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Politik

Karlsruher Rüffel für Asyl-Rhetorik der CSU

26. Juli 2018

Der Präsident des Verfassungsgerichts hat die Wortwahl einiger Parteigranden kritisiert. Andreas Voßkuhle sieht "Grundannahmen der pluralen Demokratie" in Gefahr - wegen der Töne aus Bayern, aber nicht nur deswegen.

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Andreas Voßkuhle
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Ohne den CSU-Vorsitzenden und Bundesinnenminister Horst Seehofer beim Namen zu nennen, lehnte Andreas Voßkuhle dessen 2016 genutzten Ausdruck von der "Herrschaft des Unrechts" als "inakzeptable Rhetorik" ab. "Sie möchte Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat wecken, die völlig abwegig sind", sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts der "Süddeutschen Zeitung". Auch den von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Mai mit Blick auf Flüchtlingshelfer und Asylanwälte genutzten Begriff "Anti-Abschiebeindustrie" kritisierte Voßkuhle. "Wer rechtsstaatliche Garantien in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfen lassen."

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt   Anfang Juli in München (Foto: Getty Images/AFP/C. Stache)
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Anfang Juli in MünchenBild: Getty Images/AFP/C. Stache

Gleichzeitig räumte Voßkuhle ein, dass Zuspitzung zur politischen Auseinandersetzung gehöre. Aus falsch verstandener political correctness dürfe nicht immer gleich ein Populismusvorwurf erhoben werden. Das Hauptproblem des Populismus sei nicht, dass mit harten Bandagen gestritten werde, sondern dass er die "Grundannahmen unserer pluralen Demokratie" untergrabe.

"Teilweise ziemlich schrill"

Nach Ansicht Voßkuhles gerät der Rechtsstaat im Zuge der Flüchtlingskrise zunehmend unter Druck. Dies zeige sich vor allem darin, dass rechtliche Regeln mit Erwartungen überzogen würden, die eigentlich politische Antworten erforderten. Als Beispiel nannte der Verfassungsgerichtspräsident die Forderung, Flüchtlinge an der Grenze ohne rechtsstaatliche Prüfung zurückweisen. Das sei eine komplizierte rechtliche Fragestellung. Wer hier zu sehr vereinfache, der erwarte vom Rechtsstaat etwas, das dieser gar nicht leisten könne: "Es ist eben keine Frage des Rechtsstaats, ob man es schafft, eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage zu formulieren. Das ist eine Frage der Politik."

Flüchtlinge sind Ende Oktober 2015 bei Wegscheid in Bayern unterwegs (Foto: Getty Images/J. Simon)
"Herrschaft des Unrechts"? Flüchtlinge sind Ende Oktober 2015 bei Wegscheid in Bayern unterwegs Bild: Getty Images/J. Simon

Zu Diskussionen über Migration und Flüchtlinge allgemein sagte Voßkuhle, sie wirkten auf ihn "teilweise ziemlich schrill" und seien "der Komplexität der Situation nicht angemessen". In der Auseinandersetzung gehe es "viel um Gefühle". Diese ersetzten aber nicht die nüchterne Analyse "und eine rationale Entscheidungsfindung schon gar nicht".

Seehofer wehrt sich

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer rief die Unionsparteien zu einem respektvolleren Umgang miteinander in Streitfragen auf. So sei der jüngste Asylstreit nicht nur zwischen CDU und CSU geführt worden, sondern auch innerhalb der beiden Parteien, sagte sie der "Bild"-Zeitung. "Was aber gar nicht geht, ist die Tonlage, mit der dieser Streit geführt wurde." Dafür habe an der Basis niemand Verständnis. "Einer bürgerlich-konservativen Partei und ihren Wertvorstellungen war das völlig unwürdig. Aber ich bin sicher, dass das allen Beteiligten inzwischen bewusst ist", sagte Kramp-Karrenbauer.

CSU-Chef Seehofer wies die Kritik Voßkuhles zurück. Die Unterstellung, er habe mit seiner Rhetorik "Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat wecken wollen, halte ich für nicht akzeptabel", betonte er. Der Gerichtspräsident sollte nicht "Sprachpolizei" sein.

sti/gri (afp, dpa, rtr, epd, kna)