gründen in Leipzig und nah an RB Leipzig bleiben. "Ich bleibe in Leipzig wohnen. In New York war ich schon mal, in Brasilien noch nicht. Meine Hauptaufgabe wird es sein, die beiden anderen Standorte auf das Niveau von Leipzig zu bringen", beschreibt Rangnick seine neue Position. Klingt nicht so, als würde er in den kommenden zwei Jahren zwischen Leipzig, New York und Bragantino hin- und herjetten, um ganz nah am Geschehen der Red-Bull-Klubs zu sein. 

Vielmehr wird Ralf Rangnick die Rolle eines Attachés ausfüllen müssen - eines Konzernattachés. "Das ist ein perfektes Setup für Red Bull. Das Vakuum, das Red Bull auf der sportlichen Ebene hatte, wird geschlossen", sagt Oliver Mintzlaff. Mit sportlicher Planung bei einem Bundesligisten hat das nichts zu tun. Mit der Planung und der globalen Strategie eines Konzerns wie Red Bull schon. Die Red-Bull-DNA hat Rangnick längst verinnerlicht. Das wurde auf seiner letzten Pressekonferenz glasklar, auf der Termini wie "Einsteigen", "Klub kaufen und übernehmen", "Standorte aufbauen und aufgeben", "Ghana wurde verkauft" und "Boardmeetings" am laufenden Band benutzt wurden. Mintzlaff schloss mit den Worten: "Team Soccer soll auf der Commercial Ebene ein Pendant zu Ralf bekommen". Rangnick wird in einem globalstrategischen Konzernumfeld zumindest nach außen hin weiter ein sportliches Aushängeschild sein. Ob ihm das reichen wird? 

"Es müsste schon einiges zusammenkommen, damit ich Red Bull verlasse und noch mal einen Posten bei einem anderen Klub übernehme", so Rangnick auf die Frage nach einem neuen Engagement in der Zukunft. Wenn man möchte, kann man darin durchaus eine Offerte an andere im Fußball-Geschäft sehen, die auch alle wissen: Fußballgeschäft kann Ralf Rangnick. 

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion