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Putin und Obama gegen Assad

Kersten Knipp19. Juni 2012

Barack Obama und Wladimir Putin haben eine gemeinsame Erklärung zur Lage in Syrien abgegeben. Dadurch signalisieren sie Kompromissbereitschaft – und erhöhen gleichzeitig den Druck auf den Staatschef Baschar al-Assad.

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Barack Obama und Wladimir Putin in Los Cabos, Mexiko Foto: Jason Reed
Bild: Reuters

Was heißt es, im Hinblick auf Syrien von Politik zu sprechen? Dieses Rätsel haben US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Wladimir Putin der Welt aufgegeben. Es müsse ein politischer Prozess geschaffen werden, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, ließen die beiden Präsidenten am Rande des G20-Gipfels in Mexiko in einer gemeinsamen Erklärung verlauten. Das bisherige Vorgehen der Staatengemeinschaft scheint demnach nichts mit Politik zu tun zu haben.

Wenn jedenfalls ein ernsthafter politischer Prozess erst noch geschaffen werden muss, stellt sich die Frage, warum der Entschluss dazu jetzt erst gereift ist. Unverkennbar haben die USA und Russland ihre Positionen einander angenähert, sagt der ehemalige Diplomat und stellvertretende Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik", Paul von Maltzahn.

Paul von Maltzahn (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) Foto: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Paul von Maltzahn (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik)Bild: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Nicht zuletzt unter dem Druck der Weltöffentlichkeit würden die beiden Mächte nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Dies könnte darauf hinweisen, dass die USA ihre bisherige Position dem Assad-Regime gegenüber geändert hätten. "Während sich die USA bislang doch sehr stark auf einen 'Regime Change' zu Anfang eingestellt haben, nähern sie sich vielleicht dann doch der etwas realistischeren Alternative an, dass man eine Lösung zumindest mit dem Regime in der ersten Phase suchen müsste."

Assads Verbündete verlieren die Geduld

Für Assad hieße das, dass er damit rechnen könnte, zumindest vorerst an der Macht zu bleiben. Das hieße auch, dass seine Politik der Gewalt gegen die eigene Bevölkerung zumindest vorerst aufgegangen ist. Gegen seine Militärmaschinerie, gab er den Syrern und der Welt zu verstehen, kommen seine Gegner so leicht nicht an. Wie richtig er mit der Annahme lag, zeigt die Entscheidung der Verantwortlichen UN-Mission in Syrien, ihre Arbeit vorerst auszusetzen. Damit gewinnt Assad Zeit, um im Sinne seines politischen Überlebens weitere militärische Fakten zu schaffen.

Allerdings zeigt die gemeinsame russisch-amerikanische Erklärung auch, dass der syrische Staatschef dabei ist, die Geduld selbst seiner bislang treuesten Verbündeten, Russland und womöglich auch China, über Gebühr zu beanspruchen. Auch darum, vermutet Paul von Maltzahn, könnte sich Russland zur gemeinsamen Erklärung mit den USA entschlossen haben. "Wenn die beiden Länder jetzt an einem Strang ziehen, könnte das etwas mehr Gewicht haben als Russlands bisherige Politik. Denn das Land spricht nicht mehr nur im eigenen Namen und im eigenen Interesse, sondern auch im Namen der internationalen Gemeinschaft."

Dass die andauernde Gewalt in Syrien auch für Russland kaum mehr hinnehmbar ist, hält auch Regina Heller, wissenschaftliche Referentin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), für wahrscheinlich. Die gemeinsame Erklärung zeige, dass Russland nicht mehr uneingeschränkt hinter Syrien stehe und bereit sei, größeren Druck auf das Assad-Regime auszuüben. "Die Verständigung und gemeinsame Erklärung mit den USA ist ein deutliches Zeichen an Assad. Russland schützt das Assad-Regime nicht mehr uneingeschränkt und steht nicht mehr voll hinter ihm. Und dadurch entsteht natürlich ein größerer Druck auf das Regime."

Demonstration in Damaskus Foto: The Kfar Suseh Coordinating Of The Syrian Revolution (AP)
Unterlassene Hilfeleistung? Wachsender Zorn unter Syrern auf den WestenBild: dapd

Druck auf Assad erhöht sich

Offen ist freilich, wie dieses Zeichen in Damaskus wahrgenommen wird. Hat die gemeinsame Erklärung eine hinreichend starke Signalwirkung, oder bedarf es damit einhergehender Sanktionen? Letztere seien immer ein Zeichen politischer Ausweglosigkeit, sagt Paul von Maltzahn. Gleichzeitig riskierten Erklärungen, denen keine Konsequenzen folgen, zu bloßen Deklarationen zu werden. Dennoch ist auch er der Meinung, dass die Erklärung starke Signalwirkung habe: "Ich glaube schon, dass es dann auch wichtig ist, dass man aus der Länge des Zusammentreffens und vielleicht auch aus dem Wortlaut der Erklärung herauslesen kann, dass die russische Seite bereits ist, mehr Druck auf das Assad-Regime auszuüben."

Dieser Druck könnte eine neue UN-Resolution oder verschärfte Sanktionen umfassen, vermutet Regina Heller. Nicht zuletzt könnte die Erklärung Assad aber auch zu verstehen geben, dass er bald auf gar keinen Verbündeten mehr rechnen könne: "Sicherlich ist die neue Haltung auch ein Zeichen an das Assad-Regime, dass sich mit der russischen auch die chinesische Haltung im Sicherheitsrat ändern könnte."

USA und Russland demonstrieren Kompromissbereitschaft

Die gemeinsame Erklärung zeigt aber, wie sehr sich die USA und Russland bereits einander angenähert haben – und zudem, wie kompromissbereit sie inzwischen sind.  Während die USA indirekt zu verstehen geben, dass sie nicht mehr kategorisch auf dem Rückzug beharren, geht Russland mit der Erklärung politische ebenso wie ökonomische Risiken ein.

Regina Heller vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Foto: DW-Archiv
Regina Heller (IFSH)Bild: Regina Heller

So hat die russische Wirtschaft in den vergangenen Jahren rund 20 Milliarden Euro in das Syrien Assads investiert. Außerdem läuft das Russland Gefahr, seinen Flottenstützpunkt in Tartus zu verlieren – ein Risiko, das allerdings auch durch die bisher demonstrierte Solidarität mit Assad gegeben ist. Denn sollte dieser stürzen, dürften seine Nachfolger die Politik Russland schwerlich vergessen – und geneigt sein, Konsequenzen aus ihr zu ziehen.

Furcht vor islamistischem Terrorismus

Nicht zuletzt, so Regina Heller, hält Russland aber noch aus einem ganz anderen Grund doch noch weiter zu Assad. In Moskau fürchte man, dass nach dessen Sturz der Einfluss Saudi Arabiens in der Region zunehmen könnte. Das Königreich, so die Sorge, könnte versucht sein, den radikalen Islamismus zu unterstützen. "Man behauptet in Moskau, dass auch der Terrorismus im Nordkaukasus von Saudi Arabien unterstützt worden ist. Man sieht hier offensichtlich die Gefahr eines radikalen Islamismus, der sich nach dem Sturz des Assad-Regimes breitmachen könnte."

Die gemeinsame Erklärung von Obama und Putin hat dem syrischen Regime zunächst weiteren Spielraum gelassen. Diesen kann es aber kaum nach eigenem Gutdünken nutzen. Der Druck ist gestiegen - zunächst der verbale, dem absehbar auch der politische folgen könnte. Den politischen Prozess, den sich die beiden Präsidenten wünschten, haben sie durch ihre gemeinsame Erklärung angestoßen. Jetzt muss Assad zeigen, ob er die neuen Signale zu deuten vermag.