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Lange Lagerhaft für Putin-Gegner

18. Juli 2013

Der bekannte russische Oppositionspolitiker Nawalny wurde in einem höchst umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung verurteilt. Politisch ist der Kreml-Kritiker damit kaltgestellt. Es gab Proteste im In- und Ausland.

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Alexej Nawalny (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Der prominente russische Anwalt und Blogger Alexej Nawalny war wegen der Unterschlagung von tausenden Kubikmetern Holz während seiner Zeit als Berater des liberalen Gouverneurs der Region Kirow im Jahr 2009 angeklagt worden. Das Gericht in der Stadt Kirow sah es als erwiesen an, dass er dadurch eine staatliche Holzfirma um umgerechnet rund 400.000 Euro geprellt hat. Das Urteil: fünf Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Lagerhaft für den 37-Jährigen gefordert.

Nawalny wurde auf Anweisung des Richters noch im Gerichtssaal festgenommen. Die Staatsanwaltschaft kündigte am Abend überraschend Beschwerde gegen Nawalnys Festnahme und argumentierte, solange das Urteil nicht rechtskräftig sei, könne Nawalny unter Auflagen in Freiheit bleiben. Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew sagte der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, für Freitagmorgen sei beim Gericht in Kirow eine Anhörung über die Haftbeschwerde angesetzt worden.

Keine Gnade für Kremlkritiker

"Inszenierung des Kreml"

Gegen den profilierten Putin-Gegner und ausdauernden Kämpfer gegen Korruption laufen in Russland mehrere Verfahren. Als Blogger war Nawalny seit 2007 durch seine kritischen Recherchen zu dubiosen Geschäftspraktiken russischer Großkonzerne zu Bekanntheit gelangt. Seine Auftritte während der Proteste nach der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember 2011 und gegen die Wiederwahl von Präsident Wladimir Putin im Mai 2012 machten ihn auch im Ausland bekannt. Nawalny war einer der Organisatoren der Massenproteste gegen Putin. Er weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als politische Inszenierung des Kreml zurück. Auch andere Oppositionelle sprachen von einem Schauprozess. Sie sehen Präsident Putin als treibende Kraft hinter dem Richterspruch, der damit einen seiner ärgsten Widersacher kaltstellt.

Sehnsüchte der Mittelschicht

Der charismatische Aktivist gilt als heimlicher Held der modernen Mittelklasse, die sich nach einem anderen Russland sehnt als jenem, in dem Oppositionelle ausgeschaltet, Demonstranten verhaftet und kritische Journalisten mundtot gemacht werden. In der Hauptstadt Moskau hat Nawalny seine größte Anhängerbasis, in ländlichen Gegenden ist er weniger bekannt. Umfragen zufolge kennt ihn jeder dritte Russe.

Der Schuldspruch war absehbar, dennoch war das Urteil in Kirow rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau in Russland mit Spannung erwartet worden. Es gilt als als Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden. Das Medieninteresse war riesig. Mehr als 100 Journalisten versammelten sich bereits Stunden vor der Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude.

Kaltgestellt

Mit dem Urteil verliert Nawalny das Recht auf politische Betätigung. Präsident Putin hat Anfang dieses Jahres ein Gesetz in der Duma eingebracht, dass Vorbestraften verbietet, bei Wahlen zu kandidieren. Nawalny war am Mittwoch als Kandidat zur Bürgermeisterwahl in Moskau zugelassen worden, hätte aber nur im Fall eines Freispruchs antreten dürfen. Die Abstimmung findet am 8. September statt - ohne Nawalny.

Bei spontanen Protesten tausender Regierungsgegner gegen die Inhaftierung Nawalnys wurden in mehreren russischen Städten zahlreiche Demonstranten festgenommen. Die größten Kundgebungen wurden aus Moskau und St. Petersburg gemeldet.

Westliche Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, sowie Menschenrechtler in aller Welt sprachen von einem "Schauprozess" gegen Nawalny und einem neuen
Beispiel für politische Willkürjustiz in Russland. Ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama rief die Moskauer Regierung auf, ein "faires" Berufungsverfahren zuzulassen und ihre "Kampagne des Drucks" gegen die Opposition zu beenden.

qu/gmf/sc (dpa, afp, rtre, APE)