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Rücktritt in Sachsen

11. Juli 2012

Pannen bei der Aufklärung der Terrorakte des Zwickauer Neonazi-Trios kosten einen dritten Geheimdienstchef das Amt. Sachsens Verfassungsschutzpräsident Boos räumt wegen Ungereimtheiten bei den Ermittlungen seinen Posten.

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Porträt Boos (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Reinhard Boos (Artikelbild) habe um seine Versetzung zum 1. August gebeten, teilte Innenminister Markus Ulbig im Dresdener Landtag mit. Boos zieht damit die Konsequenzen aus einer Panne des Geheimdienstes bei der Aufklärung des Skandals um die Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

Ulbig sprach von einem eklatanten Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes, gegen die bereits disziplinarische Schritte eingeleitet worden seien. Boos bedaure diesen Vorfall zutiefst und sei tief enttäuscht. Unter diesen Umständen könne er das Amt nicht mehr mit dem gebotenen Vertrauen weiter führen.

Protokolle aufgetaucht

Nach Ulbigs Worten waren Protokolle einer Telefonüberwachung des Bundesamtes für Verfassungsschutz von Ende 1998 aufgetaucht. Bislang hatte der Minister wiederholt beteuert, dass Sachsen alle Dokumente veröffentlicht habe. Was genau in den Protokollen festgehalten wurde, blieb zunächst unklar.

Die Telefonüberwachung selbst sei zwar in Berichten an die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) Sachsens berücksichtigt worden. Neu sei aber, dass im Landesamt noch Protokolle dieser Überwachung existierten, hieß es.

Kritik der sächsischen Opposition

Die Opposition im sächsischen Landtag nannte die Vorgänge "beschämend". Für sie steht der Verfassungsschutz ihres Bundeslandes besonders in der Pflicht, weil die Terrorzelle NSU jahrelang unerkannt in Zwickau Unterschlupf gefunden hatte. Dem Trio mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe werden eine Mordserie mit zehn Toten, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge zur Last gelegt. Sie flog im November 2011 nach einem Banküberfall in Thüringen auf.

Boos ist der dritte Chef einer Geheimdienstbehörde, der im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Neonazi-Terror aus dem Amt scheidet. Zuvor musste der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, gehen. Thüringen schickte seinen Verfassungsschutzchef Thomas Sippel in den vorläufigen Ruhestand. Alle drei galten als erfahrene Behördenchefs, alle drei zogen sich zurück, weil in ihren Amtsstuben offenbar Schindluder getrieben wurde. Eine weitere Gemeinsamkeit: In den betroffenen Behörden gibt es, soweit die bisherigen Erkenntnisse der Ermittler, offensichtlich auf der mittleren Ebene Personen, die unkontrolliert in Eigenregie handelten.

qu/uh/se (dpa, afp)