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Wohin mit Quecksilber?

Fabian Schmidt24. Mai 2012

Quecksilber ist so ziemlich überall. Das giftige Schwermetall kommt in Energiesparlampen und Zahnfüllungen genauso vor wie in Elektronik, Batterien und Abwässern. Seine Entsorgung ist eine technische Meisterleistung.

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Ein Bild, welches aus Quecksilber-Zinnober gemalt wurde. Das Gemälde hängt bei der Firma DELA in Dorsten (Foto: DW/ Fabian Schmidt)
Bild: DW/F. Schmidt

Quecksilber ist ein tückisches Gift. Gelangt es in die Natur, schleicht es sich über die Nahrungskette zum Menschen und lagert sich im Blut, Gewebe und in den Knochen an.

In vielen Schwellenländern setzen sich Menschen durch den Umgang mit Quecksilber großen Gesundheitsgefahren aus – besonders dann, wenn sie Elektrogeräte, Computer, und Lampen unprofessionell zerlegen, beklagt Jochen Flasbarth. Der Präsident des Bundesumweltamtes schaute sich kürzlich in Indien die dort üblichen Recycling-Methoden an. "Es war ein erschütterndes Bild, das sich geboten hat," so Flasbarth. 

Anspruchsvolles Recycling

Um Menschen zu schützen, erließ die Europäische Union im März 2011 ein Exportverbot für Quecksilber. Innerhalb der EU muss Quecksilber umweltschonend entsorgt werden. Wie so etwas funktioniert, zeigt Deutschlands größte Recyclingfirma für Leuchtstofflampen, DELA, in Essen.

Dort liefern Lastkraftwagen alte Leuchtstofflampen von verschiedenen städtischen Abfallsammelstellen an. Lange Leuchtstoffröhren werden in Plastikfolie verpackt auf Europaletten geliefert, kleine Energiesparlampen in Gitterboxen. Sogar aus dem europäischen Ausland kommen Lieferungen nach Essen - nur etwa sechzig Prozent der Altlampen stammen aus Deutschland.

Ein Drehrohrofen zur Verarbeitung Quecksilberbelasteter Industrieabfälle aus Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen und anderen Quellen bei der Firma DELA in Dorsten (Foto: DW/ Fabian Schmidt)
Im Drehrohrofen werden quecksilberbelastete Aktivkohlefilter, Katalysatoren und Industrieabfälle gereinigtBild: DW/F. Schmidt

Mit Gabelstaplern werden die alten Leuchtstoffröhren in spezielle Glasschredderanlagen gebracht, in denen ständiger Unterdruck herrscht. Tritt irgendwo Quecksilberdampf aus, wird er sofort abgesaugt. Ein Aktivkohlefilter reinigt gleichzeitig die Abluft, damit kein Arbeiter giftiges Quecksilber einatmet.

Die geschredderten Lampen werden zunächst in einem Silo zwischengelagert. Von dort wird das Mahlgut dosiert in die Glasbruchwaschanlage eingebracht - etwa zwei Tonnen pro Stunde. "Dort befreien wir die zerschredderten Lampen von dem Leuchtpulver, indem wir die Scherben mit klarem Wasser abspülen", erklärt DELA- Geschäftsführer Christian Bonmann.

Waschanlage für Lampen

Das reine Lampenglas wird wieder an Lampenhersteller verkauft. Auch die Metallteile aus den Lampen gehen zurück an die Industrie. Übrig bleibt ein weißer Schlamm. Er enthält neben feinsten Rest-Glasteilchen wertvolles Leuchtmittel, das die seltenen Erden Ytrium und Europium enthält und - das giftige Quecksilber.

Um es vom begehrten Leuchtmittel zu trennen, packen die Ingenieure den Schlamm in einen sogenannten Vakuumtrockner im nahegelegenen Dorsten. Der funktioniert vom Prinzip wie ein Wäschetrockner mit angeschlossener Destillationsanlage: Sobald der Schlamm trocken ist, wird er in ein Vakuum versetzt und auf 370 Grad Celsius erhitzt. Dabei verdampft das Quecksilber. Wie in einer Schnappsbrennerei gelangt der Quecksilberdampf in einen Kondensator und perlt aus. Heraus kommt einerseits reines Quecksilber, andererseits schadstofffreies Leuchtmittel, das die Lampenhersteller wieder nutzen können.

Ein Vakuum-Trockenmischer zur Quecksilberabscheidung von belastetem Konzentrat aus den Recyclinganlagen der Firma DELA in Essen und Dorsten (Foto: DW/ Fabian Schmidt)
Der Vakuum-Trockenmischer destilliert den belasteten Schlamm aus den vorherigen ReinigungsstufenBild: DW/ F.Schmidt

Drehrohrofen für Industrieabfälle

Neben der Lampenwaschanlage betreibt die Recyclingfirma außerdem einen Drehrohrofen – einen waagerechten Zylinder, der gut drei Meter hoch und etwa doppelt so lang ist. Damit lassen sich allerhand quecksilberbelastete Materialien verarbeiten. Vor allem schwer belastete Aktivkohlefilter aus Kohlekraftwerken und Müllverbrennungsanlagen oder aus der Abwasserreinigung.

Auch belastete Industriekatalysatoren, kontaminierte Böden und zerkleinerter Bauschutt lassen sich im Drehrohrofen vom Quecksilber befreien. Dazu wird der Abfall auf 550 bis 850 Grad Celsius erhitzt. Dabei verdampft das Quecksilber und wird mit dem Rauchgas weggeleitet. Das Rauchgas durchläuft mehrere Reinigungsstufen: Zuerst eine Rauchgaswäsche, bei der es durch Wasser schlagartig abgekühlt wird. Das verdampfte Quecksilber kondensiert und fällt aus.

Weil danach noch immer Quecksilberreste im Rauchgas vorhanden sind, kommt am Ende ein Elektrofilter zum Einsatz, der die elektrisch geladenen Quecksilber-Ionen anzieht. Anschließend werden sie mit Wasser ausgewaschen.

Genau wie beim Lampenrecycling bleibt auch hier am Ende ein wertvoller Schlamm übrig: Neben dem Quecksilber enthält er wertvolle Metalle, wie zum Beispiel Molybdän.

Schwefel macht Quecksilber unschädlich

Am Ende bleibt reines, flüssiges Quecksilber übrig. Damit es nicht wieder einen Weg zurück in den Stoffkreislauf findet, muß es sicher verwahrt werden. Dazu wird es in einer speziellen Anlage unschädlich gemacht. "Wir stabilisieren das Quecksilber durch den Einsatz von Schwefel zu Quecksilbersulfid ", erklärt Ingenieur Ulrich Augustat. Diese Verbindung wurde früher im Volksmund auch "Quecksilber-Zinnober" genannt. Es ist eine feuerrote Farbe, mit der Künstler einst Gemälde malten.

"Da diese Herren mitunter sehr alt wurden, ist das ein Beleg dafür, dass es nicht so schädlich sein kann, mit Quecksilber-Sulfid zu hantieren", sagt Augustat. Das liege daran, dass die Verbindung chemisch stabil ist und für die Natur ungiftig. Deswegen könne der Stoff auch sicher und dauerhaft in unterirdischen Bergwerken eingelagert werden.