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Rückschlag für Städte im Streit um Zinswetten

28. April 2015

Riskante Zinswetten sind für viele deutsche Städte zum finanziellen Alptraum geworden. Viele verklagten ihre Banken. Nun gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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Symbolbild Bundesgerichtshof BGH
Bild: picture-alliance/dpa/Uli Deck

Die Stadt Ennepetal in Nordrhein-Westfalen hatte die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) verklagt, die Nachfolgegesellschaft der aufgelösten Landesbank WestLB. Die 30.000-Einwohner-Stadt hatte mit der Bank mehrere Zinswetten abgeschlossen, sogenannte Swap-Geschäfte.

Ennepetal fürchtet Verluste aus den Geschäften und will die Verträge nicht mehr bedienen, weil die Bank sie fehlerhaft beraten habe. Für die Stadt geht es dabei um etwa 13 Millionen Euro.

Ob die Bank die Stadt wirklich falsch beraten hat, bleibt auch nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vorerst ungeklärt. Am Dienstag (28.04.2015) hoben die Richter das Urteil der Vorinstanz auf und verwiesen die Klage zur erneuten Prüfung zurück an das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das hatte der Stadt 2013 recht gegeben und festgestellt, die Bank habe Ennepetal nicht ausreichend über die Risiken des Geschäfts aufgeklärt.

Es war das erste Mal, dass der BGH, das oberste deutsche Gericht und letzte Instanz für Zivil- und Strafverfahren, über die Zinswetten-Klage einer Kommune zu entscheiden hatte.

Auch wenn der Einzelfall vorerst ungeklärt bleibt, ist das Urteil wegweisend für viele andere Städte und Gemeinden, die sich auf solche Geschäfte eingelassen haben, bei denen die Vertragspartner Wetten auf die Entwicklung von Zinsen oder Währungskursen abschließen.

Denn der BGH stellte erstmals klar, dass Zinsswap-Verträge selbst dann nicht gegen ein "etwaiges Spekulationsverbot" für Kommunen verstoßen, wenn sie nicht der Absicherung gegen schwankende Zinsen dienten, sondern nur zu Spekulationszwecken abgeschlossen wurden. Damit sind sie nicht von vornherein nichtig.

Schäden in Milliardenhöhe

Allein in Nordrhein-Westfalen seien 40 bis 50 weitere Klagen von Kommunen anhängig, sagte Rechtsanwalt Jochen Weck der Nachrichtenagentur Reuters. Ihnen hatte die frühere WestLB die umstrittenen Papiere im großen Stil verkauft, vorgeblich zur Absicherung gegen Zinsschwankungen.

Bundesweit sei Städten und Gemeinden durch riskante Zinswetten - mit denen sie eigentlich ihre Schulden verringern wollten - Schaden in Milliardenhöhe entstanden, sagte Weck.

Die staatliche "Bad Bank" Erste Abwicklungsanstalt (EAA) als Rechtsnachfolgerin der WestLB pocht auf die Zahlung von rund 1,5 Millionen Euro aus vier Zinssatz-Swap-Verträgen, die sie vor dem Höhepunkt der Finanzkrise 2007 und 2008 mit Ennepetal geschlossen hatte. Die Stadt hatte die Zahlungen an die Bank 2011 eingestellt. Zu Recht, hatte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden.

Hückeswagen in der Schuldenspirale - Eine Stadt verzockt sich mit Zinswetten

Die Bank habe ihre Beratungspflichten verletzt, weil sie Ennepetal nicht über den "anfänglichen negativen Marktwert" der Verträge aufgeklärt habe. Sie habe verheimlicht, dass der Stadt von Anfang an ein höheres Verlustrisiko drohte als ihr selbst, so das OLG.

Ähnlich hatte der Bankensenat des BGH selbst in seinem ersten "Swap-Urteil" argumentiert, bei dem es um ein Geschäft zwischen der Deutschen Bank und einem hessischen Mittelständler gegangen war. Im März 2011 hatte er die Bank dazu verurteilt, wegen Falschberatung bei riskanten Zins-Wetten rund 540.000 Euro Schadenersatz an den Unternehmer zu zahlen.

Eigeninteresse der Banken

Die hohen Anforderungen, die der BGH damals an die Aufklärungspflicht gestellt hatte, gälten für "grundsätzlich alle Swap-Verträge", bekräftigte das Gericht am Dienstag. Banken müssten ihre Kunden grundsätzlich aufklären, wie ihre Kosten und ihr Gewinn sich im Preis für das Produkt niederschlagen. Denn nur dann könnten sie das Eigeninteresse der Bank einschätzen. Normalerweise gingen die Kunden nämlich davon aus, die Bank verdiene nur dann Geld, wenn sie die Wette gewinne.

Ob die damalige WestLB ihre Beratungspflicht gegenüber Ennepetal verletzt hat, ließ der BGH aber offen. Denn schon das OLG habe das Zustandekommen der Beratungsverträge "nicht sicher geklärt".

Das Urteil ist nach Einschätzung von Fachanwälten eine wichtige Präzisierung der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu Swaps. Die mit den Swap-Klagen befassten Gerichte werden jeden Vertrag und sein Zustandekommen nach diesen Vorgaben prüfen müssen. Da dem BGH bisher noch fünf weitere Fälle vorliegen, sind in Zukunft weitere Präzisierungen zu erwarten.

bea/ (reuters, dpa)