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Politik

Psychiater hält Zschäpe für voll schuldfähig

18. Januar 2017

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, ist nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters Henning Saß voll schuldfähig. Sein Gutachten könnte noch große Tragweite für das Urteil gegen die Angeklagte haben.

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Deutschland Verteidiger lehnen Zschäpe-Gutachter im NSU-Prozess ab
Bild: picture alliance/dpa/A. Gebert

Er habe keine psychischen Störungen "mit Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit" feststellen können, sagte der Gutachter Henning Saß vor dem Oberlandesgericht München. Somit lägen keine Voraussetzungen für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit vor. Für den Fall einer Verurteilung im Sinne der Anklage sieht er zudem die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung Zschäpes nach einer Haftstrafe gegeben. Falls das Gericht der Anklage folge und sie als Mittäterin der NSU-Mordserie mit zehn Toten verurteile, sei derzeit zu bedenken, dass Zschäpe "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" ihr rechtsextremes Verhalten fortführen würde. Dies spreche für eine Sicherungsverwahrung. Diese schließt sich nach dem Ende einer Haftstrafe an. Für zur Sicherungsverwahrung verurteilte Angeklagte verlängert sich damit die Inhaftierung. Sie können nur freikommen, falls ein Gutachter sie nicht mehr als gefährlich einstuft.

Beate Zschäpe ist die Hauptangeklagte im seit Mai 2013 laufenden Prozess um die Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Dem NSU gehörten außerdem die mutmaßlich durch Suizid ums Leben gekommenen Extremisten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos an. Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den beiden Gesinnungsgenossen im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen die beiden Männer neun Gewerbetreibende mit Migrationshintergrund und eine deutsche Polizistin ermordet und zwei Sprengstoffanschläge verübt haben. Zschäpe ist als Mittäterin angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, gleichberechtigt im NSU-Trio mitgewirkt und die rassistischen Ziele der Gruppe geteilt zu haben.

"Kämpferische Eigenschaften"

Der renommierte Psychiater nannte in seinem Gutachten die von Zschäpe über ihre Verteidiger vorgetragenen Einlassungen, wonach sie sich nur dem Willen von Böhnhardt und Mundlos gebeugt habe, nicht plausibel. Bei Zschäpe zeige sich ein "starker Wunsch nach Kontrolle", sie habe "energische, kämpferische Eigenschaften". Außerdem habe sie einen hohen perfektionistischen Anspruch an sich selbst sowie das "Streben nach Autonomie", sagte Saß. Sie sei auch ein "wehrhaftes und anerkanntes Mitglied in der rechten Szene" gewesen und habe eine Neigung zu einem "dominanten und manipulativen Verhalten" sowie egozentrische Züge und einen Mangel an Empathie.

Da Zschäpe als Mittäterin der NSU-Morde angeklagt ist, droht der 42-Jährigen lebenslange Haft. Der Gutachter machte eine negative Prognose zu Zschäpes Zukunft. An der von Zschäpe ausgehenden Gefahr habe sich auch durch den Tod von Mundlos und Böhnhardt nichts geändert, sagte der 72-jährige Sachverständige. Um an Zschäpes Haltungen etwas zu ändern, sei sicher von einem "langjährigen Geschehen" auszugehen. Der Erfolg einer dazu nötigen Therapie sei dabei von ihrem Willen zur Mitarbeit abhängig.

kle/ml (afp, dpa)