1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Mail aus....Italien"

Kirstin Hausen20. Februar 2009

In unserer Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über lustige und skurrile Geschichten aus ihrem Alltag im Gastland. Diese Woche schreibt uns Kirstin Hausen aus Mailand.

https://p.dw.com/p/GyML
Walter Veltroni, Quelle: (AP Photo/Riccardo De Luca)
Walter Veltroni tritt vom Rednerpult ab.Bild: AP

"Finalmente", endlich sagen meine Freunde in Mailand. Und zwar nicht nur die, die politisch anders denken als Walter Veltroni. Der Chef der größten italienischen Oppositionspartei ist diese Woche zurückgetreten. Fast ein Jahr, nachdem er bei den Parlamentswahlen gegen Silvio Berlusconi grandios verlor. Aber manches dauert in Italien eben etwas länger als woanders. Und die Opposition hat eine besonders lange Leitung, scheint es.

Rollentausch wie beim Kasperletheater

Nun ist die Bahn frei für neue, frische, junge Gesichter, die die italienische Opposition so dringend braucht, habe ich zu meinen Freunden gesagt. Und einen kollektiven Lachanfall ausgelöst. Denn mit den Rücktritten ist es in Italien so eine Sache. Der achtfache Ministerpräsident Giulio Andreotti ist immer wieder von allen möglichen Ämtern zurückgetreten, um dann wieder neu aufzutauchen. Seit mehr als zehn Jahren stehen auf der politischen Bühne Italiens immer die gleichen Menschen. In verschiedenen Rollen, wie beim Kasperletheater. Die Alten räumen ihre Sessel – bloß um sich dann noch bequemer niederzulassen. Aber das ist nicht nur in der Politik so, das ist in der ganzen italienischen Gesellschaft so.

Wer noch keine weißen Haare hat, wird nicht für voll genommen

Blonder Mann betrachtet besorgt seine Haare im Spiegel
Autorität hätte er in Italien keine. Dafür fehlen ihm die weißen Haare.Bild: picture-alliance/chromorange

Ein Bekannter aus Verona hat vor einem Jahr von seinem hoch betagten Vater das Familienunternehmen übernommen. Mit dem Ergebnis, dass der greise Papa ihn jeden Morgen in der Firma erwartet, um die Aktivitäten des Tages gemeinsam durchzusprechen. Männer unter 50 nennen sich selbst in Kontaktanzeigen "ragazzi", also "Jungs", die eine hübsche „Ragazza bis Mitte 40“ suchen, um gemeinsam "Dummheiten" anzustellen. Das klingt nach Schule schwänzen und Klingelmännchen und bestimmt würden einige der nicht mehr taufrischen Jungs bei so was gerne mitmachen. Wer noch keine weißen Haare hat, wird gar nicht für voll genommen. Wundert es da noch irgendwen, dass die Italiener immer später Kinder bekommen? "Ich fühle mich der Mutterrolle noch nicht gewachsen" vertraute mir eine Freundin von Ende 30 an, als wir auf das Thema zu sprechen kamen. Klar, die Rolle ist ja auch eine der ganz wenigen, von der man nicht zurücktreten kann.